FG des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss v. - 3 V 597/22
Gesetze: KStG 2019 § 8c Abs. 1 S. 1, KStG 2019 § 8d Abs. 1 S. 1, KStG 2019 § 8d Abs. 1 S. 2, KStG 2019 § 8d Abs. 1 S. 3, KStG 2019 § 8d Abs. 1 S. 4, KStG 2019 § 8d Abs. 1 S. 5, FGO § 69 Abs. 2 S. 2, FGO § 69 Abs. 3 S. 1
Fortführungsgebundener Verlustvortrag einer GmbH nach § 8d KStG: Beobachtungszeitraum
Bestehen desselben Geschäftsbetriebs i. S. § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG bei Übernahme des Geschäftsbetriebs einer anderen Gesellschaft
und einer dadurch bedingten organischen bzw. strukturellen Entwicklung der GmbH im Beobachtungszeitraum
Leitsatz
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Die Vorschrift des § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG fordert eine Zeitraumbetrachtung,
so dass die Entwicklung des Geschäftsbetriebs während des gesamten Beobachtungszeitraums betrachtet werden muss. Ein reiner
Zeitpunktvergleich des Geschäftsbetriebs zu Beginn des Beobachtungszeitraums und zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs
kommt aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht in Betracht. § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG will von seinem Telos her nicht
Körperschaften mit einem organisch über die Jahre weiterentwickelten Geschäftsbetrieb von einer Anwendung ausschließen, sondern
nur solche Körperschaften, denen beispielsweise „in einem Akt” ein völlig neuer Geschäftsbetrieb zugeführt wurde.
2. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: War die Tätigkeit einer neugegründeten GmbH von Anfang an darauf ausgerichtet,
den vollständigen Geschäftsbetrieb einer anderen Gesellschaft zu übernehmen und fortzuführen, und mussten zur Erreichung dieses
Ziels mehrere Schritte getätigt werden, so kann insgesamt von einer organischen bzw. strukturellen Entwicklung der GmbH auszugehen
sein, die das Bestehen eines „ausschließlich desselben Geschäftsbetriebs” im Beobachtungszeitraum des § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG
nicht ausschließt.
3. Beginnt nach einem schädlichen Beteiligungserwerb der Beobachtungszeitraum i. S. d. § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG, in dem eine
GmbH „ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb” unterhalten muss, mit dem Zeitpunkt der Gründung, so ist insoweit auf den
Zeitpunkt des Beginns der Körperschaftsteuerpflicht der sog. Vorgesellschaft, also den Zeitpunkt des formgültigen Abschlusses
des notariellen Gesellschaftsvertrages abzustellen; auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht
an.
4. Für die Frage, ob die GmbH „ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb” unterhalten hat, ist auf die tatsächliche Tätigkeit
der GmbH abzustellen, mit der die Verluste erwirtschaftet wurden. Folglich können hiervon abweichende Angaben zum Unternehmenszweck
im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister sowie abweichende Angaben in Gewerbeanmeldungen allenfalls indizielle Bedeutung
haben.
Fundstelle(n): GmbHR 2023 S. 702 Nr. 13 ZAAAJ-37710
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