BGH Beschluss v. - 4 StR 306/22

Bewertungseinheit sowie natürliche Handlungseinheit beim Erpressungstatbestand

Gesetze: § 250 Abs 2 Nr 1 StGB, § 253 StGB, § 255 StGB

Instanzenzug: Az: 36 KLs 31/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Amtsanmaßung in Tateinheit mit versuchtem Betrug und mit versuchter Erpressung und mit Nötigung und mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit versuchtem Raub und mit fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist es ebenso wie die Revision des Nebenklägers unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlich begangener versuchter Erpressung hat auf seine Sachrüge keinen Bestand.

3a) Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Der Angeklagte war in seiner Eigenschaft als Zollbeamter an einer Durchsuchung im Haus des Nebenklägers beteiligt, bei der mithilfe eines Bargeldspürhundes ein größerer Bargeldbetrag gefunden und teilweise im Haus des Nebenklägers belassen wurde. Einige Monate später entschloss sich der Angeklagte aufgrund eigener finanzieller Schwierigkeiten, von dem Nebenkläger notfalls unter Einsatz eines Messers als Drohmittel einen größeren Geldbetrag erlangen zu wollen. Er suchte ihn auf und gab vor, „vom Amtsgericht wegen einer ausstehenden Restforderung der Krankenkasse in Höhe von 12.000 € gegen die alte Firma des Nebenklägers zu kommen“, wodurch er ihn zur Herausgabe dieses Betrages veranlassen wollte. Als es hierzu nicht kam, gab der Angeklagte wahrheitswidrig an, er habe einen Bargeldspürhund angefordert, mit dem „das Haus auf den Kopf gestellt werde“. Hiermit wollte er erreichen, dass der Nebenkläger seiner Behauptung, eine Amtsperson zu sein, die eine Forderung beizutreiben habe, Glauben schenkte und die Forderung erfüllte. Nachdem auch dies erfolglos geblieben war, hielt der Angeklagte dem Nebenkläger im weiteren Verlauf des Geschehens ein mitgeführtes Messer vor und äußerte nun, dass er ihn „abstechen“ werde, wenn er das Geld nicht erhalte.

5Das Landgericht hat die Angabe des Angeklagten, er habe einen Bargeldspürhund angefordert, bei dessen Einsatz das „Haus auf den Kopf“ gestellt werden werde, als versuchte Erpressung und die spätere Drohung mit dem Messer als hierzu in Tateinheit (§ 52 StGB) stehende versuchte „(besonders) schwere räuberische Erpressung“ gewertet.

6b) Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die versuchte Erpressung (§ 253 StGB) mit der weiteren unter Drohung mit dem Messer ausgeführten Erpressungshandlung (§ 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) ideal konkurriert. Richtigerweise ist insoweit nur eine Tat der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall aus einer diese beiden Handlungen des Angeklagten verbindenden Bewertungseinheit ergibt. Für den Erpressungstatbestand (§ 253 StGB) ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei lediglich die ursprüngliche Drohung den Umständen angepasst und aktualisiert, im Übrigen aber dieselbe Leistung gefordert wird. Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (, juris Rn. 17 mwN). Die Annahme einer Bewertungseinheit setzt jedoch weiter voraus, dass die sukzessive ausgeführten tatbestandlichen Handlungen auf die vorhergehende aufsetzen und sich nicht als neuer Anlauf zur Erreichung des ursprünglich angestrebten Taterfolges darstellen (, NStZ-RR 2012, 79). Dies erscheint nach den Feststellungen des Landgerichts zweifelhaft. Denn es liegt nahe, dass sich das Inaussichtstellen des Messereinsatzes auch aus Sicht des Angeklagten nicht mehr als eine bloße Aktualisierung der anfänglichen, weiter durchgehaltenen Drohung (das Haus mithilfe eines Spürhundes zu durchsuchen) darstellte, weil mit ihm der ursprünglich vom Angeklagten erstrebte Anschein, eine Amtsperson mit entsprechenden Zwangsbefugnissen zu sein, erkennbar obsolet geworden war.

7Allerdings hätte die Erpressung (§ 253 StGB) hier auch dann keine eigenständige Bedeutung, wenn die Voraussetzungen einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht erfüllt sein sollten. Denn angesichts des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs der Ausführungshandlungen sowie des von Anfang an bereits einen etwaigen Einsatz des Messers umfassenden Willens des Angeklagten wäre anderenfalls – wie vom Landgericht zugrunde gelegt – eine die beiden Erpressungshandlungen verbindende natürliche Handlungseinheit gegeben (vgl. zu deren Voraussetzungen näher , juris Rn. 8 mwN), die durch den Wechsel des Angriffsmittels nicht in Frage gestellt wird (vgl. , NStZ 2000, 532). Hiervon ausgehend würde jedoch der Grundtatbestand der (versuchten) Erpressung durch den Qualifikationstatbestand der (versuchten) besonders schweren räuberischen Erpressung im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt.

8c) Der Senat ändert den Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entsprechend ab. Hierbei korrigiert der Senat – ohne durch das Verschlechterungsverbot gehindert zu sein (vgl. , NStZ-RR 2020, 357 mwN) – bereits auf die Revision des Angeklagten zugleich die rechtliche Bezeichnung der Straftat nach § 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. , juris Rn. 14 mwN) sowie die Reihenfolge der in der Urteilsformel aufgezählten tateinheitlich verwirklichten Straftatbestände (vgl. Maier in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 260 Rn. 250). Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, denn der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.

9d) Der Strafausspruch bleibt hiervon unberührt, weil die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht verändert.

10e) Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

112. Die Revision des Nebenklägers bleibt erfolglos. Soweit sie eine Verurteilung des Angeklagten wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) erstrebt, ist sie mangels Beschwer des Nebenklägers bereits unzulässig, denn es handelt sich nicht um Strafgesetze, die gemäß § 395 StPO zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen. Dass sich das Landgericht von einem Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten nicht zu überzeugen vermochte, lässt eingedenk des beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs keinen Rechtsfehler erkennen.

123. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten gibt keinen Anlass, ihn auch nur teilweise von den hierdurch verursachten Kosten und Auslagen freizustellen. Da auch die Revision des Nebenklägers erfolglos bleibt, trägt jeder Beschwerdeführer seine Auslagen selbst (vgl. , juris Rn. 34 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010323B4STR306.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-37280