Bonus - Zielvereinbarung - Ersatzleistungsbestimmung
Leitsatz
Der Beurteilungsspielraum, der den Tatsachengerichten bei einer Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zusteht, unterliegt nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle.
Gesetze: § 315 Abs 3 S 2 BGB, § 547 Nr 6 ZPO
Instanzenzug: Az: 4 Ca 322/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 7 Sa 73/19 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2017.
2Die Beklagte ist ein deutsches Pharmaunternehmen, das zum internationalen Teva-Konzern mit der Obergesellschaft Teva Pharmaceutical Industries Limited gehört.
3Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten als außertarifliche Angestellte, zuletzt in der Funktion einer Produktmanagerin im Betrieb in Ulm beschäftigt. Im Jahr 2017 war sie dem Geschäftsbereich GGM (Global Generic Medicines) und innerhalb dessen dem Bereich OTC (Over The Counter) zugeordnet. Ihr Bruttojahresgehalt ohne Urlaubsgeld und ohne Entgeltumwandlungsbetrag belief sich im Jahr 2017 auf 62.452,54 Euro.
4Im zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrag vom heißt es ua.:
5Im Arbeitsverhältnis der Parteien galt im Streitzeitraum die am geschlossene „Betriebsvereinbarung zur Vereinbarung persönlicher Ziele und der Ableitung variabler Vergütung sowie zur Einführung von ‚SuccessFactors Performance & Goals‘ im AT-Bereich“ (BV Bonus).
6In der BV Bonus heißt es ua.:
7In der als Anlage 1 der BV Bonus beigefügten Eingabemaske Zielvereinbarung heißt es unter der Überschrift „Vorstellung“:
8Die konzernbezogenen Ziele des Jahres 2017 wurden vom Vice President Global Human Ressources des Teva-Konzerns am mitgeteilt. Die Mitteilung der wirtschaftlichen Kennzahlen für den Geschäftsbereich erfolgte am .
9Es existieren Bildschirmausdrucke, ua. von einem E-Mail-Verkehr, in denen persönliche Ziele dargestellt werden, die die Klägerin im Jahr 2017 zu erfüllen hatte. Daneben enthält der für die Klägerin bestimmte Performance Review 2017 von der Klägerin zu erreichende persönliche Ziele.
10Eine Bonuszahlung für 2017 erfolgte an keinen Mitarbeiter der Beklagten mit der Begründung, der Teva-Konzern habe die Unternehmensziele nicht erreicht.
11Die Klägerin hat zuletzt die Ansicht vertreten, ihr stehe für das Jahr 2017 ein Bonus iHv. 18.735,76 Euro brutto zu. Der für den Bonusanspruch vorausgesetzte Abschluss einer Zielvereinbarung sei erfolgt. Sie habe mit ihrer Vorgesetzten für das Jahr 2017 persönliche Ziele festgelegt und das nach der BV Bonus angebotene System genutzt. Dieses System habe aber keine Möglichkeit vorgesehen, Geschäftsziele einzupflegen. Der für die Geschäftszielerreichung maßgebliche Business Performance Factor (BPF) sei begrenzt auf den Geschäftsbereich zu ermitteln, in dem die Klägerin tätig gewesen sei. Soweit sich die Beklagte auf den Geschäftsbereich GGM beziehe, habe sie nicht hinreichend dargelegt, wie sie den Grad der Zielerreichung ermittelt habe. Jedenfalls habe der Geschäftsbereich GGM seine Ziele im Jahr 2017 zu 98,58 % erfüllt.
12Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, ihr variables Vergütungssystem basiere auf einem weltweiten Bonussystem. Die globalen Unternehmensziele seien Bestandteil des BPF. Eine den Anforderungen der BV Bonus genügende Zielvereinbarung sei mit der Klägerin für das Jahr 2017 nicht abgeschlossen worden. Die Festlegung von Geschäftszielen in einer Zielvereinbarung sei nicht erfolgt.
14Der Teva-Konzern habe im Jahr 2017 einen operativen Verlust nach US-GAAP-Regeln iHv. insgesamt 17,5 Milliarden US-Dollar erlitten. Vor diesem Hintergrund seien die konzernweiten Unternehmensziele im Jahr 2017 nur zu 78,3 % erreicht worden. Deshalb habe sie den BPF im Rahmen des ihr insoweit eröffneten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts iSd. § 315 BGB auf „Null“ festsetzen dürfen. Insgesamt hätten wegen der Unterschreitung des Schwellenwerts von 80 % bei den konzernspezifischen Geschäftszielen und der schwierigen wirtschaftlichen Lage 2017 besondere Umstände vorgelegen, die eine Festsetzung auf „Null“ selbst vor dem Hintergrund rechtfertigten, dass mit dem Bonus individuelle Leistungen der Klägerin honoriert werden sollten.
15Auch der Geschäftsbereich GGM habe die Ziele nur zu 70,7 % erreicht, womit der für eine Bonusgewährung erforderliche Schwellenwert auch insoweit unterschritten worden sei. Die Zielerreichung des Geschäftsbereichs ergebe sich aus folgenden Faktoren:
16Das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei im Übrigen schon deshalb aufzuheben, weil der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO gegeben sei. Das Berufungsgericht sei auf den ausführlichen Vortrag in der Berufungsbegründung zu den für die Ermittlung der geschäftsbereichsspezifischen Ziele erforderlichen Einzelwerten nicht eingegangen. Darin liege jedenfalls eine Verletzung des Rechts der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
17Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage in dem für die Revision erheblichen Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Gründe
18Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Berufungsgericht hat schon nicht geprüft, ob eine wirksame Zielvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden ist (I.). Zudem hat es sich ausschließlich auf die Erwägungen des Arbeitsgerichts zum BPF gestützt und dabei den im Berufungsrechtszug gehaltenen Vortrag der Beklagten übergangen (II.). Das führt zur Aufhebung des Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da nicht alle Tatsachen festgestellt sind, kann der Senat nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend in der Sache selbst entscheiden (III.). Der Rechtsstreit ist daher zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
19I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob für das Jahr 2017 eine Zielvereinbarung nach der BV Bonus zwischen den Parteien geschlossen wurde, so dass es einen Bonusanspruch auch nicht dem Grund nach bejahen konnte. Dieser Rechtsfehler führt für sich genommen aber nicht zur Zurückverweisung, da der Senat auf Grundlage der getroffenen Feststellungen diese Prüfung selbst vornehmen kann. Diese ergibt, dass die Klägerin nach Nr. III Ziff. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags iVm. der BV Bonus dem Grund nach einen Anspruch auf einen Bonus für das Jahr 2017 iHv. 25 % des Bruttojahresgehalts hat.
201. Nach Nr. III Ziff. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ist der Anspruch auf einen Bonus abhängig von der Zielerreichung bzw. richtet sich nach der jeweils geltenden Betriebsvereinbarung. Für den Streitzeitraum wird der Bonusanspruch durch die für den Betrieb in Ulm geschlossene BV Bonus konkretisiert.
212. Die im Betrieb in Ulm als außertarifliche Angestellte beschäftigte Klägerin unterfällt dem Geltungsbereich der BV Bonus.
223. Die Voraussetzungen nach Nr. III Ziff. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags iVm. der BV Bonus für einen Anspruch dem Grund nach sind erfüllt. Die Parteien haben eine Zielvereinbarung nach Maßgabe der BV Bonus geschlossen.
23a) Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht beachtet, dass der geltend gemachte Bonusanspruch den Abschluss einer Zielvereinbarung voraussetzt, die den Vorgaben der BV Bonus genügt. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem von ihm in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien lässt sich jedoch entnehmen, dass die Parteien eine solche Zielvereinbarung geschlossen haben.
24b) Nach Abs. 2 Satz 3 und 4 der Präambel der BV Bonus steht hinter der variablen Vergütung ein Zielvereinbarungsprozess. Der Bonus kann deshalb nur verdient werden, wenn eine individuelle Zielvereinbarung getroffen worden ist. Entsprechend ist in Nr. I Abs. 1 BV Bonus vorgeschrieben, dass der Mitarbeiter und der Vorgesetzte jährlich eine individuelle Zielvereinbarung schließen. Auch Nr. VI Satz 1 BV Bonus setzt für die Berechnung des Bonus voraus, dass eine Bonusberechtigung besteht und Ziele vereinbart wurden. Was den Inhalt der Zielvereinbarung angeht, ergibt sich aus Nr. I Abs. 2 Satz 1 sowie Nr. II Ziff. 1 und 2 BV Bonus, dass die für einen Bonusanspruch erforderliche Zielvereinbarung (einseitig) festgelegte Geschäftsziele und vereinbarte individuelle Ziele enthält (vgl. zur insoweit wortgleichen BV Bonus, die im Betrieb der Beklagten in Berlin galt, - Rn. 53, 61, 82).
25aa) Die Verpflichtung nach Nr. I Abs. 1 Satz 2 und 3 BV Bonus, für den Abschluss einer Zielvereinbarung die bereitgestellte Software mit der näher beschriebenen Eingabemaske („das System“) zu nutzen, bezieht sich dabei nur auf die zu vereinbarenden persönlichen Ziele und nicht auf die einseitig vom Unternehmen bzw. dem zuständigen Geschäftsbereich festzulegenden Geschäftsziele. Anhaltspunkte dafür, dass konstitutive Voraussetzung für eine wirksame individuelle Zielvereinbarung eine bestimmte Form der Niederlegung dieser Geschäftsziele ist, ergeben sich aus der BV Bonus nicht. Vielmehr wird dort ausdrücklich auf die als Anlage 1 beigefügte Eingabemaske verwiesen. Diese betrifft ausschließlich die vereinbarten persönlichen Ziele; nur hinsichtlich solcher Ziele werden Erläuterungen („Vorstellung“) vorgenommen.
26bb) Die vom Unternehmen bzw. dem zuständigen Geschäftsbereich einseitig festzulegenden Geschäftsziele sind nach Nr. II Ziff. 1 BV Bonus von der Beklagten lediglich mitzuteilen. Daher führt der Umstand, dass die Eingabemaske nach Anlage 1 zur BV Bonus Freifelder enthält, entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Beklagten nicht dazu, dass auch die Geschäftsziele in das System eingepflegt werden müssen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn diese Geschäftsziele - nachdem die unternehmensinterne Willensbildung abgeschlossen ist - in einer Weise bekanntgemacht werden, dass die bonusberechtigten Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, davon Kenntnis zu nehmen. Eine individuelle Mitteilung an jeden bonusberechtigten Arbeitnehmer setzt die BV Bonus weder nach ihrem Wortlaut noch nach dem Sinn der Bestimmung voraus. Ebenso wenig ist vorgeschrieben, dass für die Mitteilung eine besondere Form zu wahren ist.
27c) Eine diesen Anforderungen genügende Zielvereinbarung hat die Klägerin mit der Beklagten für das Jahr 2017 geschlossen.
28aa) Was die persönlichen Ziele angeht, hat die Klägerin bereits erstinstanzlich vorgetragen, die vereinbarten Ziele vollständig erreicht zu haben. Sie hat dazu den zwischen ihr und ihrer Vorgesetzten geführten E-Mail-Verkehr einschließlich eines Bildschirmausdrucks der maßgeblichen Eingabemaske des Systems eingereicht. Dem ist zu entnehmen, dass von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis die unter den Nummern 1.1 bis 1.3 näher dargestellten Ziele zu erreichen waren. Daraus ergibt sich, dass Ziele vereinbart und im Softwaresystem niedergelegt worden sind. Die Beklagte ist diesem Vortrag in den Tatsacheninstanzen zu keinem Zeitpunkt substantiiert entgegengetreten.
29bb) Mit Blick auf die Geschäftsziele hat die Beklagte ausgeführt, dass im Anschluss an die Mitteilung der Konzernziele die geschäftsbereichsspezifischen Ziele am kommuniziert worden seien. Damit ist die einseitige Festlegung von Geschäftszielen und deren Mitteilung iSv. Nr. II Ziff. 1 BV Bonus erfolgt.
30II. In welcher Höhe ein Anspruch auf eine variable Vergütung für das Jahr 2017 besteht, ist aber offen. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte dieses die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen und im Rahmen seiner Ersatzleistungsbestimmung von einem BPF von 100 % ausgehen. Den von der Beklagten jedenfalls in der zweiten Instanz gehaltenen Vortrag zu dieser Thematik hat das Landesarbeitsgericht vollständig übergangen. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Dies führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).
311. Die Festlegung der Geschäftsziele im Rahmen des BPF steht im billigen Ermessen der Beklagten, das durch die Vorgaben der BV Bonus beschränkt ist. Was die Festlegung des BPF angeht, ergibt die Auslegung der BV Bonus, dass nur geschäftsbereichsspezifische und unternehmensbezogene Ziele, nicht aber konzernspezifische Ziele Eingang finden können. Das hat der Senat im Rechtsstreit - 10 AZR 729/19 - bereits zu der insoweit wortgleichen BV Bonus entschieden, die im Betrieb der Beklagten in Berlin galt ( - Rn. 60 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen. Die Vorinstanzen haben insoweit zutreffend angenommen, dass die von der Beklagten vorgenommene Festsetzung des BPF auf „Null“ nicht billigem Ermessen entspricht und daher nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich ist. Dies entspricht ebenfalls den Erwägungen des Senats ( - Rn. 107 ff.).
322. Die vom Landesarbeitsgericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommene Ersatzleistungsbestimmung hält jedoch auch einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
33a) Die Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist vom Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen. Durch richterliche Ermessensentscheidung wird direkt über den geltend gemachten Anspruch entschieden. Die Ausübung des eigenen richterlichen Ermessens findet auf Grundlage des gesamten Prozessstoffs statt. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht insoweit nicht, doch ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann (umfassend - Rn. 30 mwN, BAGE 156, 38).
34b) Bei der durch Ersatzleistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 3 BGB vorzunehmenden gerichtlichen Bestimmung einer variablen Vergütung hat das Revisionsgericht den Beurteilungsspielraum, der den Tatsachengerichten dabei zusteht, nur beschränkt zu überprüfen. Es hat zu kontrollieren, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der Billigkeit selbst verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (vgl. die st. Rspr. des BGH, zuletzt zB - EnZR 32/10 - Rn. 24 mwN; vgl. zur eingeschränkten Überprüfung bei der Anwendung von § 315 Abs. 1 BGB durch die Tatsachengerichte umfassend - Rn. 52 ff., BAGE 164, 82).
35c) Die vom Landesarbeitsgericht nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommene Ersatzleistungsbestimmung hält auch einer solchen eingeschränkten Überprüfung nicht stand, weil das Landesarbeitsgericht nicht sämtliche Umstände berücksichtigt hat.
36aa) Das Landesarbeitsgericht hat zum BPF und den geschäftsbereichsspezifischen Zielen lediglich ausgeführt, zu dem von der Beklagten eingewandten Schwellenwert und der Skalierung bedürfe es keiner Feststellung. Das Arbeitsgericht, auf dessen Erwägungen das Landesarbeitsgericht nach § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen hat, hatte insoweit angenommen, die Beklagte habe nicht dargelegt, in welchem Umfang die festgesetzten Ziele erreicht worden seien. Daher hat es einen BPF von 100 % angenommen.
37bb) Die Beklagte hat bereits in ihrer Berufungsbegründung vom zu den geschäftsbereichsspezifischen Zielen und zu deren Erreichung umfangreichen Tatsachenvortrag gehalten und rechtliche Erwägungen vorgenommen. Im Schriftsatz vom befasst sich die Beklagte ausschließlich mit den geschäftsbereichsspezifischen Zielen. Auf diesen Vortrag ist das Landesarbeitsgericht an keiner Stelle eingegangen. Damit hat es Kernvorbingen der Beklagten unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unberücksichtigt gelassen.
38cc) Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 ZPO). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht bei Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Beklagten zu einer anderen Entscheidung gelangt. Da die Revision schon allein deshalb erfolgreich ist, kann dahinstehen, ob der von der Beklagten geltend gemachte absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO gegeben ist (vgl. - zu II 1 der Gründe zu § 551 Nr. 7 ZPO aF; Musielak/Voit/Ball ZPO 19. Aufl. § 547 Rn. 18; MüKoZPO/Krüger 6. Aufl. § 547 Rn. 16).
39dd) Die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten ( - Rn. 29, BAGE 156, 38). Eine Entscheidung durch das Revisionsgericht kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (vgl. zu einem solchen Fall - Rn. 30). Hieran fehlt es vorliegend, da das Landesarbeitsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu allen für die Bestimmung maßgeblichen Umständen getroffen hat. Die Sache ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
40III. Das Landesarbeitsgericht wird unter Berücksichtigung des bisher übergangenen Vortrags der Beklagten eine neue Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorzunehmen haben. Soweit die Beklagte meint, ein Bonusanspruch bestehe der Höhe nach deshalb nicht, weil die Ziele des Geschäftsbereichs GGM unterhalb des Schwellenwerts von 80 % lägen, wird es dabei zu beachten haben, dass schon nach den von der Beklagten genannten Zahlen eine Zielerreichung oberhalb von 80 % gegeben ist.
411. Nicht zu beanstanden sind die von der Beklagten zugrunde gelegten Zielerreichungsgrade von 92 % beim Einzelziel „Umsatz“ und von 85 % beim Einzelziel „Gewinn“.
422. Das Einzelziel „Produkteinführungen“ kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit „Null“ bewertet werden. Vielmehr ist ein Zielerreichungsgrad von 61,3 % anzusetzen. Das hat der Senat zu dem identischen konzernspezifischen Ziel bereits entschieden ( - Rn. 110 f.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen.
433. Für das Einzelziel „Kosteneinsparungen“ kann nicht - wie die Beklagte meint - von einem Zielerreichungsgrad von 100 % ausgegangen werden. Vielmehr liegt dieser bei 200 %. Das Ziel, 78 Millionen US-Dollar einzusparen, wurde mit den tatsächlich erreichten 156 Millionen US-Dollar übererfüllt, was zu einem Zielerreichungsgrad von 200 % führt. Die von der Beklagten vorgebrachte Deckelung auf 100 % lässt sich den maßgeblichen Bestimmungen der BV Bonus (dort Nr. V Ziff. 1) nicht entnehmen. Soweit sich die Beklagte im Übrigen darauf beruft, dass die Kosteneinsparungen nicht mit einer Effizienzsteigerung einhergegangen, sondern auf nicht begonnene Projekte infolge der wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens zurückzuführen gewesen seien, erschließt sich bereits nicht, warum der Verzicht auf geplante Projekte keinen Beitrag zu einer Kosteneinsparung leisten konnte. Unabhängig davon kann die Beklagte nicht nachträglich das Ziel näher dahingehend spezifizieren, dass bestimmte Umstände bei der Zielerreichung nicht zu berücksichtigen seien bzw. zu einer Deckelung des Zielerreichungsgrads führen.
444. Hinsichtlich des Einzelziels „Kundenservicegrad“ geht die Beklagte von einem für die Bonusberechnung maßgeblichen Zielerreichungsgrad von 80 % aus. Hierzu, insbesondere zu dem von der Beklagten vorgebrachten Umrechnungsfaktor, ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben.
455. Zum Einzelziel „People Initiatives-Maßnahmen“ ist den Parteien ebenfalls die Möglichkeit zu geben, ergänzend vorzutragen. Dies betrifft insbesondere die nicht näher substantiierte Behauptung der Beklagten, die einzelnen Teilziele seien schlicht nicht erfüllt worden, was Ausdruck der nicht effizienten Organisation des Geschäftsbereichs GGM gewesen sei.
466. Danach ist bereits - ohne eventuell höhere Zielerreichungsgrade bei den Einzelzielen „Kundenservicegrad“ und „People Initiatives-Maßnahmen“ - von einem Zielerreichungsgrad von 86,88 % auszugehen, der über dem von der Beklagten genannten Schwellenwert liegt. Entsprechend der von der Beklagten genannten Gewichtung ergeben sich Einzelwerte iHv. 23 % (Umsatz), 29,75 % (Gewinn), 6,13 % (Produkteinführungen), 20 % (Kosteneinsparungen) und 8 % (Kundenservicegrad). Der Senat kann daher weiter offenlassen, ob ein Schwellenwert in dieser Höhe mit den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung vereinbar ist, wonach ein Anspruch auf eine variable Vergütung, die auch von der Leistung des Arbeitnehmers abhängt, nur dann „Null“ betragen kann, wenn es besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände gab, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ rechtfertigen ( - Rn. 145 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:250123.U.10AZR319.20.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 947 Nr. 17
DB 2023 S. 2249 Nr. 38
DB 2023 S. 2249 Nr. 38
NJW 2023 S. 1985 Nr. 27
ZIP 2023 S. 1150 Nr. 21
KAAAJ-37245