BGH Urteil v. - IX ZR 189/21

Notwendigkeit einer Unterzeichnung von Vergütungsabrechnungen durch einen ehemaligen Rechtsanwalt

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt ist auch nach seinem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berechtigt und verpflichtet, zur Einforderung seiner Vergütung außerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechende Berechnungen zu unterzeichnen und den Auftraggebern mitzuteilen, wenn ein Abwickler nicht bestellt oder der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist (Fortführung von , WM 2004, 2222, 2223).

Gesetze: § 204 Abs 1 Nr 3 BGB, § 204 Abs 2 S 2 BGB, § 214 Abs 1 BGB, § 18 Abs 1 S 1 BRAGebO, § 129 Abs 1 HGB, § 10 Abs 1 S 1 RVG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 15 U 299/20vorgehend Az: 4 O 266/18

Tatbestand

1Der Beklagte ist ein Gesellschafter der L.              GbR (im Folgenden: L. GbR), welche den Kläger im Jahr 2013 mit Rechtsanwaltsleistungen beauftragt hatte. Der seit dem nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassene Kläger erstellte für seine der L. GbR erbrachten Leistungen am zwei Rechnungen und am weitere 17 Rechnungen. Den Unterschriften des Klägers auf den Rechnungen vom ist anders als auf den Rechnungen vom maschinenschriftlich der Zusatz "Rechtsanwalt" angefügt.

2Der Kläger hat am Mahnbescheide bezüglich der Rechnungen aus dem Jahr 2015 allein gegen die L. GbR und am bezüglich der übrigen Rechnungen beantragt und die L. GbR sowie gesamtschuldnerisch unter anderem den Beklagten in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Mahnbescheide erlassen und der L. GbR zugestellt.

3Der Kläger verlangt mit seiner Klage die der L. GbR in Rechnung gestellten Honorare und Auslagen in Höhe von insgesamt 95.406,89 €. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderungen weiter.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Entscheidung hat infolge der Säumnis des Beklagten durch Versäumnisurteil zu ergehen, beruht aber inhaltlich auf einer Sachprüfung (vgl. , BGHZ 37, 79, 81 f).

I.

5Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Honoraranspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil er seiner Mandantschaft keine ordnungsgemäße Abrechnung der Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG vorgelegt habe und damit die streitigen Vergütungsansprüche schon nicht einforderbar seien. Die mit der Unterzeichnung der Gebührenrechnungen bezweckte Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung erfordere es, dass der Unterzeichner zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sei. Infolge der Beendigung seiner Zulassung sei der Kläger nicht mehr zur wirksamen Unterzeichnung der hier interessierenden Gebührenrechnungen als Rechtsanwalt in der Lage gewesen.

II.

6Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

71. Der Senat hat zu § 18 Abs. 1 Satz 1 BRAGO entschieden, dass der ehemalige Rechtsanwalt als Gläubiger seiner Vergütungsansprüche auch nach dem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berechtigt und verpflichtet ist, zur Einforderung dieser Ansprüche außerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechende Berechnungen zu unterzeichnen und den Auftraggebern mitzuteilen, wenn der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist (, WM 2004, 2222, 2223; ebenso Bischof in Bischof/​Jungbauer/Bräuer/Hellstab/Klipstein/Klüsener/Kerber, RVG, 9. Aufl., § 10 Rn. 17; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 10 Rn. 10; Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl., § 10 RVG Rn. 11; Weyland/Nöker, BRAO, 10. Aufl., § 55 Rn. 45b; Vill/D. Fischer in Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn. 418). Ob vorliegend überhaupt ein Abwickler bestellt worden war, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt, allerdings ist in Bezug auf die hier eingeforderten Gebühren allein der Kläger tätig geworden.

82. An dieser Rechtslage hat sich durch Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gemäß Art. 3, 8 Satz 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I S. 718) nichts geändert; denn § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG stimmt mit § 18 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wörtlich überein. Auch die Gesetzesmaterialien zu § 10 RVG halten fest, dass die Vorschrift über die Form der Rechnung § 18 BRAGO entspricht (BT-Drucks. 15/1971, S. 188). Schließlich ist kein sachlicher Grund ersichtlich, einem ehemaligen Rechtsanwalt die Geltendmachung seiner Gebühren in formaler Sicht dadurch zu erschweren, dass allein für die Unterzeichnung der Berechnung ein Abwickler bestellt oder sonstwie ein zugelassener Rechtsanwalt beauftragt werden müsste.

93. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Funktion der Unterzeichnung greifen zu kurz. Die standesrechtliche Verantwortung scheidet aus, wenn der Vergütungsgläubiger nicht mehr Rechtsanwalt ist. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines ehemals anwaltlichen Vergütungsgläubigers endet nicht damit, dass er nicht mehr nach dem leichteren Amtsdelikt des § 352 StGB (zur Privilegierung vgl. , NJW 2006, 3219, 3221 Rn. 18) zu bestrafen ist, sondern allgemeine Straftatbestände, insbesondere derjenige des Betruges (§ 263 StGB), eingreifen können. Zivilrechtlich bleibt der Beauftragte aus dem Anwaltsdienstvertrag nachwirkend verpflichtet, obwohl seine Zulassung zur Anwaltschaft erloschen ist. Das gilt gerade auch für die richtige und billige Einforderung noch offener Vergütungen und die dazu gehörige Mitteilung der Berechnung ( aaO).

III.

10Der angefochtene Beschluss erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - die vom Landgericht bejahte Frage der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) offen gelassen. Auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Klägers ist keine Verjährung eingetreten.

111. Das Landgericht hat außer Acht gelassen, dass § 129 Abs. 1 HGB sinngemäß für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt (, WM 2011, 1036 Rn. 9 mwN). Nimmt ein Gläubiger - hier der Kläger - wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft einen Gesellschafter - hier den Beklagten - entsprechend § 128 HGB in Anspruch, so kann dieser Einwendungen und Einreden gegen die Gesellschaftsschuld nicht mehr erheben, wenn sie der Gesellschaft nicht mehr zustehen. Insbesondere wirkt eine Hemmung der Verjährung der Gesellschaftsschuld zu Lasten des Gesellschafters (, WM 2019, 2019, 2021 Rn. 34 mwN).

122. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen der Klage behauptete anwaltliche Tätigkeiten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013 zugrunde, für welche die Vergütungsansprüche laut den Feststellungen des Landgerichts noch im selben Jahr fällig im Sinne von § 8 Abs. 1 RVG wurden, so dass die Verjährungsfrist von drei Jahren ohne Rücksicht auf die Mitteilung der Berechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 RVG) gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres 2013 begann und mit Ablauf des vollendet gewesen wäre. Die am hinsichtlich der Rechnungen aus dem Jahr 2015 und am auch bezüglich der übrigen Rechnungen eingegangenen Mahnanträge des Klägers gegen die L. GbR haben die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtzeitig gehemmt, da die Zustellungen an die L. GbR am und am und damit demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt sind.

133. Da es insoweit an Feststellungen der Vorinstanzen fehlt, ist revisionsrechtlich auf Grund des Vorbringens des Klägers in der Berufungsbegründung zu unterstellen, dass das Mahngericht den Kläger am von der Zustellung in Bezug auf die Rechnungen aus dem Jahr 2015 in Kenntnis gesetzt hat, die Verjährung damit gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Ablauf des gehemmt geblieben und bis zum weitergelaufen ist. Durch die gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags am zurückwirkende Zustellung des weiteren Mahnbescheids gegen den Beklagten am ist die Verjährung gegenüber dem Beklagten rechtzeitig erneut gehemmt worden. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Schuldner die Beweislast dafür trägt, dass die eingetretene Hemmung infolge Verfahrensstillstandes beendet worden ist (MünchKomm-BGB/Grothe, 9. Aufl., § 204 Rn. 88; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 204 Rn. 55; vgl. auch , NJW-RR 2010, 1604, 1608 Rn. 28). Ein Schriftsatz des Beklagten ist indessen im Berufungsverfahren nicht zu den Akten gelangt.

144. Ebenso ist hinsichtlich des die Rechnungen aus dem Jahr 2016 betreffenden Mahnantrags vom in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die Verjährung infolge des Eingangs der Zustellungsnachricht beim Kläger am gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Ablauf des gehemmt war und noch innerhalb dieser Frist die auf den zurückwirkende Zustellung an den Beklagten als zweiten Antragsgegner am bewirkt worden war.

IV.

15Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Sollte auf Grund der im wiedereröffneten zweiten Rechtszug nachzuholenden Feststellungen keine Verjährung eingetreten sein, wird das Berufungsgericht nunmehr in die weitere Prüfung der Gebührenforderungen des Klägers einzutreten haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:160223UIXZR189.21.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 898 Nr. 17
DStR 2023 S. 12 Nr. 16
DStRE 2023 S. 511 Nr. 8
NJW 2023 S. 9 Nr. 17
NJW-RR 2023 S. 759 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2023 S. 1485
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2023 S. 1485
ZAAAJ-37091