BVerwG Urteil v. - 6 A 1/22

Erfolglose vorbeugende Unterlassungsklage gegen den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung im Rahmen von Maßnahmen nach § 3 G10

Leitsatz

1. Der Rechtsweg gegen Maßnahmen einer Überwachung der laufenden Kommunikation auf der Grundlage von § 11 Abs. 1a Satz 1 G10 ist nach Maßgabe von § 13 G10 ausgeschlossen.

2. Die Überwachung und Aufzeichnung der ruhenden Kommunikation nach § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 greift in den Schutzbereich des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein.

3. Eine vorbeugende Unterlassungsklage, mit der ein drohendes Verwaltungshandeln abgewehrt werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (wie 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76).

Gesetze: § 3 G10 2001, § 5 G10 2001, § 11 Abs 1a S 1 G10 2001, § 11 Abs 1a S 2 G10 2001, § 13 G10 2001, Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG, Art 10 GG, § 50 Abs 1 Nr 4 VwGO

Tatbestand

1Der Kläger, ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, ist Teil eines internationalen Netzwerks, das sich zum Ziel gesetzt hat, Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie Journalisten zu helfen, die aufgrund ihrer Recherchen in Notlagen geraten sind. Er begehrt mit seiner auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Klage, dass der Bundesnachrichtendienst es unterlässt, seine mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführte Telekommunikation unter Anwendung des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 G10 zu überwachen oder aufzuzeichnen.

2Sein Unterlassungsbegehren machte der Kläger zunächst zum Gegenstand eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom (6 VR 4.21) ab, da der Kläger sein Begehren zuvor an den Bundesnachrichtendienst hätte richten müssen.

3Im Nachgang hat der Kläger die vorbeugende Unterlassungsklage erhoben. Zur Begründung führt er an, er müsse vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, da aufgrund seiner Aktivitäten eine Überwachung seiner Telekommunikation unter Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) drohe. Er stehe vor allem in Kontakt mit ausländischen Journalisten, die als Korrespondenten für seine Dachorganisation und gleichzeitig oftmals auch als Investigativjournalisten tätig seien. Mit ihrer Unterstützung sammle er Informationen über die örtliche Sicherheitslage und die Arbeitsbedingungen lokaler Medienschaffender, analysiere diese und bringe sie in nationale oder internationale Gerichtsverfahren etwa gegen Führungspersonen der jeweiligen ausländischen Regime ein. Die mit ihm in Verbindung stehenden Journalisten seien gefährdet. Ihre Bedrohungslage ergebe sich oft aus deren Recherchen zu Korruption, organisierter Kriminalität und Missständen in Regierungskreisen, staatlichen Behörden und bei Sicherheitskräften. In Einzelfällen komme es auch zum Kontakt mit Unterstützung suchenden Personen aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland, mit denen er als Quellen auf sicherem Wege kommunizieren können müsse. Seine Aktivitäten, die sich u. a. auf Länder wie Mexiko, Russland, Belarus und Saudi-Arabien erstreckten, deckten sich hiernach sowohl thematisch als auch räumlich mit denjenigen Bereichen, in denen der Bundesnachrichtendienst seine Aufklärungsarbeit betreibe. Es sei daher zumindest hinreichend wahrscheinlich, dass der Bundesnachrichtendienst die Quellen-TKÜ auf den vereinseigenen Geräten einsetzen und die Kommunikation unmittelbar überwacht und aufgezeichnet werde. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Telekommunikation mittelbar überwacht werde, weil die Quellen-TKÜ bei seinen Kommunikationspartnern eingesetzt werden könnte. Dies gelte vor allem für seine Quellen aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 G10 erfüllten.

4Für die angesichts dessen zulässige Klage sei der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung sei eine bloße Förmelei. Es sei davon auszugehen, dass der Bundesnachrichtendienst die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Im Gegenteil habe dieser erklärt, von den Befugnissen nach § 11 Abs. 1a G10 Gebrauch machen zu wollen. Das für die vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus der Heimlichkeit der Überwachungsmaßnahme. Er, der Kläger, könne eine Überwachung seiner Messenger-Dienste nicht erkennen und damit nicht um nachträglichen Rechtsschutz nachsuchen, zumal seine Benachrichtigung nicht zwingend sei. Eine Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz mache seine auf Vertrauen mit seinen Kommunikationspartnern beruhende Zusammenarbeit unmöglich, erschwere sie jedenfalls und gefährde sie. Da die Überwachung seiner Kommunikation hinreichend wahrscheinlich sei, sei er auch klagebefugt. Bei der Beurteilung der Zulässigkeitsvoraussetzungen sei schließlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtsschutzgewährung bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen der Nachrichtendienste zu berücksichtigen.

5Sein Unterlassungsanspruch ergebe sich aus der Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 G10 sowie der Regelungen für die Anordnung und die Reichweite von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3 ff. G10. Die Normen seien mit Art. 10 Abs. 1 GG für die Überwachung der laufenden Kommunikation bzw. mit dem aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme für die Überwachung der ruhenden Kommunikation unvereinbar. Zudem werde er wegen des nur relativen Schutzes seiner journalistischen Tätigkeit in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 GG verletzt.

6Der Kläger beantragt,

dem Beklagten wird es untersagt, Chats und andere Kommunikation, die Organe oder Mitarbeiter des Klägers im Auftrag des Klägers mit Dritten über Messenger-Dienste oder auf andere Weise führen, unter Anwendung des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 Artikel 10-Gesetz zu überwachen oder aufzuzeichnen.

7Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8Sie verweist darauf, dass der Kläger auch im Nachgang zum Beschluss des Senats vom keinen Antrag beim Bundesnachrichtendienst gestellt habe. Ein Verwaltungsvorgang existiere daher mangels Vorbefassung des Bundesnachrichtendienstes mit dem Unterlassungsbegehren nicht. Die Klage sei unzulässig. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Er werde bisher und momentan weder unmittelbar noch mittelbar überwacht. Der Bundesnachrichtendienst habe nicht erklärt, von den Befugnissen gegenüber dem Kläger Gebrauch machen zu wollen. Dessen Aktivitäten ließen es nicht als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, zukünftig von Maßnahmen der Quellen-TKÜ betroffen zu sein. Die Quellen-TKÜ erfordere einen Zugriff auf das Endgerät einer Person. Sie komme nur im Rahmen einer gezielten Überwachungsmaßnahme und nicht im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung zum Einsatz. Der Kläger benenne weder die Vertrauens- oder Kontaktpersonen noch stelle er einen konkreten möglichen Zusammenhang mit einer tatsächlichen Überwachungsmaßnahme des Bundesnachrichtendienstes her, sodass nicht erkennbar sei, dass seine Kommunikation durch den Einsatz der Quellen-TKÜ überwacht werden könnte. Auch fehle das qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Die Rechte des Klägers seien durch die vorhandenen gesetzlichen Prüfungs- und Kontrollmechanismen ausreichend geschützt.

9Hilfsweise, für den Fall der unterstellten Zulässigkeit der Klage, sei jedenfalls von deren Unbegründetheit auszugehen. Der Kläger wende sich nicht gegen die Rechtswidrigkeit einer konkreten Beschränkungsmaßnahme oder deren Anordnung, sondern stelle lediglich auf die behauptete, aber nicht gegebene Verfassungswidrigkeit der die Quellen-TKÜ regelnden Normen ab.

10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom und den Schriftverkehr im gerichtlichen Verfahren Bezug genommen.

Gründe

11Die vorbeugende Leistungs- in Form der Unterlassungsklage zur Verhinderung der vom Kläger geltend gemachten drohenden Überwachung seiner Telekommunikation mittels der Quellen-TKÜ, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, ist unzulässig.

12Die Quellen-TKÜ setzt technisch am Endgerät einer Person an und kann daher im Anwendungsbereich des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G10) i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1254; ber. S. 2298; ber. BGBl. 2017 I S. 154), zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2274), aus technischen Gründen nur im Rahmen des Vollzugs von Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G10 zur Anwendung kommen (1.). Soweit sie die Überwachung der laufenden Kommunikation ermöglicht, ist der Rechtsweg nach Maßgabe von § 13 G10 ausgeschlossen (2.). Ungeachtet dessen erweist sich die vorbeugende Unterlassungsklage des Klägers als unstatthaft (3.). Schließlich ist sie mangels vorheriger Antragstellung bei dem Bundesnachrichtendienst unzulässig (4).

131. Die Quellen-TKÜ ist ein Mittel zur Durchführung einer Beschränkungsmaßnahme (vgl. auch § 11 Abs. 1 G10). § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 G10 bestimmt insoweit, dass der Antrag auf Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme im Falle der Durchführung nach § 11 Abs. 1a G10 auch eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems enthalten muss, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll. Die Quellen-TKÜ ermöglicht die Überwachung sowohl der laufenden als auch der ruhenden Kommunikation. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1a G10. Nach dessen Satz 1 darf die Überwachung und Aufzeichnung der laufenden Telekommunikation, die nach dem Zeitpunkt der Anordnung übertragen worden ist, auch in der Art und Weise erfolgen, dass in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Gemäß § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 dürfen auf dem informationstechnischen System des Betroffenen ab dem Zeitpunkt der Anordnung gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können. Aus der Gesetzesbegründung folgt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Zwar wird die Schaffung der Befugnis der Nachrichtendienste zur Überwachung der ruhenden Kommunikation mittels Quellen-TKÜ hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 19/24785 S. 14 zur Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen). Jedoch ergibt sich aus der Begründung zu § 11 Abs. 1a G10, dass dessen Satz 1 und 2 den Regelungen des im Wesentlichen gleichlautenden § 100a Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO nachgebildet sind (vgl. BT-Drs. 19/24785 S. 22). Die Quellen-TKÜ ist hiernach ein Mittel einerseits der Überwachung laufender Kommunikation und anderseits der Durchsuchung gespeicherter (ruhender) Kommunikation auf einem Endgerät (vgl. zu dieser Unterscheidung: - BVerfGE 120, 274 <308> und vom - 1 BvR 966, 1140/09 - BVerwGE 141, 220 Rn. 228; - BVerfGE 158, 170 Rn. 28 f.).

14Die informatorische Anhörung der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in der mündlichen Verhandlung hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die nach § 11 Abs. 1a G10 ermöglichte Überwachung und Aufzeichnung der laufenden und ruhenden Telekommunikation in technischer Hinsicht einen Eingriff in das informationstechnische System einer bestimmten Person und damit den Zugriff auf ein konkretes Endgerät des Betroffenen erfordert. Ein solcher Eingriff kann auf verschiedene Weise erfolgen, indem die Überwachungssoftware etwa über eine E-Mail, einen ihr beigefügten Anhang oder auf andere Weise auf das Endgerät gespielt wird. Die Software ermöglicht den Zugriff auf die auf dem Endgerät aus- und eingehende laufende Kommunikation vor ihrer Verschlüsselung bzw. nach ihrer Entschlüsselung sowie auf die dort vorhandene ruhende Kommunikation. In zeitlicher Hinsicht beginnt die Überwachung der laufenden Kommunikation ab dem Zeitpunkt, in dem die Überwachungssoftware auf dem Endgerät aktiviert wird; sie endet mit Ablauf der Geltungsdauer der Beschränkungsmaßnahme, in deren Vollzug die Quellen-TKÜ durchgeführt wird. Demgegenüber erfasst die Überwachung der ruhenden Kommunikation diejenige Kommunikation auf dem Endgerät, die dort in der Zeit zwischen dem Beginn der Geltungsdauer der Beschränkungsmaßnahme und der Aktivierung der Überwachungssoftware gespeichert worden ist.

15Da die Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht den Zugriff auf ein konkretes Endgerät einer bestimmten Person erfordert, kann sie nach dem gegenwärtigen Stand der Technik im Anwendungsbereich des Artikel 10-Gesetzes nur im Rahmen des Vollzugs einer Beschränkungsmaßnahme nach § 3 G10 zur Anwendung kommen. Eine auf dieser Norm beruhende Beschränkungsmaßnahme setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, dass jemand eine der in § 3 Abs. 1 Satz 1 G10 genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat bzw. Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 2 G10 zu begehen. Zudem ist die Anordnung dieser Beschränkungsmaßnahme und in deren Vollzug die Quellen-TKÜ nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 nur zulässig zur Abwehr drohender Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung oder anderer dort genannter staatsschützender Belange (vgl. Roggan, DVBl. 2021, 1471 <1472>; Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 Artikel 10-Gesetz Rn. 2). Adressaten sind die Verdächtigen oder Personen, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Verdächtige ihren Anschluss benutzt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 G10; vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einbeziehung dieser Personen bereits: u. a. - BVerfGE 30, 1 <32 f.> zu § 2 Abs. 2 Satz 2 G10 i. d. F. der Bekanntmachung vom - BGBl. I S. 949). Dementsprechend muss in der Anordnung der Beschränkungsmaßnahme nach § 10 Abs. 3 G10 die Person bezeichnet werden, gegen die sich die Beschränkungsmaßnahme richtet (Satz 1), und bei einer Überwachung der Telekommunikation ist auch die Rufnummer oder eine andere Kennung des Telekommunikationsanschlusses oder die Kennung des Endgeräts, wenn diese allein diesem Endgerät zuzuordnen ist, anzugeben (Satz 2). Hierunter fallen etwa die IMEI-Nummer, die IP-Adresse oder auch eine bestimmte E-Mail-Adresse (vgl. Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 10 Artikel 10-Gesetz Rn. 8 f.).

16Demgegenüber kommt eine Anwendung der Quellen-TKÜ im Rahmen einer Beschränkungsmaßnahme der strategischen Fernmeldeüberwachung nach den §§ 5 ff. G10 aus technischen Gründen bisher nicht in Betracht. Eine solche Beschränkungsmaßnahme setzt nicht an einem konkreten Endgerät einer bestimmten Person, sondern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 G10 an einem gebündelten Übertragungsweg an (zum Begriff sowie zur Abgrenzung des Übertragungswegs von daran sich anschließenden End- und Vermittlungseinrichtungen: 6 A 3.16 - BVerwGE 162, 179 Rn. 46). Dieser ist entweder leitungsgebunden wie bei einer Kabelverbindung oder nicht leitungsgebunden wie bei einer Satelliten- oder Richtfunkverkehrsverbindung (vgl. Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 5 Artikel 10-Gesetz Rn. 2). Die Maßnahme nach § 5 G10 ermöglicht die Überwachung der auf diesem Übertragungsweg transportierten Datenströme internationaler Telekommunikationsbeziehungen. Zwar kann die strategische Fernmeldeüberwachung der Datenströme durch die Verwendung von individuellen, einer Person oder einem Anschlussinhaber zuzuordnenden Suchbegriffen wie einer Telefonnummer, einer E-Mail-Adresse, einer IMSI-Kennung oder einer IMEI-Kennung auch gezielt auf die Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse gerichtet sein (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 bis 3 G10). Jedoch werden diese Suchbegriffe auf die im Rahmen der gebündelten Übertragungswege überwachten Datenströme angewandt. Deshalb unterscheidet sich die strategische Fernmeldeüberwachung als primär sachbezogene und nicht gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahme von einer Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall wie etwa nach § 3 G10 (vgl. dazu - BVerfGE 154, 152 Rn. 148 sowie 6 A 9.14 - BVerwGE 157, 8 Rn. 24). Führen die individuellen Suchbegriffe bei der strategischen Fernmeldeüberwachung zu Treffern, bedarf es für die Überwachung der laufenden und der ruhenden Kommunikation einer Person mittels Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht des Zugriffs auf ein individualisiertes Endgerät und damit der Anordnung einer einzelfallbezogenen Beschränkungsmaßnahme nach § 3 G10.

172. Für das Unterlassungsbegehren des Klägers ist der Rechtsweg nach § 13 G10 ausgeschlossen, soweit es sich auf die geltend gemachte drohende Überwachung seiner laufenden Telekommunikation mittels Quellen-TKÜ (§ 11 Abs. 1a Satz 1 G10) bezieht (a)). Der Rechtswegausschluss erfasst jedoch nicht die auf § 11 Abs. 1a Satz 2 G10 beruhenden Vollzugsmaßnahmen hinsichtlich der ruhenden Kommunikation (b)).

18a) Gemäß § 13 G10 ist gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3 und 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 G10 und ihren Vollzug der Rechtsweg vor der Mitteilung an den Betroffenen nicht zulässig. Nach ihrem weit gefassten Wortlaut erfasst die Vorschrift neben den explizit aufgeführten Beschränkungsmaßnahmen sämtliche Maßnahmen, die in deren Vollzug durchgeführt werden. Allerdings ist bei der Bestimmung der Reichweite des § 13 G10 zu berücksichtigen, dass der partielle Rechtswegausschluss verfassungsrechtlich in dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG verankert ist (vgl. u. a. - BVerfGE 100, 313 <361>; 6 A 9.14 - BVerwGE 157, 8 Rn. 29). Danach kann das Gesetz bei einer gesetzlich angeordneten Beschränkung des in Art. 10 Abs. 1 GG verbürgten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, die dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient, bestimmen, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. Der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Gesetzgebers zur Anordnung eines Rechtswegausschlusses liegt damit die Annahme zugrunde, dass mit den dort aufgeführten Beschränkungsmaßnahmen und deren Vollzug ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG verbunden ist. Für derartige Maßnahmen schließt § 13 G10 die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zeitweise aus. Während eine nachträgliche Kontrolle durch die Gerichte grundsätzlich eröffnet ist, kommt die Gewährung eines vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutzes nicht in Betracht (vgl. zur zeitlichen Dimension des Rechtswegausschlusses: - BVerfGE 143, 1 Rn. 59). Dies gilt nicht nur für den von einer in § 13 G10 genannten Beschränkungsmaßnahme unmittelbar Betroffenen, sondern in gleicher Weise für dessen mittelbar betroffenen Kommunikationspartner.

19Im Bereich der Quellen-TKÜ unterfällt hiernach die Überwachung der laufenden Kommunikation nach § 11 Abs. 1a Satz 1 G10 dem Rechtswegausschluss, d. h. die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs, die von einem Endgerät aus- oder dort eingehen. Dies entspricht insoweit dem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG. Dieser umfasst den Zugriff auf Inhalte und Umstände der laufenden Kommunikation, auch wenn die Überwachung technisch einen Eingriff in das entsprechende informationstechnische System voraussetzt (vgl. - BVerfGE 141, 220 Rn. 228). Er ist auch dann berührt, wenn die Maßnahme technisch nicht auf der Übertragungsstrecke, sondern bei dem Endgerät ansetzt. Er endet bei Zugriffen außerhalb der laufenden Kommunikation (vgl. - BVerfGE 120, 274 <307> und vom - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309>; 6 A 3.16 - BVerwGE 162, 179 Rn. 25 f. jeweils m. w. N.; unklar Roggan, DVBl. 2021, 1471 <1473 f.>).

20b) Anders verhält es sich bei der Überwachung der ruhenden Kommunikation gemäß § 11 Abs. 1a Satz 2 G10. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Grundrechtsschutz des Art. 10 Abs. 1 GG nicht auf die nach Abschluss eines Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich eines Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Telekommunikation, soweit dieser eigene Schutzvorkehrungen gegen den heimlichen Datenzugriff treffen kann. Soweit der heimliche Zugriff auf ein informationstechnisches System dazu dient, Daten auch insoweit zu erheben, als Art. 10 Abs. 1 GG nicht vor einem Zugriff schützt, ist stattdessen der Schutzbereich des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme als besonderer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG; sog. IT-Grundrecht) eröffnet. In dieses Grundrecht wird eingegriffen, wenn auf abgeschlossene Kommunikationsvorgänge zugegriffen wird, deren Inhalte und Umstände auf einem informationstechnischen System gespeichert sind (vgl. auch zur Abgrenzung von Art. 10 Abs. 1 GG zum IT-Grundrecht: - BVerfGE 120, 274 <307 ff., 313 ff.> und vom - 1 BvR 966, 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 209 ff.; Nichtannahmebeschluss vom - 2 BvR 1454/13 - NJW 2016, 3508 Rn. 41). Mithin greift der Rechtswegausschluss nicht im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1a Satz 2 G10.

213. Unabhängig von der Frage des teilweisen Rechtswegausschlusses ist die erhobene Klage wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig. Eine vorbeugende Unterlassungsklage, mit der - wie hier - ein drohendes tatsächliches Verwaltungshandeln abgewehrt werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (vgl. 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 12 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt (a)). Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (b)) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (c)) lassen sich keine Vorgaben ableiten, die eine abweichende Würdigung der Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage in Fällen der hier vorliegenden Art gebieten.

22a) Die Statthaftigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass der Bundesnachrichtendienst die Quellen-TKÜ im Einzelfall einsetzen will. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht eine vergleichbare Erklärung hinsichtlich einer Speicherung und Nutzung von im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung gewonnenen Metadaten aus Telefonie-Verkehren in der Datei VERAS im Urteil vom ausreichen lassen und ist von der hinreichenden Bestimmtheit des Gegenstands vorbeugenden Rechtsschutzes ausgegangen. Dies beruhte aber entscheidungserheblich auf dem Umstand, dass der Bundesnachrichtendienst die Telefonie-Metadatenerfassung bei Gelegenheit aller ergangenen Beschränkungsanordnungen nach § 5 G10 unabhängig von deren Begrenzung durchgeführt hatte, sie damit eine beträchtliche Erfassungsreichweite aufwies und deshalb davon ausgegangen werden konnte, dass die Metadaten aus den Telefonie-Verkehren des Klägers im dortigen Verfahren miterfasst wurden (vgl. 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 14 und 19). So verhält es sich bei der Quellen-TKÜ nicht. Sie kann in technischer Hinsicht nur bei einer einzelfallbezogenen Beschränkungsmaßnahme zur Anwendung kommen und betrifft lediglich die auf einem bestimmten Endgerät des Betroffenen laufende oder ruhende Telekommunikation. Ihre Erfassungsreichweite unterscheidet sich damit in strukturell beachtlicher Weise von derjenigen Reichweite, die mit der Erfassung und Speicherung von Daten im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung in der Datei VERAS verbunden war.

23Auch im Übrigen kann der Senat keine Anhaltspunkte feststellen, anhand derer sich eine Erfassung der über Messenger-Dienste oder auf andere Weise geführten Telekommunikation des Klägers mittels Quellen-TKÜ hinreichend konkret abzeichnet. Der Kläger selbst behauptet nicht, dass seine Mitarbeiter, die vereinseigene Geräte benutzen, in den Verdacht von Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 geraten könnten. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch nicht aus seinen Aktivitäten, die nach eigenen Angaben dadurch geprägt sind, als Teil eines internationalen Netzwerks Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie Journalisten zu helfen, die aufgrund ihrer Recherchen in Notlagen geraten sind. Soweit er Informationen über die örtliche Sicherheitslage und die Arbeitsbedingungen lokaler Medienschaffender sammelt, analysiert und in nationale oder internationale Gerichtsverfahren etwa gegen Führungspersonen der jeweiligen ausländischen Regime einbringt, sind mit diesen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter keine Anhaltspunkte für die Begehung der in § 3 Abs. 1 G10 aufgeführten Straftaten mit Inlandsbezug verbunden.

24Kein anderes Ergebnis ergibt eine Betrachtung der Kommunikationspartner des Klägers. Bei ihnen handelt es sich nach dessen Angaben überwiegend um ausländische Journalisten, die vor allem zu nachrichtendienstlich relevanten Themen recherchieren. Allein der Umstand, dass sich die Recherchebereiche der Journalisten und die Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes in räumlicher und thematischer Hinsicht überschneiden, lässt nicht erkennen, dass die Journalisten im Verdacht der Begehung von Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 stehen oder sonst gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G10 Zielperson einer individuellen Beschränkungsmaßnahme sein könnten. Gleiches gilt für die Kommunikationspartner aus dem Umfeld extremistischer Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland sowie aus dem Kreise von Regierungsstellen ausländischer Regime. Selbst wenn der Bundesnachrichtendienst an den Aktivitäten dieser Personen ein nachrichtendienstliches Aufklärungsinteresse hätte, lägen damit nicht zugleich Anhaltspunkte vor, dass ihnen gegenüber Maßnahmen nach § 3 G10 angeordnet werden könnten. Denn solche Maßnahmen des Bundesnachrichtendienstes kommen nur in Betracht, wenn die Zielpersonen verdächtigt sind, eine in § 3 Abs. 1 G10 genannten Straftat zu verwirklichen, die sich mit Blick auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richtet, oder als andere Personen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G10 einbezogen werden. Dies lässt sich vorliegend auch anhand der konkretisierenden Beispiele des Klägers nicht mit der hinreichenden Bestimmtheit feststellen. Denn bei den vom Kläger genannten Personen handelt es sich vor allem um Zeugen in Strafverfahren, denen Straftaten gegen Journalisten durch ausländische Regime zugrunde liegen, oder um sog. Whistleblower.

25b) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt keinen Anlass, die an die Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage zu stellenden Anforderungen anders zu fassen.

26Der nach Auffassung des Klägers großzügige Maßstab des Bundesverfassungsgerichts bei der Beurteilung der unmittelbaren Betroffenheit eines Beschwerdeführers als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen gesetzliche Befugnisse zur heimlichen Überwachung des Bundesnachrichtendienstes im Rahmen der Ausland-Ausland-Aufklärung nach den §§ 6 ff. BNDG a. F. (vgl. - BVerfGE 154, 152 Rn. 72) ist nicht auf die dem verwaltungsprozessualen Rechtsschutzregime unterfallenden Anforderungen an die Statthaftigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage zu übertragen. Unabhängig davon verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine nähere Begründung der Betroffenheit, wenn es um Überwachungsmaßnahmen geht, deren Streubreite - anders als bei der Ausland-Ausland-Aufklärung - rechtlich und tatsächlich eingeschränkt ist (vgl. - juris Rn. 54).

27Der Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Subsidiarität von Rechtssatzverfassungsbeschwerden und der vorrangigen Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Denn die Rechtssatzverfassungsbeschwerde ist gegenüber dem fachgerichtlichen Rechtsschutz auch dann subsidiär, wenn dessen Zulässigkeit noch nicht geklärt bzw. zweifelhaft ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das Fachgericht den Rechtsbehelf für zulässig, insbesondere statthaft erachtet oder nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 2771/18 - BVerfGE 158, 170 Rn. 68 ff. <72 f.>, vom - 1 BvR 1552/19 - MMR 2022, 372 Rn. 18 und vom - 1 BvR 1345/21 - juris Rn. 47).

28c) Ebenso wenig gibt die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Anlass, die Anforderungen an die Statthaftigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage in der vorliegenden Fallkonstellation zu relativieren. Die von dem Kläger angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom betreffen nicht - wie hier - die gezielte Überwachung von Personen, sondern die nachrichtendienstliche geheime Massenüberwachung (vgl. EGMR, Urteile vom - Nr. 58170/13 u. a., Big Brother Watch u. a./Vereinigtes Königreich - NVwZ-Beilage 2021, 11 und - Nr. 35252/08, Centrum för Rättvisa/Schweden - NVwZ-Beilage 2021, 30). Ungeachtet dessen gehören weder die Mitarbeiter und Kommunikationspartner des Klägers - soweit ersichtlich - zu der Gruppe von Personen, auf die die Überwachungsmaßnahme gerichtet sein könnte, noch die gesetzlichen Regelungen der Quellen-TKÜ zu denjenigen Bestimmungen, die alle Nutzer elektronischer Kommunikationswege direkt betreffen (vgl. EGMR, Urteil vom - Nr. 35252/08, Centrum för Rättvisa/Schweden - NVwZ-Beilage 2021, 30).

294. Die Zulässigkeit der Leistungsklage, in der von der Behörde ein Handeln oder Unterlassen verlangt wird, hängt grundsätzlich davon ab, dass der Kläger das im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begehren in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat. Die Vorbefassung bezweckt den Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme und stellt zugleich eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, demzufolge es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung trifft (stRspr, vgl. 6 C 66.14 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 21, vom - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 11, vom - 6 C 7.19 - BVerwGE 170, 345 Rn. 36 und vom - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58). Fehlt es an einem gesetzlich geregelten Verfahren, in dem der geltend gemachte Anspruch durch eine zuständige Verwaltungsbehörde zu prüfen ist, kann jedoch aus prozessökonomischen Gründen im Einzelfall auch ohne vorherige Antragstellung im Verwaltungsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage anzuerkennen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde die fehlende Vorbefassung nicht spezifisch gerügt hat (vgl. 6 C 7.19 - BVerwGE 170, 345 Rn. 36 m. w. N.; Beschluss vom - 6 VR 4.21 - NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 8 f.) oder das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205 Rn. 58 m. w. N.).

30In Anwendung dieser Grundsätze ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil der Kläger sich mit seinem Begehren nicht zuvor an den Bundesnachrichtendienst gewandt hat. Da das Artikel 10-Gesetz kein abweichendes Verfahren zur Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens regelt, ist die Vorbefassung grundsätzlich geboten. Sie ist weder aus prozessökonomischen Gründen entbehrlich noch dem Kläger - wie von ihm behauptet - unzumutbar.

31Zum einen hat die Beklagte unter Verweis auf den Senatsbeschluss im vorangegangenen Eilverfahren auf die fehlende Vorbefassung des Bundesnachrichtendienstes mit dem Unterlassungsbegehren sowie das unveränderte Nichtvorliegen eines Antrags und Verwaltungsvorgangs hingewiesen. Zum anderen hat der Bundesnachrichtendienst nicht zu erkennen gegeben, den Antrag definitiv ablehnen zu wollen. Eine solche Entscheidung setzt die Klärung der Frage voraus, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger überhaupt von einer Maßnahme der Quellen-TKÜ betroffen sein könnte. Insoweit wäre es Aufgabe des Verwaltungsverfahrens und nicht des gerichtlichen Verfahrens gewesen, die technischen Voraussetzungen für den Einsatz der Quellen-TKÜ zu klären. Bei einer entsprechenden Antragstellung hätte der Bundesnachrichtendienst dem Kläger den Anwendungsbereich der Quellen-TKÜ auf der Grundlage des Artikel 10-Gesetzes erläutern können und müssen. Diese Erläuterungsmöglichkeit, eine ggf. darauf aufbauende Präzisierung seines Antrags und eine anschließende Prüfung des Begehrens durch den Bundesnachrichtendienst hat der Kläger mit der sofortigen Klageerhebung unmöglich gemacht.

325. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:250123U6A1.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-37052