BGH Beschluss v. - 5 StR 408/22

Instanzenzug: Az: I KLs 106 Js 1363/19 (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg und erweist sich im Übrigen als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Senat hat nach Wiedereinsetzung über die Revision in der Sache zu entscheiden. Zwar ist die Revisionsbegründungsschrift gegen das seinem Verteidiger am zugestellte Urteil erst am , mithin nach Ablauf der am endenden Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StPO), beim Landgericht eingegangen. Auf den zugleich gestellten und zulässigen Antrag des Angeklagten ist er aber auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) wieder in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu setzen.

3Die Wiedereinsetzung ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO) und innerhalb der Antragsfrist von einer Woche die versäumte Handlung nachholt (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Binnen dieser Wochenfrist muss der Antragsteller, sofern sich die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich aus den Akten ergibt, auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Die Voraussetzungen liegen vor.

4Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass nicht ausdrücklich vorgetragen worden ist, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte diese Kenntnis erlangt hat. Insoweit liegt es auch im Hinblick auf den hier aus dem Akteninhalt nachvollziehbaren Verfahrensablauf fern, dass er schon vor seinem Verteidiger, der am ein gerichtliches Hinweisschreiben erhalten hatte, von der Fristversäumnis, die allein der Verteidiger zu vertreten hat, erfahren haben könnte.

52. Die auf die allein zulässig ausgeführte Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt infolge konkurrenzrechtlicher Korrekturen lediglich zur Änderung des Schuldspruchs.

6a) In den Fällen II.2.a), b) und c) führte der Angeklagte die aus unterschiedlichen Erwerbsvorgängen stammenden Drogen derart an einem Lagerort zusammen, dass er diesen vor dem vollständigen Abverkauf jeweils durch den Folgekauf wieder auffüllte. Das Landgericht hat die anschließenden Verkaufshandlungen als zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehend gewertet und nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden (vgl. , NStZ 2020, 42 mwN). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, kann der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte dann Tateinheit in diesem Sinne begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. BGH, aaO; , NStZ 2020, 227, 228 mwN). Dies ist hier wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Fall. Der Angeklagte hat sich daher bei den Geschehen zu II.2.a), b) und c) nur wegen einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht.

7b) Zu einem späteren Zeitpunkt führte der Angeklagte in den Fällen II.2.e)cc) und II.2.g) ebenso zwei getrennt voneinander erworbene Rauschgiftmengen zu einem Depot zusammen. Auch in diesen Fällen liegt daher – anders als vom Landgericht rechtlich gewürdigt – lediglich ein tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Zudem vereinbarte der Angeklagte im Fall II.2.g) mit seinem Lieferanten ein Kommissionsgeschäft und zahlte erst mit dem hieraus erzielten Verkaufsgewinn einen Teil des noch ausstehenden Kaufpreises für die zuvor im Fall II.2.e)ee) erhaltenen Drogen. Diese funktionale Verknüpfung zwischen der Erfüllung des vorangegangenen noch nicht beendeten Geschäfts und der Abwicklung des neuen Kaufvorgangs verbindet hier die Fälle II.2.e)ee) und II.2.g) zur Tateinheit (vgl. , StV 2021, 445 mwN), so dass es sich letztlich auch in den vorgenannten Fällen um eine in drei tateinheitlichen Fällen zusammentreffende Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelt.

8c) Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der weitgehend geständige Angeklagte sich insoweit wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

93. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der in den Fällen II.2.a), II.2.b), II.2.e)cc) und II.2.g) verhängten Einzelstrafen. Der Senat setzt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für das Geschehen der Fälle II.2.c) und II.2.e)ee) die vom Landgericht für diese Fälle verhängten Strafen als neue Einzelstrafen fest. Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Angesichts der verbleibenden Einsatzstrafe von vier Jahren, acht Freiheitsstrafen von drei Jahren sowie einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist auszuschließen, dass das Landgericht allein aufgrund des Wegfalls der vier Einzelfreiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 367/22; vom – 3 StR 91/20 mwN).

104. Der Senat kann über die Revision im Übrigen nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden. Der Generalbundesanwalt hat zwar beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. In seiner Zuschrift hat er aber auch umfangreich zur gebotenen Schuldspruchänderung und zur Unbegründetheit des Rechtsmittels im Übrigen ausgeführt; darin ist hilfsweise der Antrag auf Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO enthalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 354/20 mwN; vom – 1 StR 85/21).

115. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010223B5STR408.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-36897