Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 2 U 224/19vorgehend LG Aurich Az: 3 O 367/19
Gründe
I.
1Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.
2Er erwarb im Oktober 2014 von der Beklagten ein Fahrzeug VW Tiguan 2.0 TDI zum Preis von 34.579,82 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA189 verbaut. Zum Zeitpunkt des Erwerbs war der Motor mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, die vom Kraftfahrt-Bundesamt im Nachhinein als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft wurde.
3Der Kläger hat - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultierten, dass die Beklagte das Fahrzeug dahingehend beeinflusst habe, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweise als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und dem Feststellungsantrag entsprochen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt. Mit Schriftsätzen vom 27. und haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
II.
5Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens zu beachten und dessen Auswirkung auf die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen festzustellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZR 1096/20, juris Rn. 3; vom - VI ZR 1042/20, juris Rn. 5).
6Danach waren die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen. Die zulässige Revision der Beklagten wäre begründet gewesen. Der Feststellungsantrag des Klägers war unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers fehlt (vgl. dazu Senatsurteil vom - VI ZR 136/20, VersR 2022, 1184 Rn. 14 ff.).
71. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nicht damit begründet werden, dass sich der Kläger die Wahl offenhalten möchte, ob er von der Beklagten den Ersatz des großen oder - stattdessen - des kleinen Schadens verlangt. Diese Entscheidung war ihm bei Klageerhebung zumutbar (vgl. , VersR 2022, 1184 Rn. 16 ff.; vom - VI ZR 156/20, VersR 2023, 69 Rn. 11; , juris Rn. 18).
82. Das Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass die Schadensentwicklung im Hinblick auf mögliche Steuernachforderungen noch nicht abgeschlossen sei. Zwar kann, wenn ein Teil des Schadens bei Klageerhebung schon entstanden, die Entstehung weiterer Schäden aber noch zu erwarten ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (Senatsurteil vom - VI ZR 136/20, VersR 2022, 1184 Rn. 24-29). Den Ersatz der behaupteten Steuernachforderungen könnte der Kläger aber jedenfalls nicht verlangen, wenn er den sogenannten kleinen Schadensersatz (Ersatz des Minderwerts) geltend machen sollte (vgl. , VersR 2022, 1184 Rn. 17, 33; vom - VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 33 f.). Eine Schadensentwicklung, die ein Feststellungsinteresse begründen könnte, wäre dann ausgeschlossen. Ob und inwieweit die genannten Aufwendungen im Rahmen des großen Schadensersatzes ersatzfähig wären, sie insbesondere dem sogenannten negativen Interesse zuzuordnen wären, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Denn auf eine diesbezügliche Schadensentwicklung könnte der Kläger sein Feststellungsinteresse schon deshalb nicht stützen, weil er sich nicht für die Geltendmachung des großen Schadensersatzes entschieden hat, obwohl ihm diese Entscheidung bereits jetzt möglich und zumutbar ist (, VersR 2023, 69 Rn. 12; vom - VI ZR 136/20, VersR 2022, 1184 Rn. 33).
93. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht daraus, dass dem Kläger die Bezifferung der Höhe des auf den großen Schadensersatz anzurechnenden Nutzungsvorteils nicht zumutbar sei. Denn für die Bestimmtheit des Klageantrags würde es genügen, wenn der Kläger die Bewertung der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsvorteile in das Ermessen des Gerichts stellte und lediglich die tatsächlichen Grundlagen der Ermessensausübung angäbe (vgl. , VersR 2022, 910 Rn. 13; , juris Rn. 21; vom - VIa ZR 122/21, WM 2022, 1077 Rn. 19).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:240123BVIZR327.20.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-36287