BGH Beschluss v. - 3 StR 418/22

Voraussetzungen einer ausbeuterischen Zuhälterei

Gesetze: § 181a Abs 1 Nr 1 StGB

Instanzenzug: Az: 3 KLs 15/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen versuchter schwerer Zwangsprostitution in Tateinheit mit versuchter Erpressung, Körperverletzung und tätlicher Beleidigung, wegen ausbeuterischer in drei und dirigistischer Zuhälterei in zwei Fällen sowie Körperverletzung in Tateinheit mit Herstellen jugendpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 75.450 € sowie dreier näher bezeichneter Mobiltelefone angeordnet, den Angeklagten verurteilt, an zwei Adhäsionsklägerinnen je 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen, und festgestellt, dass er verpflichtet ist, ihnen zukünftige aus den Taten resultierende Schäden zu ersetzen. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung in Fall 8 der Urteilsgründe (Gliederungspunkt B. V.) hat keinen Bestand.

3a) Nach den vom Landgericht in diesem Fall getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte ein Liebesverhältnis mit einer Prostituierten ein und zog in ihre Mietwohnung. Sie erwirtschaftete während des Zusammenlebens zwischen dem und dem mindestens 97.600 €. Hiervon wurden die gemeinsamen Lebenshaltungskosten in Höhe von 1.000 € pro Woche sowie 930 € Monatsmiete finanziert. Circa 2.000 € behielt die Zeugin wöchentlich für sich. Mindestens 26.090 € vereinnahmte der Angeklagte für eigene Zwecke. Hiermit war die Geschädigte unzufrieden. Er besänftigte sie, indem er vorgab, sie an von ihm erwarteten eigenen Einkünften beteiligen zu wollen. Wenigstens einmal rief er sie mit dem in der Beschlussformal näher bezeichneten Mobiltelefon an, um sich nach dem Verbleib von ihr einbehaltener Prostitutionserlöse zu erkundigen.

4Die Strafkammer hat diesen Fall als ausbeuterische Zuhälterei im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB gewürdigt und mit einer Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren geahndet. Ferner hat sie den Wert der Taterträge in Höhe von 26.090 € sowie das besagte Mobiltelefon eingezogen.

5b) Der Schuldspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn eine Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies bei ihm zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, die Lösung aus der Prostitution zu erschweren (vgl. , NStZ-RR 2002, 232, 233; Urteil vom - 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453 Rn. 15; Beschluss vom - 4 StR 87/19, NStZ 2021, 538 Rn. 8). Hiervon ist ohne Weiteres auszugehen, wenn die Prostituierte ihre gesamten Einnahmen abgeben muss und nur gelegentlich geringe Summen zurückerhält. Abgaben in Höhe von 50 % der Einnahmen können die Annahme einer Ausbeutung nahelegen (, BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 1 Ausbeuten 4; vom - 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453 Rn. 15; jeweils mwN).

6Daran gemessen belegen die getroffenen Feststellungen keine Ausbeutung. Nach diesen verwendete die Zeugin im Tatzeitraum etwa 72.000 € für sich (27,5 Wochen à 2.000 € zzgl. des auf sie entfallenden Anteils an den Lebenshaltungskosten, circa 17.000 €). Dies stellt eine erhebliche Summe dar und entspricht knapp 74 % ihrer Einnahmen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass der Angeklagte die persönliche und wirtschaftliche Lage der Zeugin schwerwiegend einschränkte, indem er den verbleibenden Teil ihrer Einkünfte an sich nahm. Hinsichtlich dieser Zeugin hat das Landgericht auch nicht festgestellt, dass sie die Prostitution nicht jederzeit hätte aufgeben können. Entgegen den Ausführungen der Strafkammer liegt eine tatbestandsmäßige Ausbeutung ebenfalls nicht darin begründet, dass der Angeklagte der Zeugin vorspiegelte, sie als Kompensation für seinen Profit an späteren eigenen Einkünften teilhaben lassen zu wollen.

7c) Die Aufhebung der Verurteilung in Fall 8 der Urteilsgründe bringt den Gesamtstrafenausspruch und die auf dieser Tat gründenden Einziehungsentscheidungen zu Fall.

8d) Die an sich fehlerfrei getroffenen zugehörigen Feststellungen werden jeweils aufgehoben, um der nunmehr zur Entscheidung berufenen Strafkammer zu ermöglichen, zu Fall 8 der Urteilsgründe insgesamt neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen (§ 353 Abs. 2 StPO).

92. Prozesszinsen an die Adhäsionsklägerinnen sind gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 analog BGB erst ab dem auf die - hier mit Antragstellung am eingetretene - Rechtshängigkeit folgenden Tag zu entrichten (vgl. , juris Rn. 4 mwN).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:240123B3STR418.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-36161