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NWB-BB Nr. 4 vom Seite 116

Hohe Inflation: Sind nachträgliche Preisanpassungen bei Verträgen möglich?

Rechtliche Möglichkeiten vor und nach Vertragsschluss

RA Dr. Christian Steiner

Deutschland und Europa erleben zurzeit eine Inflation, wie sie seit Jahrzehnten nicht bekannt war: Ende 2022 lag sie bei über 10 %, Ende Februar 2023 bei knapp 9 %. Die steigenden Preise sorgen mitunter dafür, dass das Festhalten an bereits geschlossenen Verträgen und vor allem an vereinbarten Preisen zu Verlusten führen kann, insbesondere wenn zwischen Vertragsabschluss und tatsächlicher Lieferung des Kaufgegenstandes oder bei Erbringungen von Dienstleistungen mehrere Monate liegen. Deswegen stehen viele Unternehmer vor der Frage, wie sie auf die Preissteigerungen reagieren können. Gerade dann, wenn – wie bisher – solche extremen Preissteigerungen binnen kürzester Zeit der Vergangenheit angehörten. Eine vergleichbare Situation stellten die Herausforderungen der Corona-Pandemie hinsichtlich der Betriebsschließungen dar. Hier bieten sich einige Möglichkeiten sowohl in der Vorphase des Vertrags als auch nach Vertragsschluss an.

Kernaussagen
  • Verträge, und damit auch vereinbarte Preise, müssen grds. eingehalten werden.

  • Änderungsverträge, Force Majeur- oder Verhandlungsklauseln geben keinen Anspruch auf Anpassung der Preise nach Vertragsschluss.

  • Preisanpassungsklauseln, die die gesetzlichen Vorgaben des Preisklauselgesetzes (PreisKlG) sowie des AGB-Rechts berücksichtigen, können eine Möglichkeit sein, Preise nach Vertragsschluss anzupassen. Daher sollten diese Klauseln in Standardverträgen aufgenommen werden.

  • Die gerichtliche Geltendmachung einer Preisanpassung gestützt auf eine Störung der Geschäftsgrundlage ist allerdings aufgrund der starken Einzelfallabhängigkeit risikoreich. Ferner sind hier hierbei auch Risikosphären zu berücksichtigen.

I. Langfristige Verträge und Preisbindung

Im unternehmerischen Verkehr werden langfristige Verträge mit längerer Preisbindung geschlossen. Solche Verträge können jedoch infolge der gestiegenen Preise im Einkaufs- und Herstellungsbereich nicht mehr kostengerecht sein. Das kann zu monatlich hohen Verlusten führen und sich im schlimmsten Fall ruinös auswirken. Nicht immer haben die Parteien für diesen Fall vertragliche Abreden getroffen. Sieht der Vertrag selbst keine oder keine wirksame Anpassungsmöglichkeit vor, müssen die Parteien zunächst auf gesetzliche Regelungen zurückgreifen.

1. Handlungsmöglichkeiten in der Vorphase des Vertrages

1.1 Angebote mit Bindefrist

Werden Angebote mit einer Bindefrist versehen, ist der Unternehmer nur dann an sein Angebot gebunden ist, wenn der Auftraggeber innerhalb der Bindefrist das Angebot annimmt.

Je kürzer die Bindefrist, desto geringer ist das Risiko, die Preissteigerung tragen zu müssen. Dafür sollte der Unternehmer im Gegenzug mit seinem jeweiligen Lieferanten feste Einkaufspreise für die Dauer der Bindefrist vereinbaren.

1.2 Freibleibende Angebote

Neben einer Bindefrist kann der Unternehmer sein Angebot gegenüber dem Auftraggeber auch „freibleibend“ abgeben. Solche Angebote sind dann unverbindlich. Trotz der Annahmeerklärung des Auftraggebers hat es jetzt der Unternehmer in der Hand, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern bzw. den Preis anzupassen.

Bei freibleibenden Angeboten sollte der Unternehmer dann immer sofort auf die Annahmeerklärung des Auftraggebers reagieren.

Download-Tipp

Immer häufiger verhandeln Kunden viel offensiver, fordern hohe Nachlässe oder drohen mit dem Wechsel zum Wettbewerb, falls ihren Forderungen nicht nachgegeben wird. Die Checklisten „Preisverhandlungen“, NWB AAAAD-75624, zeigen, auf welche Dinge Sie bei der Vorbereitung von Preisverhandlungen auf jeden Fall achten sollten und wie Sie allzu dreisten Forderungen geschickt einen Riegel vorschieben können. S. 117

2. Handlungsmöglichkeiten nach Vertragsschluss

2.1 Änderungsvertrag als Interessenausgleich

Eine nachträgliche Erhöhung des Preises ist durch eine einvernehmliche Vertragsanpassung rechtlich möglich. Dem Vertragspartner steht es dann frei, seinem Vertragspartner einen sog. Änderungsvertrag anzubieten, der einen erhöhten Preis vorsieht. Der Vertragspartner ist aber nicht verpflichtet, sich auf einen solchen Änderungsvertrag einzulassen. Erforderlich ist eine rechtsgeschäftliche Einigung der Vertragsparteien.

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