Gefährliche Köperverletzung: Strafschärfende Berücksichtigung der Art der Tatausführung durch einen extrem alkoholisierten Täter
Gesetze: § 21 StGB, § 46 StGB, § 224 Abs 1 Nr 5 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 16 KLs 206 Js 9788/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2Während der Schuldspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen lässt, hält der Strafausspruch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
31. Nach den Urteilsfeststellungen trat der Angeklagte mit „seinem beschuhten rechten Fuß viermal mit voller Wucht gegen den Kopf bzw. Oberkörper“ des am Boden liegenden Geschädigten ein. Nachdem er kurzzeitig von diesem abgelassen hatte und der Geschädigte gerade dabei war sich aufzurichten, trat er erneut gegen dessen „Kopf bzw. Oberkörper“. Der Geschädigte sackte zusammen und blieb „für einige Sekunden reglos bäuchlings“ liegen. Der Angeklagte – von einer Zeugin abgelenkt – entfernte sich kurz, begab sich sodann abermals zu dem noch am Boden liegenden Geschädigten und „trat ein weiteres Mal kraftvoll mit seinem rechten Fuß“ gegen dessen Kopf. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seiner Alkoholisierung (Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von maximal 3,50 Promille) in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Bei der Prüfung eines minder schweren Falles (§ 224 Abs.1 StGB) wie bei der konkreten Strafbemessung hat sie zu seinen Lasten gewertet, dass die „Brutalität des Vorgehens“ bezogen auf „Anzahl, Intensität und Zielrichtung der Tritte überdurchschnittlich hoch gewesen sei“.
42. Diese Strafzumessungserwägung begegnet unter den hier festgestellten Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5a) Nach ständiger Rechtsprechung darf die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Berücksichtigung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 16, 360, 364; vom – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschlüsse vom – 5 StR 186/21, NStZ-RR 2021, 336; vom – 6 StR 412/22). In einem solchen Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieses Umstandes bewusst war und ihm Rechnung getragen hat (vgl. , NJW 1993, 3210, 3211; Beschluss vom – 2 StR 173/22).
6b) Dies ergeben die Gründe des angefochtenen Urteils weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtschau (vgl. , BGHR StGB § 21 Strafzumessung 18; vom – 2 StR 574/12, NStZ 2014, 81, 82). Hierauf beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat vermag nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass die Strafkammer der konkreten Ausgestaltung der Tat zum Nachteil des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen hat.
73. Das Urteil hat daher im Strafausspruch keinen Bestand. Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es keiner Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:220223B6STR35.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-36051