Vergleichsgruppenbildung bei der dienstlichen Beurteilung
Leitsatz
Maßstab für die Beurteilung der einem Beamten übertragenen Aufgaben ist das ihm verliehene Statusamt. Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen dürfen grundsätzlich nicht in einer Vergleichsgruppe für die dienstliche Beurteilung zusammengefasst werden (wie 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 41 ff.).
Gesetze: Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 33 Abs 2 GG, § 50 Abs 2 S 1 BLV 2009, § 92 LBG NW
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 6 A 2717/19 Urteilvorgehend Az: 2 K 18444/17
Gründe
11. Die Klägerin steht als Kriminaloberkommissarin (Besoldungsgruppe A 10 LBesO) im Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes. Sie wendet sich gegen ihre Regelbeurteilung für den Zeitraum vom bis .
2Die am schlussgezeichnete Regelbeurteilung weist das Gesamturteil "entspricht voll den Anforderungen" auf. Dieses Ergebnis beruht auf den gleichgewichteten Bewertungen der in der dienstlichen Beurteilung ausgewiesenen Einzelmerkmale. Vom Vorschlag des Erstbeurteilers wich die Beurteilung im Merkmal "Soziale Kompetenz" ab, das vom Endbeurteiler von der Bewertung "übertrifft die Anforderungen" auf "entspricht voll den Anforderungen" abgesenkt wurde. Im Gesamturteil ergab sich hierdurch keine Änderung. Zur Begründung hat der Endbeurteiler auf den Quervergleich mit den Leistungen der Beamten aus der gesamten Vergleichsgruppe verwiesen. In der Vergleichsgruppe waren 610 Beamte der Besoldungsgruppe A 10 LBesO zusammengefasst, davon 602 Polizeivollzugsbeamte und acht Verwaltungsbeamte.
3Dem Vorschlag des Erstbeurteilers lag ein Beurteilungsbeitrag für den Zeitraum bis zum zugrunde, der in den Merkmalen Arbeitsorganisation, Arbeitseinsatz und Leistungsumfang jeweils eine um einen Punkt höhere Bewertung vorsah. Eine Begründung für die vom Erstbeurteiler vorgeschlagene abweichende Beurteilung ist in den Akten nicht enthalten.
4Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen. Die Beurteilung erweise sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Bildung des Gesamturteils anhand einer gleichen Gewichtung der Einzelmerkmale unzulässig sei.
5Die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass für die Erstellung der neuen dienstlichen Beurteilung die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zu beachten ist. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei zwar unzutreffend, die angegriffene dienstliche Beurteilung erweise sich im Ergebnis aber gleichwohl als rechtswidrig. Sie beruhe auf einer fehlerhaften Vergleichsgruppenbildung, weil Polizeivollzugs- und Verwaltungsbeamte zusammengefasst worden seien, die nicht derselben Laufbahn angehörten. Überdies sei die Abweichung im Vorschlag des Erstbeurteilers vom Beurteilungsbeitrag nicht nachvollziehbar begründet.
62. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie hat weder eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage dargelegt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) noch die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgezeigt (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
7a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. etwa 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N.). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
8aa) Die von der Beschwerde bezeichnete Frage,
"Steht es der Bildung einer Vergleichsgruppe entgegen, wenn die in ihr erfassten Beamten zwar unterschiedlichen Laufbahnen angehören, aber auf der Grundlage derselben Besoldungs- und Laufbahngruppe tatsächlich wegen eines einheitlichen Stellenplans und einheitlich zugewiesener Beförderungsstellen tatsächlich in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen",
genügt diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde.
9Nach den tatsächlichen Feststellungen im angegriffen Berufungsurteil, die mangels hierauf bezogener Verfahrensrüge auch dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen wären (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), standen die in einer Vergleichsgruppe zusammengefassten Beamten aus unterschiedlichen Laufbahnen nicht in einem Konkurrenzverhältnis um dieselben Stellen (UA S. 21). Eine tatsächliche Konkurrenzsituation - wie von der Beschwerdefrage vorausgesetzt - lag danach grundsätzlich nicht vor. Derartiges fand vielmehr nur ganz ausnahmsweise, nämlich bei der Vergabe von Funktionen im Bereich der Gleichstellungsbeauftragten sowie des Beauftragten für Arbeitsschutz statt, und damit für Stellen, die eine Vorbildung in der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes nicht erfordern (UA S. 22). Diese Sachlage ist vom Berufungsgericht nicht als tatsächliches Konkurrenzverhältnis bewertet worden. Die hierauf bezogenen Einwände der Beschwerde betreffen die Würdigung des konkreten Einzelfalls und sind der Grundsatzrüge nicht zugänglich.
10Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen grundsätzlich nicht in einer Vergleichsgruppe zusammengefasst und damit unterschiedslos in eine Rangfolge gebracht werden dürfen ( 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 41 ff.). Da die Einordnung in vorgegebene Quoten und Richtwerte der Klärung einer Wettbewerbssituation dient und künftige Auswahlentscheidungen determiniert, müssen die in einer Vergleichsgruppe zusammengefassten Beamten im Hinblick auf die maßgeblichen Gesichtspunkte der Bestenauswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG vergleichbar sein. Maßstab für die Beurteilung der dem Beamten übertragenen Aufgaben ist daher das ihm verliehene Statusamt; aus ihm ergeben sich die an den Beamten zu stellenden Anforderungen und damit der Maßstab für die Beurteilung der von ihm erbrachten Leistungen ( 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 28 und vom - 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 52). Unabhängig von den jeweiligen Unterschieden des übertragenen Aufgabenbereichs ist diese Vergleichsgruppe hinreichend homogen, weil ein Beamter grundsätzlich befähigt ist, jeden Dienstposten wahrzunehmen, der seinem Statusamt zugeordnet ist ( 2 C 74.10 - BVerwGE 144, 186 Rn. 24).
11Die vom Senat im Urteil vom - 2 A 1.21 - (Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 27) angenommene Ausnahme für Situationen, in denen sich Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen "regelmäßig" in einer potenziellen Konkurrenzsituation gegenüberstehen, liegt nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil nicht vor. Neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.
12bb) Die weiter bezeichnete Frage,
"Ist der im Rahmen der dienstlichen Beurteilung von Beamten anerkannte Beurteilungsspielraum des Dienstherrn auf die vorgelagerte Frage der Zugehörigkeit zur Vergleichsgruppe auszuweiten?",
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie kann anhand der maßgeblichen Rechtsnormen und der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden.
13Aus dem in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz folgt, dass Maßnahmen der öffentlichen Gewalt durch die Gerichte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen sind. Eine Bindung an die von einer Behörde getroffenen Feststellungen und Wertungen ist damit grundsätzlich nicht vereinbar ( u. a. - BVerfGE 84, 34 <49>). Eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle ergibt sich jedoch dort, wo der Gesetzgeber Beurteilungs- und Ermessensspielräume für die Verwaltung eröffnet hat. Wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Spielräume belässt, muss dieses behördliche Letztentscheidungsrecht auch von den Gerichten respektiert werden (vgl. - BVerfGE 129, 1 <22>). Eine derartige Beurteilungsermächtigung ist in § 21 Abs. 1 Satz 1 BBG für die dienstliche Beurteilung von Beamten enthalten ( 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 17).
14Anhaltspunkte dafür, dass dem geltenden Recht ein behördlicher Beurteilungsspielraum auch für die Vergleichsgruppenbildung entnommen werden könnte, hat die Beschwerde nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG nur einen Vergleich von Beamten zulässt, für die im Wesentlichen gleiche Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Beamten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden ( 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 42 und vom - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361>). Aus § 92 LBG NRW folgt nichts anderes. Durch die dienstliche Beurteilung werden die in einer Vergleichsgruppe zusammengefassten Beamten miteinander in Beziehung gesetzt und verglichen; insoweit wird ein Teil des Leistungsvergleichs potenzieller Auswahlverfahren vorweggenommen ( 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 45 und vom - 2 A 1.21 - Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 25). Angesichts dieser Vorwirkung ist für die Annahme einer der Organisationsgewalt des Dienstherrn obliegenden Beurteilungsermächtigung kein Raum (vgl. u. a. - NVwZ 2008, 69 Rn. 17 m. w. N.); die Anforderungen unterliegen vielmehr voller gerichtlicher Kontrolle. Entsprechend ist in der bisherigen Senatsrechtsprechung auch verfahren worden.
15cc) Die mit der Beschwerde bezeichnete Frage,
"Gilt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum regelmäßigen Ausreichen eines Hinweises auf den sog. Quervergleich im Falle des Abweichens der Erst- und Endbeurteilung bei der Bewertung der Merkmale und des Gesamturteils sinngemäß für Abweichungen zwischen Beurteilungsbeiträgen und Erstbeurteilung?"
würde sich in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht stellen und genügt den Darlegungsanforderungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes daher nicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Entsprechendes gilt für die weiter in diesem Zusammenhang benannten Fragen.
16Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat der Erstbeurteiler zur Begründung des Abweichens seiner Einschätzung von den Vorschlägen im Beurteilungsbeitrag nicht auf den Quervergleich verwiesen. Die schlechtere Bewertung geht vielmehr auf eine abweichende Beurteilung in drei Einzelmerkmalen zurück (UA S. 25). Auf welcher Grundlage der Erstbeurteiler zu dieser Einschätzung gekommen ist, kann nach den Feststellungen im Berufungsurteil schon deshalb nicht geklärt werden, weil eine entsprechende Stellungnahme durch den Beklagten nicht eingeholt worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die abweichende Einschätzung des Erstbeurteilers auf Erwägungen zum "Quervergleich" zurückgehen könnten, sind damit weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
17Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Verweis auf den "Quervergleich" einen Überblick über alle in der Vergleichsgruppe zusammengefassten Beamten voraussetzt und daher nur dem schlusszeichnenden Endbeurteiler zusteht ( 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 40).
18dd) Die schließlich benannte Frage,
"Gilt das Erfordernis einer einzelmerkmalbezogenen Plausibilisierungspflicht unterschiedslos in Bewertungsverfahren, die Regel- und Anlassbeurteilungen zum Gegenstand haben?"
rechtfertigt die Zulassung einer Revision ebenfalls nicht. Dies folgt schon daraus, dass sich im vorliegenden Rechtsstreit Fragen zur Plausibilisierung einer Anlassbeurteilung nicht stellen. Grundsätzlichen Klärungsbedarf für die Plausibilisierung von Regelbeurteilungen zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Vielmehr betraf auch das von der Beschwerde in Bezug genommene Senatsurteil vom - 2 C 2.20 - (BVerwGE 169, 254) die Plausibilisierung einer Regelbeurteilung.
19Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung geklärt, dass sich der Umfang der erforderlichen Plausibilisierung nach den im jeweiligen Einzelfall vom Beamten erhobenen Einwänden richtet (vgl. 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 43).
20b) Die Beschwerde hat auch keine Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgezeigt (vgl. zu den hierfür geltenden Anforderungen etwa 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m. w. N.).
21Das Berufungsgericht ist nicht von dem mit der Beschwerde bezeichneten Rechtssatz im Urteil des Senats vom - 2 C 21.16 - (BVerwGE 157, 366 Rn. 46) abgewichen, nach dem die Vergleichsgruppe einer dienstlichen Beurteilung aus Beschäftigten bestehen muss, die potenziell in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen. Denn bereits in dem der zitierten Passage unmittelbar nachfolgenden Satz hat der Senat ausgeführt, dass dies bei Beamten aus unterschiedlichen Laufbahnen grundsätzlich nicht der Fall ist. Eben hierauf hat das Berufungsurteil zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgestellt.
22Die mit der Beschwerde vorgetragene Vorstellung, dass es für die Vergleichsgruppenbildung auf die Laufbahnzugehörigkeit nicht ankomme, findet weder in der benannten Entscheidung noch in der sonstigen Rechtsprechung des Senats eine Stütze.
233. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:140223B2B3.22.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-35849