Instanzenzug: Az: 1 KLs 2090 Js 45717/17
Gründe
1Das Landgericht hat zwei Gesamtfreiheitsstrafen gegen den Angeklagten verhängt: Wegen bandenmäßiger „Ein- bzw. Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 18 Fällen hat es ihn unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Wegen bandenmäßiger „Ein- bzw. Ausfuhr“ von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Besitz und Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition sowie unerlaubtem Besitz von Munition hat es ihn zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht umfangreiche Einziehungsentscheidungen getroffen.
2Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
31. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
42. Die Überprüfung der Schuldsprüche offenbart lediglich folgende Mängel:
5a) Das Landgericht hat den Angeklagten zunächst rechtsfehlerfrei wegen bandenmäßiger Begehung von Ein- und Ausfuhren nach § 30a Abs. 1 BtMG verurteilt. Es hat hierzu festgestellt, dass er sich mit den ehemals Mitangeklagten und weiteren Personen (nur) zu gemeinsamen Ein- und Ausfuhrdelikten verbunden hatte und bis einschließlich Fall B.II.17. der Urteilsgründe weder eigene Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln führen wollte, noch in die An- und Verkäufe des Hintermanns eingebunden war, dessen Drogen die Gruppe europaweit transportierte. Es hat die Taten deshalb zutreffend als Bandeneinfuhr bzw. Bandenausfuhr gewürdigt, jeweils begangen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben des Hintermannes mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (s. bereits , juris Rn. 19 f., zu einem ehemals Mitangeklagten).
6Die Schuldsprüche in diesen Fällen sind jedoch dahin klarzustellen, dass der Angeklagte schuldig ist der
7- Bandeneinfuhr in Tateinheit mit Bandenausfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (Fälle B.II.5. bis B.II.8. und B.II.11. der Urteilsgründe),
8- Bandeneinfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen (Fälle B.II.3., B.II.4., B.II.9., B.II.10., B.II.16. und B.II.17. der Urteilsgründe) sowie
9- Bandenausfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle B.II.13. und B.II.14. der Urteilsgründe).
10b) In den Fällen B.II.18. und B.II.19. der Urteilsgründe waren der Angeklagte und seine Gruppe um eigene Umsatzgeschäfte bemüht, weshalb das Landgericht ihn hier ebenfalls zutreffend wegen Bandenhandels im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG in zwei Fällen verurteilt hat. Der Schuldspruch ist lediglich um den Zusatz „in nicht geringer Menge“ zu ergänzen, um die Taten zu solchen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG abzugrenzen. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (s. , juris Rn. 30).
11c) In Fall B.II.15. der Urteilsgründe hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte einem Schuldner in der Öffentlichkeit mit einer Pistole ins Bein schoss. Soweit es ihn deshalb nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) und unerlaubtem Besitz von Munition verurteilt hat, sondern auch wegen unerlaubten Besitzes der Waffe, hat der Schuldspruch keinen Bestand. Übt der Täter die tatsächliche Gewalt über eine Waffe wie hier außerhalb der eigenen Wohnung aus, so führt er sie. Das Führen verdrängt in diesem Fall die Umgangsform des Besitzes. Eine Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Besitzes der Waffe kommt nur in Betracht, wenn festgestellt ist, dass der Täter die tatsächliche Gewalt über sie auch innerhalb des eigenen befriedeten Besitztums ausübte (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2 Rn. 3; vom - 3 StR 309/14, juris Rn. 2 mwN). Hierzu sind indes keine Feststellungen getroffen.
12Der Schuldspruch ist entsprechend zu ändern. Der Strafausspruch von vier Jahren Freiheitsstrafe kann bestehen bleiben, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht ohne den ausgeurteilten tateinheitlichen Besitz der Waffe eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
133. Andere Strafaussprüche weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler auf.
14a) Das gilt zunächst für Fall B.II.5. der Urteilsgründe, in dem es das Landgericht versäumt hat, eine Einzelstrafe zu verhängen. Dies wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer nachzuholen haben. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen (vgl. , BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 mwN).
15b) In den Fällen B.II.6. bis B.II.8. der Urteilsgründe hat das Landgericht strafschärfend gewürdigt, dass „die harte Droge Kokain transportiert wurde“. Nach den getroffenen Feststellungen verbrachte die Gruppe in diesen Fällen jedoch jeweils kein Kokain, sondern Amphetamin von Utrecht über Deutschland nach Schweden. Bei Amphetamin handelt es sich um ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit. Deshalb darf der Art der transportierten Droge hier keine schulderhöhende Wirkung beigemessen werden (vgl. , juris Rn. 3 mwN). Auf diesem Rechtsfehler beruhen die Strafaussprüche von jeweils fünf Jahren und sechs Monaten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer geringere Einzelstrafen verhängt hätte, wäre sie nicht vom Transport einer harten Droge ausgegangen.
16c) Aufzuheben ist schließlich die in Fall B.II.12. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe. In diesem Fall hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte für Hinterleute Kokain aus dem Hafen in Antwerpen herausschmuggelte und die Drogen in das belgisch-niederländische Grenzgebiet verbrachte. Es hat ihn deshalb rechtlich zutreffend wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Bei einem länderübergreifenden Transport ist erst dann der Tatbestand der Einfuhr nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erfüllt, wenn die Drogen deutsches Staatsgebiet erreichen. Die Norm schützt (nur) die inländische Bevölkerung vor den Gefahren der Drogensucht, nicht die niederländische (vgl. , BGHSt 56, 162 Rn. 9 mwN). Die Strafkammer hat allerdings der Strafzumessung in diesem Fall gleichwohl den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt anstelle desjenigen des milderen § 29a Abs. 1 BtMG. Trotz der an sich maßvollen Freiheitsstrafe von fünf Jahren ist nicht auszuschließen, dass bei zutreffender Annahme einer niedrigeren Strafuntergrenze eine geringere Strafe ausgeurteilt worden wäre.
17d) Die Aufhebung der (Nicht-)Verurteilung in den Fällen B.II.5. bis B.II.8. der Urteilsgründe bringt den ersten Gesamtstrafenausspruch zu Fall, die der Einzelstrafe in Tat B.II.12. der Urteilsgründe den zweiten.
18Im Übrigen begegnet die Gesamtstrafenbildung keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat teilt nicht den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Einwand, das Landgericht habe es versäumt, die besondere Größenordnung zu erörtern, die sich aus der Summe der beiden Gesamtstrafen ergebe, und dem durch einen Härteausgleich sichtbar Rechnung zu tragen. Zwar ist ein zu hohes Gesamtstrafübel auszugleichen, das sich dadurch ergibt, dass die Zäsurwirkung eines Urteils die Bildung mehrerer Gesamtstrafen erfordert. Das gilt insbesondere bei einer voraussichtlichen Gesamtvollstreckungsdauer, die - wie hier - diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet. In solchen Fällen gewinnt der Aspekt des Härteausgleichs gesteigerte Bedeutung. Es genügt dann nicht, wenn das Urteil erkennen lässt, dass sich das Tatgericht der Höhe des Gesamtstrafübels bewusst gewesen ist und dieses für angemessen gehalten hat. Die besondere Größenordnung der Gesamtstrafensumme muss vielmehr im Urteil erörtert werden; ihr ist sodann durch einen erheblichen Härteausgleich sichtbar Rechnung zu tragen. Dabei ist auch das Ausmaß der Warnwirkung des zäsurbildenden Urteils zu berücksichtigen (, BGHSt 44, 179, 185 f.; vom - 3 StR 309/99, NStZ 2000, 137, 138; Beschluss vom - 4 StR 237/07, juris Rn. 4). Auf welche konkrete Weise das Tatgericht den Härteausgleich vornimmt, steht in seinem Ermessen (st. Rspr.; s. etwa , BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 29 Rn. 8 mwN).
19Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch gerecht. Die Strafkammer hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass die Zäsurwirkung der Vorverurteilung die Bildung zweier Gesamtstrafen erforderlich mache und deren Summe das Höchstmaß für eine zeitige Freiheitsstrafe deutlich überschreite. Das Landgericht hat weiter erörtert, dass und warum es diese Überschreitung für angemessen gehalten habe, und dies unter anderem mit der Warnwirkung des zäsurbildenden Urteils begründet. Die Strafkammer hat schließlich erläutert, dass sie das Gesamtstrafübel abgemildert habe, indem die jeweilige Einsatzstrafe nur maßvoll erhöht worden sei. Dem entspricht die konkrete Bemessung der Gesamtstrafen. Der ersten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren liegt eine Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe zugrunde, der zweiten von zwölf Jahren eine solche von acht Jahren und sechs Monaten. Damit sind die für den Härteausgleich erforderlichen Gedankenschritte dargelegt und umgesetzt worden.
20e) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jeweils aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:250123B3STR353.22.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-35806