Rechtsweg beim Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen einen für ihn tätigen Durchgangsarzt
Leitsatz
Zum Rechtsweg beim Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen den für ihn tätigen Durchgangsarzt bezüglich einer fehlerhaften Behandlung im Rahmen eines Arbeitsunfalls.
Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 839 BGB, Art 34 S 3 GG, § 13 GVG, § 51 Abs 1 Nr 3 SGG
Instanzenzug: Az: I-11 W 23/20vorgehend Az: 108 O 62/18
Gründe
I.
1Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten.
2Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die Beklagten sind für sie tätige Durchgangsärzte. Zwischen der Klägerin und den Beklagten gilt der Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. und dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger).
3Am erlitt der Versicherte R. der Klägerin einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Schnittverletzung der linken Hand mit Durchtrennung der Beugesehne des zweiten Fingers zuzog. Der Versicherte wurde noch am Unfalltag beim Beklagten zu 1 sowie am 30. November, 4. Dezember und beim Beklagten zu 2, jeweils in ihrer Funktion als Durchgangsärzte, vorstellig.
4Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten behandlungsfehlerhaft die Beugesehnendurchtrennung nicht diagnostiziert und den Versicherten insoweit unversorgt in der allgemeinen ambulanten Heilbehandlung belassen. Dies habe zu einer Verzögerung der Heilbehandlung sowie zu dauerhaften Funktionseinbußen und Schmerzen geführt. Sie - die Klägerin - habe dem Versicherten zur Abgeltung sämtlicher ihm wegen der fehlerhaften Behandlung zustehenden Ansprüche im Vergleichswege eine Entschädigung in Höhe von 4.500 € gezahlt und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.213,68 € erstattet. Außerdem seien ihr aufgrund der Behandlungsfehler der Beklagten Heilbehandlungsmehrkosten (Arzt- und Physiotherapiekosten) in Höhe von insgesamt 649,59 € entstanden. Es bestehe das Risiko, dass sie zukünftig weitere Behandlungsmehrkosten tragen müsse. Die Klägerin meint, die Beklagten seien wegen Schlechterfüllung des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger zur Erstattung der genannten Beträge verpflichtet, zudem begehrt sie die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, hinsichtlich ihres gesamten Klagebegehrens sei gemäß Art. 34 Satz 3 GG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, weil sie nach ihrer Inanspruchnahme durch ihren Versicherten mit der vorliegenden Klage allein Ansprüche gegen die Beklagten im Wege des Innenregresses geltend mache. Sowohl die geltend gemachten Behandlungskosten als auch die Schmerzensgeldzahlung an den Versicherten und die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten resultierten aus dessen Schadensersatzansprüchen im Sinne der §§ 249 ff. BGB.
5Das Landgericht hat die auf die behaupteten Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € bezogenen Ansprüche der Klägerin gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt, insoweit den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt und den abgetrennten Teil des Rechtsstreits an das Sozialgericht Münster verwiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit auch hinsichtlich des Feststellungsantrags an das Sozialgericht verwiesen ist. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben.
II.
6Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sich die Klägerin gegen die Entscheidung der Vor-instanzen wendet, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten hinsichtlich der abgetrennten Ansprüche bzw. Anträge der Klägerin für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit insoweit an das Sozialgericht zu verweisen. Im Rahmen dieses Rechtsschutzbegehrens kann die Klägerin auch die Unzulässigkeit der - nicht selbständig anfechtbaren - Prozesstrennung geltend machen (vgl. , NJW-RR 2015, 957 Rn. 15; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 145 Rn. 6a).
7Die Rechtsbeschwerde ist auch teilweise begründet. Die Verweisung des Rechtsstreits ist zu Unrecht erfolgt, soweit sie die mit der Klage erhobenen Ansprüche auf Erstattung von Mehraufwendungen in Höhe von 649,59 € betrifft. Daher war auch die - allein zur Ermöglichung dieser Verweisung erfolgte - Prozesstrennung unzulässig. Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht hinsichtlich des Feststellungsantrags richtet. Auch die Prozesstrennung ist in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
81. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, hinsichtlich der Behandlungsmehrkosten, die auch den alleinigen Gegenstand des Feststellungsantrags bildeten, liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG vor, über die die Sozialgerichte zu entscheiden hätten. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche insoweit auf den Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger und nicht auf gemäß § 116 SGB X übergegangenes Recht ihres Versicherten. Übergangsfähige Ansprüche kämen mangels persönlicher Haftung der Beklagten gegenüber dem Versicherten auch nicht in Betracht. Die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern seien öffentlich-rechtlicher Natur. Der Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Für alle Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen sei grundsätzlich der Rechtsweg zu dem jeweils zuständigen Zweig der Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Streitfall zur Sozialgerichtsbarkeit - gegeben. Das gelte auch im Falle eines Sachzusammenhangs mit einem vor den Zivilgerichten geltend zu machenden Amtshaftungsanspruch. Art. 34 Satz 3 GG sei für die abgetrennten und an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesenen Ansprüche, mit denen die Klägerin einen unmittelbaren Eigenschaden geltend mache, nicht einschlägig. Der Rechtsauffassung der Klägerin, dass auch die von ihr geltend gemachten Mehrbehandlungskosten Teil des Schadens ihres Versicherten und damit auch Teil des von ihr verfolgten Innenregresses seien, könne nicht gefolgt werden. Die Mehrbehandlungskosten seien zu keiner Zeit bei ihrem Versicherten als Schaden angefallen, weil die Klägerin aufgrund sozialrechtlicher Bestimmungen im Verhältnis zu ihrem Versicherten zur Übernahme der Behandlungskosten verpflichtet gewesen sei. Entsprechend seien die Mehrbehandlungskosten auch nicht von dem ihrem Versicherten gegen sie zustehenden Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG umfasst gewesen. § 17 Abs. 2 GVG stehe der Aufspaltung des Rechtswegs nicht entgegen, da die Klägerin eine Mehrheit prozessualer Ansprüche verfolge. Das Landgericht habe zu Recht eine Prozesstrennung beschlossen und den abgetrennten Teil an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesen.
92. Das hält der rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts sind die ordentlichen Gerichte aufgrund der Sonderzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG auch für die Entscheidung des Rechtsstreits hinsichtlich der geltend gemachten - bereits angefallenen - Heilbehandlungsmehrkosten zuständig. Hinsichtlich des wegen befürchteter künftiger Mehrbehandlungskosten gestellten Feststellungsantrags erfolgte die Verweisung an das Sozialgericht dagegen zu Recht.
10a) Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Es handelt sich vorliegend nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 13 GVG, sondern um eine - vorbehaltlich einer abdrängenden Sonderzuweisung - den Sozialgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG.
11aa) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Frage fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (st. Rspr.; etwa GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 313 f., juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 12; , NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 51 Abs. 1 SGG ( GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 314, juris Rn. 10; , juris Rn. 9). Es kommt nicht auf die Bewertung durch die klagende Partei, sondern darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (Senatsbeschluss vom - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 12; , NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN).
12bb) Die Klägerin macht, wie sie in der Rechtsbeschwerdebegründung klargestellt hat, keine gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X vermeintlich auf sie übergegangenen privatrechtlichen Ansprüche ihres Versicherten gegen die Beklagten geltend. Vielmehr leitet sie die hier fraglichen Ansprüche aus dem zwischen ihr als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Beklagten als Durchgangsarzt bestehenden, durch den gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VII geschlossenen Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger geregelten Rechtsverhältnis her. Dieses Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 153/93, BGHZ 126, 297, 299, juris Rn. 9; BSGE 97, 47 Rn. 22; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 51 Rn. 8; Gutzeit in BeckOGK-SGG, Stand: , § 51 Rn. 57; Wolff-Dellen in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 51 Rn. 72). Dementsprechend handelt es sich bei dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X (sog. Normsetzungsvertrag, BSGE 97, 47 Rn. 25; OLG Dresden, Beschluss vom - 4 W 497/19, juris Rn. 9; Feddern in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: , § 34 SGB VII Rn. 23; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 34 Rn. 11; allgemein zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen etwa , NVwZ 2021, 660 Rn. 41 mwN).
13cc) Es handelt sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. Wagner, NZS 2020, 410, 415; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 51 Rn. 28a; Groß in Berchtold, SGG, 6. Aufl., § 51 Rn. 9 a.E.). Das Durchgangsarztverfahren gehört gemäß § 34 SGB VII zu den Maßnahmen, mit denen die Unfallversicherungsträger die ihnen übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung erfüllen (vgl. BSGE 37, 267, 268, juris Rn. 17). Streitigkeiten im Verhältnis des Unfallversicherungsträgers zum Durchgangsarzt fallen daher grundsätzlich unter die umfassende (Wenner in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Sozialrecht, 7. Aufl., § 51 SGG Rn. 9) Zuständigkeitsregel des § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG (Gutzeit in BeckOGK-SGG, Stand: , § 51 Rn. 57 mwN).
14b) Die ordentlichen Gerichte sind jedoch kraft der Sonderzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG aufgrund des von der Klägerin geltend gemachten Amtshaftungsrückgriffs für die Entscheidung über das Klagebegehren nicht nur hinsichtlich der von der Klägerin verlangten Erstattung der Abfindungszahlung an den Versicherten zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, sondern auch bezüglich der im Regresswege verlangten bereits angefallenen Mehrbehandlungskosten zuständig.
15aa) Gemäß Art. 34 Satz 3 GG darf der ordentliche Rechtsweg für den Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung und für den Rückgriff nicht ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff im Sinne von Art. 34 Satz 3 GG ist dabei nur dann anzunehmen, wenn der klagende öffentlich-rechtliche Dienstherr die von ihm geltend gemachten Regressansprüche darauf stützt, dass er aufgrund eines aus § 839 BGB hergeleiteten Schadensersatzanspruchs Leistungen an einen Dritten erbracht und dadurch einen - mittelbaren - Schaden (Haftungsschaden) erlitten hat (vgl. BVerwG, NJW 1963, 69, 70; Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 97. EL, Art. 34 Rn. 301; Burth in BeckOK BeamtenR Bund, Stand: , § 75 BBG Rn. 26; Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, Werkstand: Juli 2022, § 75 Rn. 123 f.). Nicht erfasst werden Ansprüche des Dienstherrn gegen den Amtsträger wegen anderer Schäden, mögen diese auch auf eine Amtspflichtverletzung zurückzuführen sein.
16bb) Im Streitfall macht die Klägerin nicht nur hinsichtlich der an ihren Versicherten geleisteten Abfindungszahlung zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten, sondern auch bezüglich der im Regresswege von den Beklagten verlangten Heilbehandlungskosten einen aus einem Amtshaftungsanspruch ihres Versicherten hergeleiteten Haftungsschaden geltend. Dies ergibt sich aus ihrem Vorbringen, sowohl die geltend gemachten Behandlungsmehrkosten als auch die Schmerzensgeldzahlung an den Versicherten und die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten würden aus dessen Schadensersatzansprüchen im Sinne der §§ 249 ff. BGB resultieren. Entgegen der Ansicht des Landgerichts handele es sich bei der Übernahme der Behandlungsmehrkosten nicht um Leistungen aufgrund des Vertrages nach § 34 SGB VII, sondern ebenfalls um einen Teil des Schadens des Geschädigten und der ihm zustehenden originären Schadensersatzansprüche.
17Ob die Klage insoweit tatsächlich unter dem Gesichtspunkt des Amtshaftungsrückgriffs begründet ist, ist für die Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten nach Art. 34 Satz 3 GG nicht entscheidend. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs hängt grundsätzlich nicht vom Ergebnis einer materiell-rechtlichen Prüfung der Begründetheit des Klagebegehrens ab (vgl. , NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 18; B 1 SF 1/20R, juris Rn. 10 mwN; , NVwZ 2015, 991 Rn. 19). Der vom Kläger beschrittene Rechtsweg ist schon dann zulässig, wenn sich nicht offensichtlich, d.h. nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise, ausschließen lässt, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, für die dieser Rechtsweg eröffnet ist (vgl. , NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 18; vom - III ZR 9/92, BGHZ 121, 367, 375, juris Rn. 34; Beschluss vom - III ZB 49/94, BGHZ 128, 204, 209, juris Rn. 12 mwN; B 1 SF 1/20R, juris Rn. 10 mwN; , NVwZ 2015, 991 Rn. 11 und 18; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 13 GVG Rn. 54).
18Das ist hinsichtlich der von der Klägerin bereits erbrachten und als Haftungsschaden geltend gemachten Mehrbehandlungskosten der Fall. Nach der Senatsrechtsprechung handelt der Durchgangsarzt unter anderem bei der durchgangsärztlichen Eingangsuntersuchung und der Erstversorgung in Ausübung eines öffentlichen Amtes mit der Folge, dass die Unfallversicherungsträger für etwaige Fehler in diesem Bereich grundsätzlich gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG haften (vgl. Senat, Urteile vom - VI ZR 208/15, BGHZ 213, 120 Rn. 7 ff.; vom - VI ZR 395/15, VersR 2017, 495 Rn. 11 f.). Erfüllt der Versicherungsträger auf Behandlungsfehlern der Durchgangsärzte beruhende Amtshaftungsansprüche des Versicherten, kommt daher ein Rückgriff im Sinne des Art. 34 Satz 3 GG in Betracht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist es hinsichtlich der geltend gemachten - nach dem Vortrag der Klägerin durch Behandlungsfehler der beklagten Durchgangsärzte verursachten - Heilbehandlungsmehrkosten nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass mit der Übernahme dieser Kosten seitens der Klägerin Amtshaftungsansprüche des Versicherten erfüllt wurden (vgl. zur Erbringung von Heil- und Unfallfürsorgeleistungen , NVwZ 1990, 1103, 1104, juris Rn. 14; vom - III ZR 58/62, NJW 1963, 2168, 2169 f.), auch wenn - wie das Berufungsgericht annimmt - diese Kosten beim Versicherten selbst zu keinem Zeitpunkt angefallen sind. Denn der durch den - unterstellten - Behandlungsfehler verursachte haftungsrelevante primäre Schaden des Versicherten besteht nicht in einem Vermögens-, sondern in einem Gesundheitsschaden. Der an seiner Gesundheit Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 BGB Naturalrestitution durch Übernahme der für die Heilbehandlung erforderlichen Kosten grundsätzlich unabhängig davon verlangen, ob er selbst mit einer entsprechenden Verbindlichkeit belastet wurde.
19c) Hinsichtlich des Feststellungsantrages ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte dagegen nicht aus Art. 34 Satz 3 GG. Insoweit macht die Klägerin keinen - künftigen - Haftungsschaden wegen der Erfüllung möglicher Amtshaftungsansprüche des Versicherten geltend. Denn nach ihrem eigenen Vortrag hat sie mit dem Versicherten einen umfassenden Abfindungsvergleich hinsichtlich aller Schadensersatzansprüche aufgrund der durchgangsärztlichen Behandlung abgeschlossen, so dass weitere Schadensersatzleistungen ausgeschlossen sind. Die von der Klägerin befürchteten weiteren Heilbehandlungskosten wären danach allein aufgrund ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen gemäß §§ 26 ff. SGB VII zu erbringen. Inwieweit die Klägerin insoweit bei den Beklagten Rückgriff nehmen kann, ist - wie oben ausgeführt - von den Sozialgerichten zu entscheiden.
20d) Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ist weder die - im Rahmen der Zulässigkeit der Verweisung zu überprüfende (vgl. , NJW-RR 2015, 957 Rn. 15) - Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO fehlerhaft noch verstößt die Teilverweisung des Rechtsstreits gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG.
21aa) Eine Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO setzt eine Mehrheit von Streitgegenständen ("Ansprüchen") voraus (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 145 Rn. 2; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 145 ZPO Rn. 2). Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (Senatsurteil vom - VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 17; , ZIP 2021, 1806 Rn. 11; vom - I ZR 234/19, GRUR 2021, 497 Rn. 38; jeweils mwN). Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich gegenüber der auf Zahlung gerichteten Klage um ein eigenständiges Rechtsschutzbegehren und schon deshalb um einen unterschiedlichen Streitgegenstand.
22bb) Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommen Gesichtspunkten. Ihm fällt damit eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz zu. Diese setzt allerdings voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist. Liegt hingegen eine Mehrheit prozessualer Ansprüche vor, ist für jeden dieser Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit gesondert zu prüfen (, BGHZ 225, 59 Rn. 23; Beschluss vom - III ZB 59/13, BGHZ 199, 159 Rn. 13 f. mwN; Urteil vom - III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 2, juris Rn. 6). Ist der beschrittene Rechtsweg - wie im Streitfall hinsichtlich des Feststellungsantrags - für einen Teil der prozessualen Ansprüche nicht eröffnet, hat eine Prozesstrennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO mit anschließender Teilverweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu erfolgen (vgl. , BGHZ 183, 35 Rn. 17; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 17 GVG Rn. 6; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 17 GVG Rn. 39; Jacobs in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 17 GVG Rn. 16).
23cc) Dass die Prozesstrennung und Teilverweisung zu einer Rechtswegspaltung führt und die Gefahr begründet, dass die ärztliche Behandlung des Versicherten durch die Beklagten von den zuständigen Gerichten unterschiedlich beurteilt wird, ist als Konsequenz der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung hinzunehmen. Die Möglichkeit, dass ein und derselbe Sachverhalt auseinandergerissen und in den sich aus ihm ergebenden Ansprüchen auf verschiedene Rechtswege verteilt wird, ist durch Art. 34 Satz 3 GG verfassungsrechtlich vorgegeben (vgl. BVerwGE 37, 231, 237, juris Rn. 22; Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 97. EL, Art. 34 Rn. 307 ff.).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:090123BVIZB81.20.0
Fundstelle(n):
WM 2023 S. 596 Nr. 12
QAAAJ-35782