BFH Beschluss v. - IX B 42/22 (AdV)

Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität der Virtuellen Automatensteuer

Leitsatz

NV: Die §§ 36ff. RennwLottG zur Besteuerung der virtuellen Automatenspiele verstoßen bei summarischer Prüfung weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht.

Gesetze: RennwLottG § 36; RennwLottG § 37; RennwLottG § 38; RennwLottG § 40; GG Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1; EURL 2015/1535 Art. 1 Abs. 1 Buchst. e und f; EURL 2015/1535 Art. 5; AEUV Art. 56, 107, 108 Abs. 3 Satz 3; FGO § 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1; FGO § 128 Abs. 3; GlüStV 2021 GlüStV 2021 § 1; GlüStV 2021 § 3 Abs. 3 Satz 1; GlüStV 2021 § 4a; GlüStV 2021 § 4b; GlüStV 2021 § 4c; GlüStV 2021 § 2 Abs. 6 bis 8; GlüStV 2021 § 3 Abs. 3 Satz 1; GlüStV 2021 § 10 Abs. 3; GlüStV 2021 § 22a Abs. 6 und 7; SpielV § 13 Nr. 2; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung von Virtueller Automatensteuer nach den §§ 36 ff. des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG).

2 Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der . (X-Gesellschaft). Die X-Gesellschaft bot im Streitzeitraum Oktober 2021 auf verschiedenen Internetplattformen Glücksspiele mit Gewinnmöglichkeit in Form von virtuellen Automatenspielen an. Am meldete die X-Gesellschaft für den Anmeldungszeitraum Oktober 2021 Virtuelle Automatensteuer in Höhe von . € an. Der Betrag entsprach 5,3 % der im Anmeldungszeitraum von der X-Gesellschaft vereinnahmten Spieleinsätze. Zugleich legte sie gegen die Steueranmeldung Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von . €. Der Betrag entsprach dem Unterschiedsbetrag zwischen der angemeldeten Virtuellen Automatensteuer und dem Betrag in Höhe von . €, der sich ergibt, wenn der Virtuellen Automatensteuer anstelle der Spieleinsätze der Bruttospielertrag zugrunde gelegt wird.

3 Am lehnte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

4 Der am beim Sächsischen Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Beschluss vom  - 8 V 92/22 (Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht —ZfWG— 2022, 307) abgelehnt. Die Beschwerde wurde zugelassen.

5 Mit ihrer beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegten Beschwerde trägt die X-Gesellschaft vor: Es liege ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor. Die Bemessung der Virtuellen Automatensteuer nach den Spieleinsätzen sei nicht geeignet, die besondere Leistungsfähigkeit der Spieler zu erfassen. Dies sei aber die vom Gesetzgeber erklärte Absicht gewesen. Der Spieler wähle das virtuelle Automatenspiel nach der Ausschüttungsquote aus. Gehe der Spieler von einer Ausschüttungsquote von 96,15 % aus, bestehe eine Verlusterwartung von 3,85 %. Nur dieser Betrag stelle aus Sicht des Spielers das Entgelt für die Spielteilnahme dar. Die Besteuerung nach den Spieleinsätzen lasse die Ausschüttungsquote und die Verlusterwartung des Spielers außer Betracht. Stattdessen werde mit der Erfassung der Spieleinsätze eine steuerliche Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt, die nur kurzfristig bestehe und die dem Spieler außerhalb des Spiels nicht zur Verfügung stehe. Für die Virtuelle Automatensteuer komme es darauf an, dass der Spieler einen Gewinn vereinnahme und bereit sei, diesen wieder für ein Spiel im Sinne einer privaten Vermögensverwendung auszugeben.

6 Der allgemeine Gleichheitssatz werde verletzt. Anders als das virtuelle Automatenspiel unterliege das terrestrische Automatenspiel nicht der Besteuerung nach dem RennwLottG. Dies habe das (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 362) bestätigt. Zudem unterlägen beim terrestrischen Automatenspiel nur die Bruttospielerträge der Umsatzsteuer. Die unterschiedliche Bemessungsgrundlage werde nicht durch die verschiedenen Steuersätze ausgeglichen.

7 Die Besteuerung sei nicht geeignet, das vom Gesetzgeber mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 vom (GlüStV 2021) und dem RennwLottG verfolgte Lenkungsziel zu erreichen. Insoweit sei im Aussetzungsverfahren die Berücksichtigung der durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen und der bei ausländischen Glücksspielsteuern gemachten Erfahrungen geboten. Diese hätten die Bruttoertragsbesteuerung als sachgerechtere Alternative aufgezeigt. Das virtuelle Automatenspiel werde einer strengen Regulierung unterworfen. Die Virtuelle Automatensteuer mache das legale Angebot gegenüber den illegalen Anbietern unattraktiver. Folge der Spieleinsatzbesteuerung sei, dass sich die Spieler illegalen Anbietern zuwenden. Die Besteuerungsregelung widerspreche damit dem bundes- und rechtsstaatlichen Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.

8 Die Berufsfreiheit des Art. 12 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt. Die Regelungen der §§ 36 ff. RennwLottG hätten eine objektiv berufsregelnde Tendenz und enthielten eine erdrosselnde Besteuerung. Da ihre durchschnittliche Auszahlungsquote 96 % betrage, könne sie die Virtuelle Automatensteuer in Höhe von 5,3 % nicht abführen. Schlage sie die Virtuelle Automatensteuer auf die Spieleinsätze auf, könne sie nicht mehr mit terrestrischem Automatenspiel und illegalen Anbietern konkurrieren.

9 Schließlich bestünden erhebliche europarechtliche Bedenken gegen die Virtuelle Automatensteuer. Es werde gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2015, Nr. L 241/1) —EURL 2015/1535— verstoßen. Es handele sich bei den Regelungen zur Besteuerung der virtuellen Automatenspiele um eine spezielle Besteuerung ausschließlich für den Online-Bereich. Damit liege eine notifizierungspflichtige „Vorschrift betreffend Dienste“ vor. Die ungleiche Behandlung von virtuellem und terrestrischen Automatenspiel stelle zudem eine staatliche Beihilfe i.S. des Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar. Virtuelle Automatenspiele seien steuerlich doppelt so hoch belastet wie terrestrische Automatenspiele. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ansässigen Online-Anbieter vor. Durch die fehlgeleitete Lenkung in Richtung terrestrischer Automatenspiele drohe eine Verdrängung der in anderen EU-Ländern ansässigen Online-Anbieter.

10 Das FG hat der Beschwerde mit Beschluss vom nicht abgeholfen.

11 Die X-Gesellschaft hat am den streitigen Steuerbetrag in Höhe von . € entrichtet. Über das Vermögen der X-Gesellschaft ist am xx.xx.2022 das Insolvenzverfahren eröffnet und zunächst Eigenverwaltung angeordnet worden. Die Eigenverwaltung ist mit Beschluss vom xx.xx.2022 aufgehoben worden. Der Antragsteller ist zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Antragsteller hat am erklärt, das Beschwerdeverfahren aufzunehmen. Die Erklärung des Antragstellers ist dem FA am zugestellt worden.

12 Der Antragsteller betragt sinngemäß,

den aufzuheben und die Vollziehung der Anmeldung von Virtueller Automatensteuer für Oktober 2021 vom in Höhe von . € aufzuheben.

13 Das FA hat keinen Antrag gestellt und auf eine Stellungnahme verzichtet.

Gründe

II.

14 Die wirksam aufgenommene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

15 1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig.

16 a) Das FG hat die Beschwerde zum BFH zugelassen und der eingelegten Beschwerde mit Beschluss vom nicht abgeholfen. Die Beschwerde wurde auch fristgemäß innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingelegt.

17 b) Der Antragsteller kann die zunächst von der X-Gesellschaft erhobene Beschwerde nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortführen.

18 aa) Grundsätzlich führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung nicht zur Unterbrechung, da die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide während des Insolvenzverfahrens ohnehin unzulässig ist und somit das Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines Aussetzungsverfahrens fehlt (vgl. BFH-Beschlüsse vom – V B 14/16, BFH/NV 2017, 611, Rz 11 und vom – I B 43/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1524, Rz 9; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 74 Rz 77).

19 Etwas anderes gilt aber dann, wenn die durch den angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer —wie im Streitfall die Anmeldung für Oktober 2021 vom über . €— schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig getilgt wurde und es somit um eine Aufhebung der Vollziehung mit der Folge entsprechender Erstattungsansprüche geht. Unter diesen Voraussetzungen betrifft das Verfahren über die Aufhebung der Vollziehung —wie von § 240 Satz 1 ZPO vorausgesetzt— die Insolvenzmasse (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 der ZivilprozessordnungZPO—). Denn ein Obsiegen des Antragstellers würde zu einer Erhöhung der Insolvenzmasse führen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2021, 1524, Rz 10; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 74 Rz 77; a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO, Rz 24 Stichwort „Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens“).

20 Mit der am xx.xx.2022 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens war das Verfahren über die Aufhebung der Vollziehung daher gemäß § 240 Satz 1 ZPO zunächst unterbrochen.

21 bb) Der Antragsteller hat das Verfahren wirksam nach § 155 FGO i.V.m. § 250 ZPO und § 85 Abs. 1 der Insolvenzordnung wieder aufgenommen. Da es sich um einen Aktivprozess handelte, war der Antragsteller zur Aufnahme berechtigt (Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 74 Rz 79). Die Aufnahme erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Gericht, die von Amts wegen zuzustellen ist (§ 155 FGO i.V.m. § 250, § 270 und § 166 Abs. 2 ZPO; vgl. dazu auch Webel in Graf-Schlicker, InsO, § 85 Rz 3; Kayser in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 10. Aufl. 2020, § 85 Rz 54; BeckOK InsO/Fridgen/Geiwitz/Göpfert [Ed. ] InsO § 85 Rz 36). Diese Erklärung hat der Antragsteller am abgegeben und diese ist dem FA am zugestellt worden.

22 c) Die Zulässigkeit des Aussetzungsantrags scheitert nicht an einem fehlenden (besonderen) Aufhebungsinteresse.

23 Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. u.a. Beschlüsse vom  - VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418, Rz 9 ff.; vom  - II B 71/13, BFH/NV 2015, 7, Rz 11; vom  - IX B 21/18, BFHE 260, 431, BStBl II 2018, 415, Rz 35 ff., und vom  - II B 3/22 (AdV), juris, Rz 9) ist bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung erforderlich. Danach ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Steuerbescheid tragenden Gesetzesvorschrift begründet wird, abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt, ohne dass es einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bedarf (vgl. zustimmend Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom  - 1 BvR 146/88, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1989, 335, unter 3.a, und vom  - 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1992, 726).

24 Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist und ob diese Grundsätze auch auf den Fall der Aufhebung der Vollziehung eines bereits vollzogenen Steuerbescheids anzuwenden sind, kann offenbleiben. Denn jedenfalls dann, wenn es um die Vereinbarkeit einzelner Steuerrechtsnormen mit Unionsrecht geht, ist nach der Rechtsprechung des BFH kein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550, Rz 15, und vom  - V B 4/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1030, Rz 25). Dies gilt in gleicher Weise für den Fall der Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO, die insoweit den gleichen Grundsätzen folgt (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 69 Rz 177; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz 178; , BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389, unter II.2.). Da es im Streitfall um die Vereinbarkeit der Regelungen zur Virtuellen Automatensteuer mit Unions- und Verfassungsrecht geht, kommt es somit auf das Vorliegen eines besonderen Aufhebungsinteresses mithin nicht an.

25 2. Die Beschwerde des Antragstellers, der das Begehren der X-Gesellschaft fortführt, ist unbegründet.

26 a) Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

27 Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom  - V B 63/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1212, Rz 24, und in BFH/NV 2022, 1030, Rz 28). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 1030, Rz 28). Zur Gewährung der Aufhebung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen. Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse in BFHE 260, 431, BStBl II 2018, 415, Rz 13, und vom  - VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, Rz 12) oder sich aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben (vgl. zuletzt BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 1030, Rz 28).

28 b) Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Beschwerde des Antragstellers nicht begründet. Ernstliche Zweifel an der Verpflichtung zur Entrichtung der Virtuellen Automatensteuer für Oktober 2021 in Höhe von . € liegen nicht vor.

29 aa) Die X-Gesellschaft schuldet als Veranstalterin von virtuellem Automatenspiel nach § 36 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 RennwLottG die im Anmeldungszeitraum Oktober 2021 entstandene Virtuelle Automatensteuer. Einwände gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage (§ 37 RennwLottG) sowie der entstandenen Steuer (§§ 38, 40 RennwLottG) werden im Aussetzungsverfahren nicht vorgebracht.

30 bb) Es liegt bei summarischer Prüfung kein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor.

31 (1) Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerfG-Beschlüsse vom  - 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, BVerfGE 152, 274, Rz 99, und vom  - 2 BvL 1/13, HFR 2022, 269, Rz 55 f., sowie u.a. , BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rz 35).

32 Für eine am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausgerichtete Ausgestaltung indirekter Steuern genügt insoweit die Möglichkeit, dass sie kalkulatorisch abgewälzt werden, der Steuerschuldner mithin den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen —Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten— treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner hingegen nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (ständige Rechtsprechung, vgl. , 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2287/15, 1 BvR 354/16, HFR 2022, 676, Rz 126, m.w.N.).

33 (2) Anhaltspunkte, wonach die in § 37 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG geregelte Spieleinsatzbesteuerung gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstößt, sind bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Die X-Gesellschaft ist als Veranstalterin Schuldnerin der Virtuellen Automatensteuer. Sie ermöglicht mit ihrem Angebot den Spielern die Teilnahme am virtuellen Automatenspiel. Die Virtuelle Automatensteuer ist auf Überwälzung auf den Spieler angelegt, der den Einsatz tätigt (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 59). Die X-Gesellschaft kann die Steuer von den Spielern vereinnahmen. Sie schöpft damit die im Spielverhalten zum Ausdruck kommende besondere finanzielle Leistungsfähigkeit des Spielers ab (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 59). Da sie das virtuelle Automatenspiel über ihr Angebot ermöglicht und die Spieleinsätze vor Auskehrung der Ausschüttungsquote vereinnahmt, ist die Abführung der Virtuellen Automatensteuer nachvollziehbar und nicht willkürlich.

34 Nach den Feststellungen des FG konnte die X-Gesellschaft die Steuerbelastung an die Spieler weitergeben, ohne dass sich für sie wirtschaftliche Nachteile ergaben. Ob und in welchem Umfang die X-Gesellschaft die Steuer selbst trägt oder auf die Spieler abwälzt, unterfällt in diesem Zusammenhang ihrer unternehmerischen Disposition. Es verstieße auch nicht gegen die von Art. 3 Abs. 1 GG geforderte gerechte Lastenverteilung, wenn sie auf die Möglichkeit zur Abwälzung verzichtet (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2022, 676, Rz 130).

35 Soweit die X-Gesellschaft sich darauf beruft, dass bei einer Ausschüttungsquote von 96 % der X-Gesellschaft kein wirtschaftliches Substrat für die Begleichung der Virtuellen Automatensteuer verbleibt, ist zu berücksichtigen, dass die Ausschüttungsquoten nicht festgelegt sind, sondern ihrer unternehmerischen Freiheit unterliegen. Ein Spielangebot an einen Spieler ohne Vereinnahmung des Einsatzes, was eine Abwälzung ausschließen würde, erfolgt nicht. Die X-Gesellschaft behauptet zwar, bei der aktuellen Steuerbelastung und der daraus folgenden niedrigeren Ausschüttungsquote aus dem Markt gedrängt zu werden. Umstände, wonach dies der Fall sein soll, wurden von der X-Gesellschaft bezogen auf ihren Fall weder im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft gemacht noch vom FG festgestellt. Der Hinweis auf nicht auf den zu entscheidenden Einzelfall bezogene wissenschaftliche Untersuchungen, wonach mit einer Verdrängung zu rechnen sei, reicht insoweit nicht aus.

36 Es sind von der X-Gesellschaft im erstinstanzlichen Verfahren keine Anhaltspunkte vorgetragen oder vom FG festgestellt worden, die den Schluss darauf zulassen, dass die nunmehr eingetretene Insolvenz der X-Gesellschaft ausschließlich durch die Belastung mit Virtueller Automatensteuer verursacht worden ist. Ausführungen, wonach sich der Insolvenzgrund aus den vom FG festgestellten Tatsachen herleiten lässt, werden vom Antragsteller nicht vorgebracht.

37 cc) Es lässt sich bei summarischer Prüfung in der unterschiedlichen Behandlung von terrestrischem und von virtuellem Automatenspiel eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht erkennen.

38 (1) Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Willkür des Gesetzgebers liegt zwar nicht schon dann vor, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat. Es genügt aber Willkür im objektiven Sinn, das heißt die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 152, 274, Rz 97, m.w.N., und BFH-Beschluss in BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rz 36).

39 (2) Es fehlt bereits an Ausführungen, ob und in welchem Umfang im Fall der X-Gesellschaft eine unterschiedliche steuerliche Belastung von terrestrischem und von virtuellem Automatenspiel vorliegt. Das terrestrische Automatenspiel wird mit 19 % Umsatzsteuer auf den Bruttospielertrag sowie mit kommunaler Vergnügungssteuer belastet. Die kommunale Vergnügungssteuer ist von der jeweiligen kommunalen Satzung abhängig. Die Virtuelle Automatensteuer legt einen Steuersatz von 5,3 % auf die Spieleinsätze abzüglich der Virtuellen Automatensteuer zugrunde. Das virtuelle und das terrestrische Automatenspiel unterfallen damit unterschiedlichen Besteuerungssystemen. Vom Antragsteller wird weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, ob bezogen auf den Fall der X-Gesellschaft die Gesamtbelastung aus Umsatzsteuer und kommunaler Vergnügungssteuer über oder unter dem Steuersatz des § 37 RennwLottG liegt oder ob sich beide in ihrem Belastungsgrad decken (vgl. zu dieser Frage auch Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Wortprotokoll vom der 144. Sitzung, Protokoll-Nr. 19/144, S. 16). Lediglich allgemeine Berechnungen zur Steuerbelastung ohne Bezug auf den konkreten Streitfall stellen keine Darlegung einer Ungleichbehandlung im zu entscheidenden Fall dar.

40 Durch die im GlüStV 2021 festgelegten ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen unterscheidet sich das virtuelle Automatenspiel von Angeboten im terrestrischen Bereich, z.B. in Gaststätten, Spielhallen und Spielbanken, u.a. hinsichtlich der Spieleinsätze, der Ausschüttungsquoten oder der gewerberechtlichen Bestimmungen. Es handelt sich nicht um gleichartige Dienstleistungen (vgl.  (AdV), BFH/NV 2022, 1417, Rz 18 ff.). Beim Online-Automatenspiel gelten andere Maximaleinsätze (vgl. § 13 Nr. 2 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit; § 22a Abs. 6 und 7 GlüStV 2021). Abweichend vom terrestrischen Automatenspiel ist eine feste Ausschüttungsquote nicht vorgeschrieben. Diese wird vom Veranstalter mit Hinblick auf eine bestmögliche Situation im Glücksspielmarkt festgelegt und ist Grundlage seiner unternehmerischen Kalkulation. Zudem erfolgt beim virtuellen Automatenspiel im Gewinnfall eine Gutschrift auf dem Gewinnkonto des Spielers, wohingegen beim terrestrischen Automatenspiel der Spieler seinen Gewinn in Gestalt von ausgezahltem Bargeld unmittelbar an sich nehmen kann. Darüber hinaus unterscheiden sich die Online-Angebote von terrestrischen Angeboten ihrer Natur nach grundlegend, trotz u.a. einer oberflächlichen Ähnlichkeit in der Optik. Online-Angebote sind günstiger zu betreiben und ermöglichen wirtschaftlich effizientere Kalkulationen, u.a. weil das Vorhalten von Geräten, Personal und Räumlichkeiten entfällt (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42; Brüggemann, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2022, 169, 170 f.; für Online-Sportwetten u.a. , BFHE 274, 259, BStBl II 2022, 139, Rz 34 f.). Weiterhin bietet die ständige und ortsungebundene Verfügbarkeit von Online-Angeboten, insbesondere durch mobile Endgeräte, für die Spieler ein permanent verfügbares Erlebnis, dem sich terrestrische Angebote durch ihre Ortsgebundenheit entziehen. Hieraus ergibt sich ein potenziell erheblich größerer Kundenkreis (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42; Brüggemann, UR 2022, 169, 171). Auch das Erkennen und Bekämpfen von Spielsucht erfordert im Online-Bereich andere Maßnahmen als im terrestrischen Geschäft. Da beiden Glücksspielarten unterschiedliche Ausschüttungsquoten, eine verschiedene technische Infrastruktur mitsamt abweichenden Nutzerkreisen und damit unterschiedliche Kalkulationen zugrunde liegen, liegt ein Grund für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung auf der Hand.

41 dd) Anhaltspunkte, dass mit der steuerlichen Erfassung von virtuellem Automatenspiel das gesetzgeberische Lenkungsziel verfehlt wird und der Gesetzgeber widersprüchliche Ziele verfolgt, sind nach summarischer Prüfung nicht erkennbar. Die Regelungen zur Virtuellen Automatensteuer stehen nicht in Widerspruch zu den Regelungen und Zielen des GlüStV 2021 und damit zum gesetzgeberischen Ziel der Eindämmung der Spielsucht (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021). Die Regelungen der §§ 36 ff. RennwLottG sollen nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers eine Überführung des bisherigen illegalen Spielangebots in die Legalität und damit unter die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen des GlüStV 2021 fördern. Sie sollen dazu beitragen, die Spielsucht und weitere negative Folgeerscheinungen des Spielbetriebs zu bekämpfen (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42 und 59; § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 GlüStV 2021).

42 ee) Die behauptete Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich.

43 (1) Das Anbieten von virtuellem Automatenspiel als wirtschaftliche Tätigkeit steht unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die steuerliche Belastung durch § 36 RennwLottG stellt als Regelung der Berufsausübung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.

44 (2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist nach summarischer Prüfung jedoch gerechtfertigt. § 36 RennwLottG stellt eine gesetzliche Grundlage i.S. des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die sich auf hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls stützen kann (a) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn entspricht (b).

45 (a) Für die Festsetzung und Abführung der Virtuellen Automatensteuer liegen hinreichende Gründe des Gemeinwohls vor, die die in den §§ 36 und 37 RennwLottG geregelte Steuerbelastung tragen.

46 Soweit der Gesetzgeber mit der Virtuellen Automatensteuer das Ziel verfolgt, die Spielsucht zu bekämpfen und der Entwicklung und Verbreitung von unerlaubtem Glücksspiel in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42, 59), ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und weiterer negativer Begleiterscheinungen des Spiel- und Wettbetriebs stellt ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit einschränkende Regelungen dar (vgl. , BVerfGE 115, 276, beginnend ab C.I.3.c; , BVerfGE 145, 20, Rz 122, sowie BFH-Urteil in BFHE 274, 259, BStBl II 2022, 139, Rz 44). Bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 20, Rz 158).

47 (b) Die Besteuerung der virtuellen Automatenspiele entspricht bei summarischer Prüfung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

48 Die Virtuelle Automatensteuer ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht jedenfalls fördert. Denn die Abgabe wirkt indirekt dämpfend auf die Höhe der möglichen Spielgewinne und führt damit auch zu einer Verringerung der Anreizwirkung und zu einer Reduzierung des Angebots. Bei ihrem Wegfall wäre es einem Anbieter möglich, höhere Gewinnquoten und damit auch eine längere Spielmöglichkeit anzubieten und damit die Spielleidenschaft zu fördern. Das Anbieten konzessionierter Online-Automatenspiele soll aber lediglich als Ventil des natürlichen Spieltriebs dienen und eine legale und seriöse Möglichkeit bieten, das Bedürfnis nach virtuellem Automatenspiel zu befriedigen. Auch wenn die Lenkungswirkung nicht ausreicht, die Durchführung von virtuellen Automatenspielen vollständig zu unterbinden, rechtfertigt sich die Virtuelle Automatensteuer aus der Absicht, Online-Automatenspiel auf legale und staatlicherseits überwachte Weise zu betreiben und daraus Einkünfte zu erzielen. Denn der von einer Abgabe verfolgte Lenkungszweck muss nicht ihr Hauptzweck sein, der bei einer Steuer immer darin besteht, staatliche Einnahmen zu schaffen (vgl. , BFHE 261, 62, Rz 29 f., sowie in BFHE 274, 259, BStBl II 2022, 139, Rz 51).

49 Die Regelungen in den §§ 36 und 37 RennwLottG sind auch erforderlich. Ein milderes, gleich effektives Mittel zur Erhebung der Virtuellen Automatensteuer ist nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint ein Anknüpfen an den Bruttospielertrag nicht als sinnvoll. In diesem Fall werden Anbieter mit hohen Quoten und damit einem geringen Bruttorohertrag begünstigt. Dies würde dem Ziel der Virtuellen Automatensteuer, das Spielangebot zu verteuern und damit den Anreiz zum Spielen zu verringern, entgegenlaufen. Zudem bestünde ein erheblicher Anreiz, den Bruttospielertrag zu minimieren und die Erträge nicht im Rahmen des Spieleinsatzes, sondern z.B. in Form von Abonnementmodellen, Anmeldegebühren für Homepages oder ähnlichen Lizenz- oder Gebühreneinnahmen zu erwirtschaften. Der geleistete Spieleinsatz i.S. des § 37 RennwLottG hingegen ist eine objektive, anhand der Aufzeichnungen des Anbieters leicht zu ermittelnde Bemessungsgrundlage.

50 Die Steuerbelastung nach § 38 RennwLottG ist mit 5,3 % bei summarischer Prüfung angemessen und mithin verhältnismäßig im engeren Sinn. Anhaltspunkte, dass die Höhe der Steuer für die legalen Anbieter von virtuellem Automatenspiel nicht zumutbar ist und sie übermäßig belastet, sind weder vom FG festgestellt noch von der X-Gesellschaft im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass Gewinne aus virtuellem Automatenspiel weitestgehend risikolos erzielt werden können, rechtfertigt die teilweise Abschöpfung durch staatliche Abgaben, zumal virtuelles Automatenspiel von der Umsatzsteuer befreit ist (§ 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes, vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 274, 259, BStBl II 2022, 139, Rz 54).

51 ff) Nach der im Verfahren zur Aufhebung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung wird nicht gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der EURL 2015/1535 verstoßen und die Regelungen der §§ 36 ff. RennwLottG sind weiterhin uneingeschränkt anzuwenden.

52 (1) Gemäß der EURL 2015/1535 sind technische Vorschriften bei der Europäischen Kommission (Kommission) zu notifizieren. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EURL 2015/1535 übermitteln vorbehaltlich des Art. 7 die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Rechtsakte unterfallen nur der Notifizierungspflicht, wenn der in Art. 1 Abs. 1 EURL 2015/1535 definierte Regelungsbereich betroffen ist.

53 (2) Steuerliche Regelungen fallen nicht unter den Begriff der „technischen Vorschrift“ i.S. des Art. 1 Abs. 1 Buchst. f EURL 2015/1535 (vgl. auch Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Berlington Hungary vom  - C-98/14, EU:C:2015:386, Rz 100, und Admiral Sportwetten u.a. vom  - C-711/19, EU:C:2020:812, Rz 41; BTDrucks 20/2540, S. 3). Denn die Besteuerung hat keinen Einfluss auf die Möglichkeit des Zugangs zu oder das Anbieten von virtuellen Automatenspielen. Die Besteuerungsregeln wirken sich lediglich indirekt oder im Wege eines Nebeneffekts auf das virtuelle Automatenspiel aus.

54 (3) Es handelt sich den streitigen Regelungen der §§ 36 und 37 RennwLottG entgegen dem Vorbringen der X-Gesellschaft bei summarischer Prüfung auch nicht um „Vorschrift(en) betreffend Dienste“ i.S. von Art. 1 Abs. 1 Buchst. e, Buchst. f EURL 2015/1535. Denn nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. e, Doppelbuchst. ii EURL 2015/1535 ist eine Vorschrift nicht als speziell auf die Dienste der Informationsgesellschaft abzielend zu betrachten, wenn sie sich lediglich im Rahmen eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirkt. Dies ist bei den hier einschlägigen steuerlichen Regelungen der Fall (vgl. auch EuGH-Urteil Berlington Hungary, EU:C:2015:386, Rz 95 ff. zum Begriff der „technischen De-facto-Vorschriften"; vgl. auch , BFHE 274, 246, BFH/NV 2021, 1610, Rz 47 für die Sportwettenbesteuerung). Denn die Virtuelle Automatensteuer wirkt sich entweder mittels eines Aufschlags auf das Entgelt verteuernd oder mittels einer Minderung der Ausschüttungs- und Gewinnquoten auf die Erbringung des Glücksspiels aus.

55 gg) Anhaltspunkte dafür, dass in der ungleichen Behandlung von virtuellem und terrestrischem Automatenspiel eine staatliche Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt, die gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstößt, sind nach summarischer Prüfung nicht erkennbar.

56 (1) Art. 107 Abs. 1 AEUV definiert staatliche Beihilfen als staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Übertragung staatlicher Mittel kann etwa in Form von direkten Zuschüssen, Darlehen, Garantien, Beteiligungen am Kapital von Unternehmen sowie Sachleistungen erfolgen, wobei eine positive Mittelübertragung nicht erforderlich ist; ein Einnahmenverzicht des Staats reicht aus. Der Verzicht auf Mittel, die der Staat andernfalls eingenommen hätte, stellt ebenfalls eine Übertragung staatlicher Mittel dar (EuGH-Urteil Frankreich/Ladbroke Racing Ltd und Kommission vom  - C-83/98 P, EU:C:2000:248, Rz 48 f.). Einnahmenverluste, die aus den von einem Mitgliedstaat gewährten Steuer- und Abgabenbefreiungen oder -ermäßigungen oder aus dem Erlass von Geldbußen oder -strafen resultieren, sind als staatliche Mittel i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen (EuGH-Urteil Banco Exterior de España vom  - C-387/92, EU:C:1994:100, Rz 14; Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S. des Art. 107 AEUV, ABlEU 2016, Nr. C 262/01, Rz 51).

57 Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten obliegt die Prüfung, ob eine Steuerbegünstigung als staatliche Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, den nationalen Gerichten (vgl. EuGH-Urteile Lucchini vom  - C-119/05, EU:C:2007:434, Rz 50, und Ministerio de Defensa und Navantia vom  - C-522/13, EU:C:2014:2262, Rz 55; , BFHE 276, 256, Rz 23; , BFHE 265, 23, BFH/NV 2019, 1440, Rz 48).

58 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verlangt die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch die Maßnahme ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss die Maßnahme den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. auch EuGH-Urteile Kommission/World Duty Free Group u.a. vom  - C-20/15 P, C-21/15 P, EU:C:2016:981, Rz 53; World Duty Free Group und Spanien/Kommission vom  - C-51/19 P, C-64-19 P, EU:C:2021:793, Rz 30; A-Brauerei vom  - C-374/17, EU:C:2018:1024, Rz 19; Banco Santander u.a./Kommission vom  - C-53/19 P, C-65/19 P, EU:C:2021:795, Rz 30, und Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission vom  - C-55/19 P, EU:C:2021:797, Rz 23; BFH-Urteil in BFHE 276, 256, Rz 25, und BFH-Beschluss in BFHE 265, 23, BFH/NV 2019, 1440, Rz 50).

59 In Bezug auf das (dritte) Merkmal der Selektivität des Vorteils, das zum Begriff der „staatlichen Beihilfe“ i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV gehört, geht aus ebenso ständiger Rechtsprechung des EuGH hervor, dass die Beurteilung dieses Merkmals die Feststellung verlangt, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. EuGH-Urteile Kommission/World Duty Free Group u.a., EU:C:2016:981, Rz 54; World Duty Free Group und Spanien/Kommission, EU:C:2021:793, Rz 32; Banco Santander u.a./Kommission, EU:C:2021:795, Rz 32, und Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission, EU:C:2021:797, Rz 25; BFH-Urteil in BFHE 276, 256, Rz 27, und BFH-Beschluss in BFHE 265, 23, BFH/NV 2019, 1440, Rz 61).

60 Als staatliche Beihilfe gelten bei Maßnahmen, die einen Steuervorteil verschaffen, solche Maßnahmen, die die von einem Unternehmen regelmäßig zu tragenden Belastungen vermindern und somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinn des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkungen gleichstehen. Dazu ist in einem ersten Schritt der Bezugsrahmen zu ermitteln, das heißt die im Mitgliedstaat geltende normale Steuerregelung, und in einem zweiten Schritt festzustellen, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme insofern von diesem Bezugssystem abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsunternehmen einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Referenzsystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. In einem dritten Schritt ist dann zu prüfen, ob die Abweichung durch die Natur und die Systematik dieser Regelung gerechtfertigt ist. Hingegen umfasst der Begriff der staatlichen Beihilfe staatliche Maßnahmen nicht, die zwar eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, bei denen die Differenzierung jedoch aus der Natur der Sache oder dem inneren Aufbau der Regelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (vgl. u.a. EuGH-Urteile Kommission/World Duty Free Group u.a., EU:C:2016:981, Rz 57; World Duty Free Group und Spanien/Kommission, EU:C:2021:793, Rz 35 f.; Banco Santander u.a./Kommission, EU:C:2021:795, Rz 19, 35; Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission, EU:C:2021:797, Rz 28 f., ferner Bekanntmachung der Kommission in ABlEU 2016, Nr. C 262/01, Rz 128; BFH-Beschluss in BFHE 265, 23, BFH/NV 2019, 1440, Rz 62; vgl. speziell zum RennwLottG Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom  - OVG 6 S 41/21, ZfWG 2022, 189, Rz 7).

61 (2) Danach ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass in der Besteuerung mit Virtueller Automatensteuer eine Beihilfe liegen soll. Virtuelle Automatenspiele werden grundsätzlich in gleicher Weise besteuert wie die anderen im RennwLottG erfassten Glücksspielarten. Es fehlt daher bereits an der Gewährung eines selektiven Vorteils.

62 (a) Maßgeblicher steuerlicher Bezugsrahmen ist die Besteuerungssystematik des RennwLottG. Dort sind neben der Besteuerung virtueller Automatenspiele in den §§ 36 ff. RennwLottG andere Glücksspielarten wie u.a. Sportwetten (§§ 16 ff. RennwLottG) und Online-Poker (§§ 46 ff. RennwLottG) erfasst. Diese werden mit den Spieleinsätzen abzüglich der Steuer als Bemessungsgrundlage sowie mit einem Steuersatz von 5,3 % besteuert. Eine Ausnahme besteht lediglich für öffentliche Lotterien und Ausspielungen (§§ 26 ff. RennwLottG). Diese werden mit dem Teilnahmeentgelt abzüglich der Lotteriesteuer sowie einem Steuersatz von 20 % besteuert (zur Ermittlung des Bezugsrahmens vgl. u.a. EuGH-Urteile World Duty Free Group und Spanien/Kommission, EU:C:2021:793, Rz 60 ff.; Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission, EU:C:2021:797, Rz 45 ff.; Banco Santander u.a./Kommission, EU:C:2021:795, Rz 60 ff.).

63 (b) Es ist innerhalb dieses Bezugsrahmens nicht erkennbar, dass der X-Gesellschaft als Anbieterin virtueller Automatenspiele ein steuerlicher Vorteil verschafft wird, durch den die von ihr zu tragenden Belastungen im Verhältnis zu den anderen im RennwLottG geregelten und mit virtuellen Automatenspielen tatsächlichen und rechtlich vergleichbaren Glücksspielarten vermindert werden. Es handelt sich bei Sportwetten, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker um erlaubnispflichtige Glücksspieltätigkeiten. Die regulierungsrechtlichen Bestimmungen für alle drei Glücksspielarten richten sich gemäß § 2 Abs. 6 bis 8 GlüStV 2021 nach den §§ 1 bis 9a GlüStV 2021 sowie den §§ 21, 21a, 22a, 22b und § 23 GlüStV 2021. Das Erlaubnisverfahren für die drei Glücksspielarten ist vergleichbar ausgestaltet (vgl. §§ 4a bis 4c GlüStV 2021). Mit der Besteuerung wird die X-Gesellschaft als Betreiberin virtueller Automatenspiele unterschiedslos besteuert wie Sportwetten und Online-Poker, die ihr Angebot ebenfalls größtenteils bzw. ausschließlich online erbringen. Die X-Gesellschaft erhält im Rahmen der Besteuerung nach dem RennwLottG zudem weder eine Steuerbefreiung noch unterliegt sie mit ihrem Spielangebot einem abweichenden Steuersatz gegenüber den am Markt angebotenen vergleichbaren Glücksspielarten. Eine Besteuerung, die unterschiedslos allen Unternehmen im Inland zugutekommt, kann aber keine staatliche Beihilfe darstellen (vgl. EuGH-Urteil Adria-Wien u.a. vom  - C-143/99, EU:C:2001:58, Rz 35; BFH-Urteil in BFH/NV 2022, 520, Rz 27).

64 Diese unterschiedslose steuerliche Einordnung war das Ziel des Gesetzgebers bei der Neufassung des RennwLottG anlässlich des Inkrafttretens des neuen GlüStV 2021 im Jahr 2021. Virtuelle Automatenspiele haben mit dem neuen GlüStV 2021 erstmals einen Marktzugang aufgrund einer für alle Bundesländer einheitlich erteilten Erlaubnis der Aufsichtsbehörde erhalten. Die Besteuerungssystematik ist dabei unverändert geblieben. Im RennwLottG erfasste Glücksspiele unterfallen der Einsatzbesteuerung nach diesem. Der Gesetzgeber hat die virtuellen Automatenspiele, die durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag vom erstmals legal auf der Grundlage einer für alle Länder erteilten einheitlichen Erlaubnis am Markt angeboten werden dürfen, in die bestehende Besteuerungssystematik eingeordnet (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42).

65 Auch in der ungleichen steuerlichen Behandlung von virtuellem und terrestrischem Automatenspiel liegt keine Beihilfe. Das terrestrische Automatenspiel ist weder von einer Besteuerung befreit noch wird es steuerlich bevorzugt. Terrestrische Automatenspiele unterliegen weiterhin der bisherigen Besteuerung. Sie unterliegen der Umsatzsteuer sowie landesrechtlichen Abgaben. Die Einordnung von terrestrischem Automatenspiel und virtuellem Automatenspiel in unterschiedliche Besteuerungssysteme folgt aus der Natur der Sache. Zwar wird in beiden Fällen nach der äußeren Optik und dem Ablauf des Spiels die gleiche Art von Glücksspiel angeboten. Virtuelle Automatenspiele weisen aber eine andere Kostenstruktur (keine Räumlichkeiten, anderes Personal) und einen unterschiedlichen Vertriebsweg (keine räumliche Begrenzung des Einzugsgebiets, jederzeitige zeitliche Verfügbarkeit) auf. Sie unterscheiden sich auch hinsichtlich der Ausschüttungsquoten (vgl. zur Unterscheidung BTDrucks 19/28400, S. 42; BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 1417, Rz 18 ff.; Brüggemann, UR 2022, 169, 170 ff.). Diese tatsächlichen Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche steuerliche Behandlung.

66 In dem gegenüber Lotterien deutlich niedriger angesetzten Steuersatz liegt ebenfalls keine Beihilfe. Lotterien unterscheiden sich erheblich von virtuellem Automatenspiel. Lotterien eröffnen Gewinnchancen nach einem festgelegten Plan für die Gesamtveranstaltung (zum Lotteriebegriff vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 sowie u.a. , BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735, unter II.1.a aa). Das Angebot von Klassenlotterien liegt nach § 10 Abs. 3 GlüStV 2021 in der Hand staatlicher Anbieter. Demgegenüber legen Sportwetten, virtuelle Automatenspiele und Online-Poker die Gewinnchancen und Spielregeln jeweils nach Wette, Automatenspiel oder Spielvariante fest (vgl. zur Unterscheidung BTDrucks 19/28400, S. 69) und werden von privaten Unternehmen betrieben. Zudem unterfallen Lotterien auf der Grundlage von den §§ 12 ff. GlüStV 2021 erheblich abweichenden regulierungsrechtlichen Regelungen als Sportwetten, virtuelle Automatenspiele oder Online-Poker (§§ 4a ff. GlüStV 2021).

67 hh) Schließlich ist ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich.

68 (1) Nach Art. 56 AEUV müssen die Mitgliedstaaten Angehörigen aus anderen EU-Staaten ermöglichen, unter denselben Bedingungen tätig zu werden, wie sie für Inländer gelten. Es sind auch solche Beschränkungen zu unterlassen, die —obwohl sie unterschiedslos für Einheimische wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten— geeignet sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (vgl. EuGH-Urteile Arblade u.a. vom  - C-369/96 und C-376/96, EU:C:1999:575, Rz 33; Mobistar und Belgacom Mobile vom  - C-544/03 und C-545/03, EU:C:2005:518, Rz 30 f.; Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International vom  - C-42/07, EU:C:2009:519, und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 35). Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits dann vor, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit erschwert oder weniger attraktiv gemacht wird.

69 Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele. In Ermangelung einer Harmonisierung des Glücksspielsektors durch die EU ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (vgl. EuGH-Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, EU:C:2009:519, Rz 56; Stoß vom  - C-316/07, EU:C:2010:504, Rz 74 f.; Digibet und Albers vom  - C-156/13, EU:C:2014:1756, Rz 23 f., und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 92).

70 Dagegen erfasst Art. 56 AEUV solche Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats berühren (vgl. EuGH-Urteile Mobistar und Belgacom Mobile, EU:C:2005:518, Rz 31, und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 36).

71 (2) Das Anbieten von virtuellen Automatenspielen gehört zu den Dienstleistungen i.S. des Art. 56 AEUV. Daher führt die Erhebung der Virtuellen Automatensteuer zu einer Verteuerung des Spielangebots oder zu einer Herabsetzung der Gewinnchancen. Damit wird die Veranstaltung dieser Glücksspiele weniger attraktiv. Diese Wirkung trifft aber inländische wie ausländische Anbieter in gleicher Weise und zu gleichen Bedingungen. Die Virtuelle Automatensteuer führt daher zu keiner unmittelbaren Diskriminierung ausländischer Anbieter.

72 Selbst wenn man eine mittelbare Diskriminierung annehmen würde, ist die darin liegende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt, weil sie der Verfolgung zwingender Gründe des Allgemeininteresses dient. Die Virtuelle Automatensteuer dient der Verfolgung der Ziele in § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 GlüStV 2021 und damit der Bekämpfung der Spielsucht, der Betrugsvermeidung und dem Schutz der Verbraucher vor illegalen Angeboten (vgl. BTDrucks 19/28400, S. 42). Zur Erreichung dieser Ziele ist die Virtuelle Automatensteuer geeignet, weil sie über eine Verringerung der Ausschüttungsquote die Teilnahme verteuert. Aufgrund ihrer moderaten Höhe ist sie gleichzeitig geeignet, den Weg in die glücksspielrechtliche Legalität nicht zu versperren und den Spielern ein legales und staatlich überwachtes Angebot zur Verfügung zu stellen. Der Umstand, dass die Virtuelle Automatensteuer zugleich in der Folge der Legalisierung des Angebots zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen führt, steht nicht entgegen (vgl. EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 92).

73 c) Eine Aufhebung der Vollziehung kommt auch nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO wegen einer unbilligen Härte in Betracht. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen worden noch sonst aus den Akten ersichtlich.

74 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:BA.140223.IXB42.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1118 Nr. 20
BB 2023 S. 1125 Nr. 20
BB 2023 S. 598 Nr. 11
BFH/NV 2023 S. 562 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2023 S. 558
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2023 S. 558
UR 2023 S. 564 Nr. 14
UVR 2023 S. 203 Nr. 7
SAAAJ-35187