BVerwG Urteil v. - 3 CN 1/21

Schutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie

Leitsatz

1. Ge- und Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit, die unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich einer Verordnung gerichtet sind, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom sein.

2. § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom war eine verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom .

3. Die in der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom verordneten Kontaktbeschränkungen für den Aufenthalt im öffentlichen Raum sowie Schließungen von Gastronomiebetrieben und Sportstätten einschließlich Golfplätzen waren zur Bekämpfung von COVID-19 geeignet, erforderlich und angemessen.

Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 3 C 15/20 Urteil

Tatbestand

1Der Antragsteller wohnt im Freistaat Sachsen. Er begehrt mit seinem Normenkontrollantrag in der Revisionsinstanz die Feststellung, dass § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 5 Satz 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom (SächsGVBl. S. 170) unwirksam gewesen sind.

2Die Verordnung war gestützt auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom in der Fassung des Gesetzes vom . Sie galt vom 20. April bis (§ 12 Abs. 1 SächsCoronaSchVO). Die angegriffenen Vorschriften lauteten wie folgt:

§ 2

Kontaktbeschränkung

(1) Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist ausschließlich alleine oder in Begleitung der Partnerin oder des Partners beziehungsweise mit Angehörigen des eigenen Hausstandes oder mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gestattet.

(2) (...)

§ 4

Betriebsuntersagungen

(1) Folgende Einrichtungen oder Angebote für den Publikumsverkehr dürfen nicht geöffnet werden:

1. Sportstätten, Vereinssport, Fitness- und Sportstudios, Wellnesszentren, Badeanstalten, Saunas und Dampfbäder, Spielplätze,

(...)

§ 5

Gastronomiebetriebe

Gastronomiebetriebe jeder Art sind untersagt. (...) Ausgenommen sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen (...).

3Zur Begründung seines am anhängig gemachten Normenkontrollantrags hat der Antragsteller vorgetragen, dass den Verordnungsbestimmungen die erforderliche Rechtsgrundlage fehle, weil sie nicht auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG gestützt werden könnten. Zudem verstießen die Maßnahmen gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Der Antragsgegner habe nicht dargelegt, dass die Kontaktbeschränkungen sowie die Schließungen von Sportstätten einschließlich Golfplätzen und von Gastronomiebetrieben erforderlich gewesen seien. Die Regelungen seien auch unzumutbar gewesen.

4Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag durch Urteil vom abgelehnt: Die angegriffenen Vorschriften seien rechtmäßig gewesen. Sie hätten in § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. vom eine Ermächtigungsgrundlage, die den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und des verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatzes genüge. Die in § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Voraussetzungen für den Erlass von Maßnahmen zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit hätten vorgelegen. Die in der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung geregelten Ge- und Verbote dienten dem Ziel, eine Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verhindern. Nach der damaligen Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) sei es erforderlich gewesen, physische Kontakte möglichst zu vermeiden, um die Ausbreitung des im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus und der Krankheit zu verlangsamen. Das RKI habe die Gesundheitsgefährdung durch das Virus SARS-CoV-2 als hoch eingeschätzt. Als nationaler Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen komme seinen Empfehlungen vorrangige Bedeutung zu. Bei den angegriffenen Verordnungsregelungen handele es sich um notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG. Die Befugnis nach § 28 Abs. 1 IfSG sei nicht auf Maßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern begrenzt. Auch Ge- und Verbote, die wie § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden gerichtet seien, könnten notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne der Verordnungsermächtigung sein. Die Regelungen hätten nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit von Maßnahmen komme dem Verordnungsgeber ein Einschätzungs- und Wertungsspielraum zu, dessen Grenzen hier nicht überschritten seien. Die angeordneten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Rüge des Antragstellers, der Antragsgegner habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt, bleibe ohne Erfolg. § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO sei in Bezug auf die Gestattung des Aufenthalts zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts hinreichend bestimmt.

5Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Die Verordnungsregelungen ließen sich nicht auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. vom stützen. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, die Verordnungsermächtigung ermächtige zum Erlass von Maßnahmen auch gegenüber der Allgemeinheit, verstoße gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und das Bestimmtheitsgebot. Dass § 32 i. V. m. der Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht zu Maßnahmen gegenüber der gesamten Bevölkerung eines Bundeslandes ermächtige, zeige auch die Einfügung von § 28 Abs. 2 IfSG i. d. F. vom , die der Gesetzgeber damit begründet habe, dass Maßnahmen gegen Nichtstörer eine gesonderte Rechtsgrundlage erforderten. Aus der Änderung des § 28 Abs. 1 IfSG durch das Gesetz vom ergebe sich kein anderes Auslegungsergebnis. Eine etwaige Übergangs- oder Reaktionszeit des Gesetzgebers, innerhalb derer er auf neue Entwicklungen und Phänomene reagieren und eventuelle Regelungslücken schließen könne, wäre im Zeitpunkt des Erlasses der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung bereits abgelaufen. Zu Unrecht habe das Oberverwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit der Regelungen bejaht. Es habe nicht berücksichtigt, dass jede einzelne wie auch die Gesamtheit der Maßnahmen verhältnismäßig sein müssten. Weil der Verordnungsgeber mit der Verordnung mehrere Ziele verfolgt habe, müsse die Verhältnismäßigkeit zudem bezogen auf jedes Ziel geprüft werden und vorliegen. Diesen Anforderungen werde das angefochtene Urteil nicht gerecht. Des Weiteren habe das Oberverwaltungsgericht die Eingriffsintensität der kontaktbeschränkenden Maßnahmen zu gering gewichtet. Es habe nicht berücksichtigt, dass es sich um geplante Langzeitmaßnahmen gehandelt habe. Seine Annahme, die in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO getroffene Regelung zur Wahrnehmung des Umgangsrechts sei hinreichend bestimmt, verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Es sei unklar gewesen, inwieweit die Gestattung auch Großeltern umfasse. In Bezug auf § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsCoronaSchVO habe das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Schließung von Golfplätzen erforderlich gewesen sei. Es hätte genügt, ihre Nutzungsmöglichkeit auf den Außenbereich zu beschränken und gegebenenfalls eine Maskenpflicht und Begrenzung der Nutzerzahl vorzusehen. Entsprechendes gelte für § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO. Als gleich wirksame, jedoch weniger eingriffsintensive Maßnahme hätte der Antragsgegner die Beschränkung des Gastronomiebetriebs auf den Außenbereich, ein Alkoholausschankverbot sowie eine Begrenzung der Gästezahl anordnen können. Das angefochtene Urteil beruhe außerdem auf Verfahrensmängeln. Das Oberverwaltungsgericht habe gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, weil es seinen Beweisanträgen nicht entsprochen habe.

6Der Antragsgegner tritt den Verfahrensrügen entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

7Die zulässige Revision des Antragstellers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Ablehnung des zulässigen (1.) Normenkontrollantrags durch das Oberverwaltungsgericht steht mit Bundesrecht im Einklang. Die angegriffenen Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom hatten eine Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz (2.), die verfassungsgemäß war (3.). Sie waren auf der Grundlage der im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Auslegung des Landesrechts verhältnismäßig (4.). Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG angenommen, dass § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO hinreichend bestimmt war (5.).

81. Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig. Dass die angegriffenen Rechtsvorschriften außer Kraft getreten sind, hat ihn nicht unzulässig gemacht.

9a) Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus (vgl. auch § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt er aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die zur Prüfung gestellte Norm oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Darüber hinaus muss er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Rechtsvorschrift unwirksam war (stRspr, vgl. 7 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 164 S. 131 = juris Rn. 13 und vom - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 19; Beschluss vom - 3 BN 8.21 - juris Rn. 6 m. w. N.).

10b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

11aa) Der Antragsteller hat den Normenkontrollantrag während der Geltungsdauer der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung anhängig gemacht. Nach deren Außerkrafttreten mit Ablauf des kann er weiterhin geltend machen, durch die angegriffenen Vorschriften in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Nach seinem Vortrag erscheint es möglich, dass er durch die Regelung des § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO, die ihm den Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine oder in Begleitung der benannten Personen oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gestattete, in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), auch in dessen Ausprägung als allgemeine Handlungsfreiheit, sowie in seinem Recht auf selbstbestimmte Gestaltung des Familienlebens (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt worden ist (zu den betroffenen Grundrechten vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 106 ff.). In Bezug auf die Schließungen von Sportstätten einschließlich Golfplätzen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsCoronaSchVO und von Gastronomiebetrieben nach § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO erscheint eine Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG möglich. Die Maßnahmen richteten sich nicht allein an die Einrichtungen und Betriebe, sondern auch an die Besucher. Sie sollten den Publikumsverkehr und damit Kontakte zwischen Gästen und zwischen Gästen und Beschäftigten verhindern.

12bb) Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Verordnungsregelungen unwirksam gewesen sind.

13Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen und bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. - BVerfGE 110, 77 <85 f.> m. w. N.; Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 2601/17 - juris Rn. 32 ff. und vom - 2 BvR 676/20 - juris Rn. 30 f.; 2 C 5.19 - BVerwGE 170, 319 Rn. 15; Beschluss vom - 3 BN 8.21 - juris Rn. 9 ff. m. w. N.).

14Danach ist ein schützenswertes Interesse des Antragstellers an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen anzuerkennen. Die zur Prüfung gestellten Normen hatten eine kurze Geltungsdauer (20. April bis ), innerhalb derer gerichtlicher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden konnte. Es ist typisch für die "Corona-Verordnungen", die alle Bundesländer seit März 2020 auf der Grundlage von § 32 und § 28 Abs. 1 IfSG (a. F.) zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und von COVID-19 erlassen hatten, dass sie nur auf eine kurze Geltung angelegt waren mit der Folge, dass sie ohne die Annahme eines berechtigten Feststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 1 BvR 990/20 - NVwZ 2020, 1038 = juris Rn. 8 und vom - 1 BvR 1073/21 - NVwZ-RR 2022, 321 = juris Rn. 25). Zudem macht der Antragsteller Beeinträchtigungen seiner grundrechtlichen Freiheiten geltend, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelungen rechtfertigt. Nach seinem Vorbringen haben die Maßnahmen erheblich in die Gestaltung seines Alltags- und Privatlebens eingegriffen.

152. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die angegriffenen Verordnungsbestimmungen auf § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom (BGBl. I S. 1045) i. d. F. des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom (BGBl. I S. 587) - im Folgenden: IfSG - gestützt werden konnten.

16§ 32 Satz 1 IfSG ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u. a.) nach § 28 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 32 Satz 2 IfSG können die Landesregierungen die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Hiervon hat die Staatsregierung des Freistaates Sachsen, wie im angefochtenen Urteil näher ausgeführt ist, Gebrauch gemacht (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 18>). Danach ist die Zuständigkeit für den Verordnungserlass auf das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt übertragen worden.

17Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt (§ 28 Abs. 1 Satz 4, § 32 Satz 3 IfSG).

18Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Ge- und Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen vor (a). Die Vorschriften ermächtigen auch zum Erlass von Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit (b). Im Sinne von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG "notwendig" ist eine Schutzmaßnahme, wenn sie den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgebots entspricht (c).

19a) Bei Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung waren Kranke gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG festgestellt worden.

20Kranker im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist (§ 2 Nr. 4 IfSG). Eine übertragbare Krankheit ist gemäß § 2 Nr. 3 IfSG eine Krankheit, die durch Krankheitserreger (§ 2 Nr. 1 IfSG) verursacht wird, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden. Wie das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, ist das SARS-CoV-2-Virus ein Krankheitserreger in diesem Sinne, der beim Menschen die übertragbare Krankheit COVID-19 verursachen kann (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 21>), und waren bei Erlass der Verordnung Menschen an COVID-19 erkrankt - auch in Sachsen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

21b) Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Schließung von Einrichtungen und Betrieben, die - wie hier - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet sind, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein.

22aa) Aus dem Wortlaut der Normen ergibt sich keine Beschränkung auf bestimmte Maßnahmen oder eine Einschränkung des Adressatenkreises. § 32 Satz 1 IfSG nimmt Bezug auf die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG und bestimmt, dass Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden können. Nach der Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG ( 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 24) können notwendige Schutzmaßnahmen getroffen werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Soweit durch den Verweis auf die §§ 29 bis 31 IfSG bestimmte Maßnahmen benannt werden, handelt es sich um keine abschließende Regelung ("insbesondere"). Aus dem Erfordernis der Feststellung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG lässt sich nicht ableiten, dass allein Maßnahmen gegenüber diesem Adressatenkreis in Betracht kommen. Das ergibt die Zusammenschau mit § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG und dem dort verwendeten Begriff "Personen", der den Adressatenkreis nicht auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider beschränkt.

23bb) Die Entstehungsgeschichte der Vorschriften bestätigt die Wortlautauslegung.

24(1) Bereits nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz) vom (BGBl. I S. 1012) gehörten "Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit" zu den Instrumenten des Infektionsschutzes. Der so überschriebene 4. Unterabschnitt mit § 43 als einziger Vorschrift war Teil des 5. Abschnitts des Bundes-Seuchengesetzes "Vorschriften zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten". Der 3. Unterabschnitt regelte "Schutzmaßnahmen" insbesondere gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und Ausscheidungsverdächtigen. Der darauf folgende § 43 BSeuchG ermächtigte die zuständige Behörde, bei Auftreten einer meldepflichtigen übertragbaren Krankheit in epidemischer Form Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen - insbesondere Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen sowie die Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen - zu beschränken oder zu verbieten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich war. Adressat der Maßnahme konnte neben Veranstaltern, Veranstaltungsleitern oder Inhabern der Einrichtung jedermann sein (Entwurf eines Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen <Bundes-Seuchengesetz>, BT-Drs. 3/1888 S. 27 <zu § 42-E>).

25(2) Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes vom (BGBl. I S. 2248) wurde § 43 BSeuchG gestrichen, inhaltlich aber durch eine Generalklausel für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ersetzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG 1979). Mit dieser Generalklausel wollte der Gesetzgeber eine sinnvolle und wirksame Bekämpfung übertragbarer Krankheiten sicherstellen. Die bisherigen Regelungen, die die Schutzmaßnahmen abschließend benannten, erschienen ihm zu eng, da die Fülle der Maßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen könnten, nicht im Vorhinein absehbar sei. Die generelle Ermächtigung auch für Maßnahmen gegenüber "Nichtstörern" sollte gewährleisten, dass die zuständigen Behörden "für alle Fälle gewappnet" waren (Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468 S. 27 <zu Nummer 29 und 30>). § 43 BSeuchG sollte entfallen, weil die dort genannten Schutzmaßnahmen künftig auf die Generalklausel des § 34 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG gestützt werden könnten (BT-Drs. 8/2468 S. 27 f. und S. 29 <zu Nummer 35>). Außerdem wurde eine Verordnungsermächtigung geschaffen (§ 38a BSeuchG), um auch Ge- und Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen zu können, die sich an einen unbestimmten Personenkreis (Allgemeinheit) richteten (BT-Drs. 8/2468 S. 29 <zu Nummer 34> mit Verweis auf S. 21 <zu Nummer 13>).

26(3) Das Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungsgesetz - SeuchRNeuG) vom (BGBl. I S. 1045) hat dieses Instrumentarium zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in das neue Infektionsschutzgesetz übernommen (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 74 f. <zu § 28 IfSG> und S. 75 <zu § 32 IfSG>). Die Verwendung des Begriffs "Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen" (§ 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG 2000) sollte sicherstellen, dass alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, erfasst würden (BT-Drs. 14/2530 S. 74 f.). Auch der Normgeber des Infektionsschutzgesetzes wollte also "für alle Fälle gewappnet sein". Im Blick hatte er insbesondere neu auftretende gefährliche Krankheitserreger (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 1, 37).

27Für das Auslegungsergebnis spricht des Weiteren die Befassung des Bundestages mit der Risikoanalyse für das potenzielle Ereignis eines außergewöhnlichen Seuchengeschehens (vgl. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012, Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS", BT-Drs. 17/12051 S. 5, 55 ff.). Die Risikoanalyse wurde im Jahr 2012 unter fachlicher Federführung der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (Robert Koch-Institut) durchgeführt. Sie basierte auf der Annahme der weltweiten Verbreitung eines hypothetischen neuen Virus und der Modellierung des hypothetischen Verlaufs einer Pandemie in Deutschland (vgl. im Einzelnen Anhang 4 des Berichts, BT-Drs. 17/12051 S. 58 ff.). § 28 und § 32 IfSG sind in der Folgezeit unverändert geblieben. Dass der Gesetzgeber untätig geblieben wäre, wenn er die zuständigen Behörden mit der Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG und der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG nicht gegen ein solches Pandemiegeschehen "gewappnet" gesehen hätte, liegt fern.

28(4) Nach dem Ausbruch der Krankheit COVID-19 in Deutschland sowie ihrer Einstufung durch die Weltgesundheitsorganisation als Pandemie am hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom (BGBl. I S. 587) an § 28 Abs. 1 IfSG nur kleinere Änderungen vorgenommen, mit denen er bezweckte, etwaige Unklarheiten zu beseitigen (vgl. BT-Drs. 19/18111 S. 24 <zu Nummer 6>). Die neue Fassung bestätigt, dass der Gesetzgeber auch an die Allgemeinheit gerichtete Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie Schließungen von Einrichtungen mit Publikumsverkehr wie Gastronomiebetrieben und Sportstätten ermöglichen wollte (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom - 13 KN 62/20 - juris Rn. 72 und 104 f.; OVG Magdeburg, Urteil vom - 3 K 72/20 - juris Rn. 44 und 48; VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1067/20 - juris Rn. 156).

29cc) Sinn und Zweck der Vorschriften stützen das Auslegungsergebnis ebenfalls. Zweck des Infektionsschutzgesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG) und dadurch Leben und Gesundheit des Einzelnen wie der Gemeinschaft vor den Gefahren von Infektionskrankheiten zu schützen (BT-Drs. 14/2530 S. 43). Dem Ziel der wirksamen Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dient es, wenn die zuständigen Behörden (auch) bei einem dynamischen und bedrohlichen Infektionsgeschehen (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen können. Der Gesetzgeber hat die Befugnisnorm des § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet, die eine Bekämpfung sämtlicher bekannten und aller in Zukunft neu auftretenden übertragbaren Krankheiten ermöglichen soll. Dem entspricht ein Verständnis von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG, das Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit, die unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet werden können, einbezieht. Könnten entsprechende Ge- und Verbote nicht erlassen werden, wäre die Effektivität des Infektionsschutzes in Frage gestellt.

30dd) Aus der Systematik des § 28 IfSG ergibt sich nichts Gegenteiliges.

31(1) Die Bezugnahme in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auf die gesondert geregelten Maßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern nach den §§ 29 bis 31 IfSG ist - wie bereits angesprochen - nicht als abschließende Regelung zu verstehen. Das Gleiche gilt für die in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG benannten Verbote und Beschränkungen; im Übrigen können an die Allgemeinheit gerichtete Kontaktbeschränkungen Maßnahmen im Sinne der Regelung sein. § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG regelt die dort bezeichneten Maßnahmen wegen ihrer Bedeutsamkeit im Infektionsschutz ausdrücklich, ohne dadurch die generelle Ermächtigung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG einzuschränken (vgl. BT-Drs. 8/2468 S. 27 f.); abgesehen davon ist die Schließung von Sporteinrichtungen und Gastronomiebetrieben vom Tatbestandsmerkmal "sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten" erfasst.

32(2) Die Einfügung von § 28 Abs. 2 IfSG durch Art. 8 Nr. 4 Buchst. a) des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz - PrävG) vom (BGBl. I S. 1368) stellt das Auslegungsergebnis nicht in Frage. Nach dieser Vorschrift kann bei Auftreten von Masern in einer Schule oder anderen Gemeinschaftseinrichtung (vgl. § 33 IfSG) Personen, die für die Krankheit als empfänglich anzusehen sind, weil sie weder einen Impfschutz noch eine Immunität gegen Masern nachweisen können, das Betreten der Einrichtung untersagt werden. Das Betretungsverbot setzt nicht voraus, dass die Personen als Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider identifiziert worden sind (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention <Präventionsgesetz - PrävG>, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 18/5261 S. 63 f.). Der Gesetzgeber hat damit auf Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Voraussetzungen für die Feststellung eines Ansteckungsverdächtigen (§ 2 Nr. 7 IfSG) reagiert (vgl. 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205) sowie auf Schwierigkeiten, bei dieser Krankheit ansteckungsverdächtige Personen zu ermitteln (vgl. BT-Drs. 18/5261 S. 64). Daraus lässt sich nichts für die Auslegung von § 32 i. V. m. der Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG erkennen und insbesondere nicht der Schluss ziehen, die Vorschriften ermächtigten nicht zu Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller auf Parlamentsmaterialien zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze (BT-Drs. 17/5708) verweist (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 17/5708 S. 11 Nr. 6; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 17/5708 S. 19 <zu Nummer 6>). Im Übrigen ist die damalige Äußerung der Bundesregierung durch die nachfolgend in das Gesetz eingefügte Regelung des § 28 Abs. 2 IfSG überholt.

33c) Ge- und Verbote, wie sie § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO enthielten, können notwendig und erforderlich im Sinne von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sein. Die Vorschriften ermächtigen den Verordnungsgeber dazu, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu erlassen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit erforderlich ist. Danach müssen die Maßnahmen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne. Sind die Voraussetzungen - wie hier (dazu nachfolgend unter 4.) - erfüllt, handelt es sich um notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne der Ermächtigungsnormen (vgl. 3 CN 2.21 - Rn. 12 <dort auch zum normativen Ermessen des Verordnungsgebers und zu dessen Grenzen>).

343. § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG war in dieser Auslegung im hier maßgeblichen Zeitraum vom 17. April bis eine verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen zur Bekämpfung von COVID-19. Die Verordnungsermächtigung erfüllte die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (a) und entsprach auch den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (b).

35a) Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden.

36aa) Das Bestimmtheitsgebot soll gewährleisten, dass der parlamentarische Gesetzgeber durch die Ermächtigung selbst entscheidet, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden können oder sollen. Dazu muss er die Grenzen der Ermächtigung festlegen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll. Er muss der ermächtigten Stelle darüber hinaus ein "Programm" an die Hand geben, das mit der Ermächtigung verwirklicht werden soll. Bereits aufgrund der Ermächtigung soll vorhersehbar sein, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt allerdings nicht, dass die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich gefasst ist. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung müssen auch nicht ausdrücklich im Gesetzestext bestimmt sein; sie müssen jedoch durch Auslegung des ermächtigenden Gesetzes zu ermitteln sein. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen verwehrt es dem Gesetzgeber daher nicht, in der Ermächtigungsnorm Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Es genügt, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 201 ff.; - BVerfGK 15, 377 <382> = juris Rn. 14, jeweils m. w. N.).

37Der Grad der im konkreten Fall erforderlichen Bestimmtheit hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes ab, insbesondere davon, in welchem Umfang dieser einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Bei vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalten oder absehbaren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einfach gelagerten und klar vorhersehbaren Lebenssachverhalten (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 204 m. w. N.). Maßgebend ist zudem, wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Insoweit berührten sich das Bestimmtheitsgebot und der Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich wesentlich betreffen, selbst festlegt. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167 <269>= juris Rn. 276 und vom - 1 BvR 2649/21 - juris Rn. 126, jeweils m. w. N.).

38bb) In diesem Sinne war § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG, auch soweit die Vorschriften zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Bekämpfung von COVID-19 ermächtigen, im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Verordnung und während ihrer Geltungsdauer hinreichend bestimmt.

39(1) Im Infektionsschutzrecht ist eine Generalklausel, wie sie § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG enthält, sachgerecht. Sie trägt den Besonderheiten dieses Regelungsbereichs Rechnung. Der Gesetzgeber kann nicht voraussehen, welche übertragbaren Krankheiten neu auftreten und welche Schutzmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung erforderlich sein werden. Die Generalklausel gewährleistet, dass die zuständigen Behörden auch auf Infektionsgeschehen schnell und angemessen reagieren können, die durch das Auftreten neuartiger Krankheitserreger ausgelöst werden, für deren Bekämpfung die ausdrücklich normierten Schutzmaßnahmen nicht ausreichen (vgl. VerfGH Weimar, Vorlagebeschluss vom - 110/20 - juris Rn. 35 ff., m. w. N. in Rn. 39 und 43; OVG Lüneburg, Urteil vom - 13 KN 62/20 - juris Rn. 72; VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1067/20 - juris Rn. 123, 129 m. w. N.).

40(2) Die Verwendung der Generalklausel macht die Verordnungsermächtigung nicht unbestimmt. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung lassen sich - wie gezeigt - durch Auslegung von § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG ermitteln. Möglicher Verordnungsinhalt ist der Erlass von Schutzmaßnahmen beim Auftreten einer übertragbaren Krankheit, um deren Weiterverbreitung zu verhindern. Die Bandbreite der Maßnahmen ergibt sich aus der allgemeinen Umschreibung der notwendigen Schutzmaßnahmen und aus den beispielhaft benannten Maßnahmen. Die Ge- und Verbote können an einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis gerichtet sein, aber auch - wie dargelegt - gegenüber der Allgemeinheit erlassen werden. Ausgeschlossen ist nach § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG die Anordnung einer Heilbehandlung. Der Zweck der Verordnungsermächtigung ist gemäß § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und § 1 Abs. 1 IfSG die Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Zum Ausmaß der Ermächtigung bestimmt die Generalklausel, dass notwendige Schutzmaßnahmen erlassen werden können, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung der aufgetretenen übertragbaren Krankheit erforderlich ist. Zusätzlich zu den Grenzen, die ihm durch die gesetzlichen Vorgaben zu Inhalt und Zweck der Ermächtigung gezogen sind, ist das Ermessen des Verordnungsgebers durch das Verhältnismäßigkeitsgebot begrenzt.

41(3) Tritt eine übertragbare Krankheit - wie hier COVID-19 - neu auf, kann § 32 i. V. m. der Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage für den Erlass notwendiger Schutzmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung sein. Der Grad der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit der Ermächtigung ist allerdings auch davon abhängig, wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Landesweite Kontaktbeschränkungen und Schließungen von Gastronomiebetrieben und Sporteinrichtungen sind Maßnahmen, die erheblich in grundrechtlich geschützte Freiheiten der Betroffenen eingreifen. Hat sich der Erkenntnisstand in Bezug auf einen neuen Krankheitserreger verbessert, haben sich geeignete Parameter herausgebildet, um die Gefahrenlage zu beschreiben und zu bewerten, und liegen ausreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit möglicher Schutzmaßnahmen vor, kann der Gesetzgeber gehalten sein, für die jeweilige übertragbare Krankheit zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

42(4) Eine solche Kodifikationsreife lag für COVID-19 im hier maßgeblichen Zeitraum von Mitte April bis Anfang Mai 2020 nicht vor.

43Ende Januar 2020 wurde der erste COVID-19-Fall in Deutschland laborbestätigt. Ab März 2020 kam es bundesweit zu einem vermehrten Auftreten des Coronavirus SARS-CoV-2 und von COVID-19-Fällen (vgl. RKI, Beschreibung des Ausbruchsgeschehens mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Deutschland, Stand: , Epidemiologisches Bulletin 11/2020). Die Weltgesundheitsorganisation erklärte die Verbreitung von COVID-19 am zur Pandemie. Der Deutsche Bundestag stellte am eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest (vgl. BT-Plenarprotokoll 19/154 S. 19169C). Die Entwicklung des damaligen Ausbruchsgeschehens wurde als sehr dynamisch eingestuft (vgl. z. B. RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 <COVID-19>, Stand: , S. 6 und Stand: , S. 8; Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/18111 S. 1, 14). In dieser frühen Phase der Pandemie im Frühjahr 2020 ("1. Welle") war der neue Erreger SARS-CoV-2 noch wenig erforscht. Über seine Eigenschaften herrschten erhebliche Ungewissheiten. Entsprechend unsicher war die Prognose über den weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens (vgl. RKI, Autoren: an der Heiden/Buchholz, Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland, Stand: ; VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1067/20 - juris Rn. 124, 135; OVG Magdeburg, Urteil vom - 3 K 55/20 - juris Rn. 69). Es wurden unterschiedliche Indikatoren zur Beschreibung und Bewertung der Pandemielage herangezogen (z. B. COVID-19-Fallzahlen, 7-Tage-Inzidenz, DIVI-Intensivregister, Todesfälle, Genesene, Verdopplungszeit, Reproduktionszahl R, 7-Tages R-Wert, Labortestungen auf SARS-CoV-2). Welche Parameter sich jedenfalls für eine gewisse Dauer als geeignet erweisen würden, war nicht abzusehen. Auch die Erfahrungsbasis in Bezug auf die Wirksamkeit der eingeleiteten Schutzmaßnahmen war schmal.

44Bei dieser unsicheren Tatsachen- und damit auch Entscheidungsgrundlage war der Gesetzgeber nicht gehalten, für COVID-19 die Voraussetzungen zum Erlass von Schutzmaßnahmen zu konkretisieren (im Ergebnis ebenso: VerfGH Weimar, Vorlagebeschluss vom - 110/20 - juris Rn. 38 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1067/20 - juris Rn. 124, jeweils m. w. N. zum kontroversen Meinungsstand; OVG Lüneburg, Urteil vom - 13 KN 62/20 - juris Rn. 73).

45b) Die Verordnungsermächtigung genügte, soweit sie als Grundlage für Rechtsverordnungen zur Bekämpfung der Krankheit COVID-19 diente, im hier maßgeblichen Zeitraum auch den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts.

46Das Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, dass der parlamentarische Gesetzgeber Fragen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind, selbst regelt (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 190 ff. m. w. N.). Ob und unter welchen Voraussetzungen landesweite Kontaktbeschränkungen und Schließungen von Gastronomiebetrieben und Sporteinrichtungen zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit angeordnet werden können, ist eine wesentliche Frage im vorgenannten Sinn. Aus der Einstufung eines Regelungsgegenstandes als "wesentlich" ergeben sich auch Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung. Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Des Weiteren sollen die betroffenen Grundrechtsträger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (stRspr, vgl. u. a. - a. a. O. Rn. 196 m. w. N.). Für eine Delegation an den Verordnungsgeber sind die damit verbundenen Bestimmtheitsanforderungen in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich normiert. Die Verordnungsermächtigung des § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG erfüllte - wie dargelegt - im maßgebenden Zeitraum diese Vorgaben. Aus dem Parlamentsvorbehalt ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen (vgl. u. a. - a. a. O. Rn. 190, 198 ff. m. w. N.).

474. Die in § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO getroffenen Regelungen waren ausgehend von der Auslegung des Landesrechts und den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Die durch sie bewirkten Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen waren gerechtfertigt.

48a) Der Verordnungsgeber verfolgte mit dem Erlass der Regelungen ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand.

49aa) Die Ge- und Verbote dienten dem Ziel, physische Kontakte zu vermeiden, um die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 19>, Rn. 61). Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (vgl. für tatsächliche Feststellungen: § 137 Abs. 2 VwGO; für die Auslegung irrevisiblen Landesrechts: § 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO); es ergibt sich auch aus der aktenkundigen Verordnungsbegründung. Das Ziel entsprach dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG).

50bb) Soweit der Verordnungsgeber und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht außerdem darauf abgestellt haben, die Verordnung diene dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen (vgl. UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 19>, Rn. 61 f.), ergibt sich nichts anderes. Es kann offenbleiben, ob der Schutz des Gesundheitssystems für sich genommen ein Zweck im Sinne der Verordnungsermächtigung sein konnte. Das Infektionsschutzgesetz bezweckt, Leben und Gesundheit des Einzelnen wie der Gemeinschaft vor den Gefahren durch Infektionskrankheiten zu schützen (vgl. BT-Drs. 14/2530 S. 43 <zu § 1 Abs. 1 IfSG>). Der Erhalt eines funktionsfähigen Gesundheitssystems könnte als Zwischenziel dieses Gesundheits- und Lebensschutzes zu verstehen sein (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 174 f. <zu § 28b IfSG i. d. F. des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom >). Allerdings findet sich für diese Auslegung kein eindeutiger Hinweis (anders bei § 28b IfSG i. d. F. vom , vgl. u. a. - a. a. O.). Das kann jedoch dahinstehen. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts knüpfen an die Verordnungsbegründung an. Dort hatte der Verordnungsgeber unter Bezugnahme auf die Gefährdungseinschätzung des Robert Koch-Instituts darauf verwiesen, dass die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 eine ernstzunehmende Belastung für das Gesundheitssystem darstelle. Besonders ältere Menschen und solche mit vorbestehenden Grunderkrankungen seien von schweren Krankheitsverläufen betroffen und könnten ohne erforderliche Behandlungsmaßnahmen an der Krankheit sterben. Nur durch eine schnell wirksame Verlangsamung des Infektionsgeschehens könne erreicht werden, dass das Gesundheitssystem funktionsfähig bleibe. Danach haben der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems in den Blick genommen, um die von ihnen angenommene Gefahrenlage zu veranschaulichen. Das ist nicht zu beanstanden. Die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems ist ein Indikator für die Dringlichkeit des Ziels, die Verbreitung der übertragbaren Krankheit zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.

51cc) Dass die Verordnung weiteren Zielen gedient hat, die - wie der Antragsteller meint - eine gesonderte Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen erfordern könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.

52b) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassenen Ge- und Verbote gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: u. a. - BVerfGE 121, 317 <350 ff.> = juris Rn. 103 ff., Rn. 109; Beschluss vom - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 177).

53aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts beruhte die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung, wie aus ihrer Begründung hervorging, auf der Gefahreneinschätzung der Weltgesundheitsorganisation und des Robert Koch-Instituts (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 19>). Die Verordnungsbegründung stellte - wie bereits dargelegt - darauf ab, dass die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 eine sehr dynamische und ernstzunehmende Belastung für das Gesundheitssystem darstelle. Würden die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht fortentwickelt und konsolidiert, sei nach wie vor mit einer starken Zunahme von Fallzahlen zu rechnen. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland werde derzeit durch das RKI unverändert als hoch eingeschätzt. Das gelte insbesondere, aber nicht nur, für ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stünden, müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verzögern. Das Oberverwaltungsgericht hat die Einschätzungen des Verordnungsgebers bestätigt und sich hierfür vor allem auf die Risikoeinschätzung und -bewertung des RKI (Stand: ) gestützt (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 19>). Es hat zudem auf die Ad-hoc-Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom verwiesen. Auch diese empfehle nach dem weitgehenden "lock down", Lockerungen mit Bedacht und mit begleitenden Maßnahmen vorzunehmen. Vordringliche Voraussetzung für eine allmähliche Lockerung sei, dass sich die Neuinfektionen auf niedrigem Niveau stabilisierten und das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Infizierte müssten zunehmend identifiziert, Schutzmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, Mund-Nasen-Schutz, Distanzregeln) diszipliniert eingehalten werden (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 20>). Das Oberverwaltungsgericht hat für möglich gehalten, dass bei Verordnungserlass die Belastung des Gesundheitssystems nicht mehr so hoch gewesen sei wie vordem. Der Verordnungsgeber habe aber auf eine hohe Dunkelziffer von Infektionen hingewiesen sowie auf das Fehlen einer Impfung und von Medikamenten. Aus medizinischer Sicht habe sich nur eine moderate Lockerung empfohlen, um das Gesundheitssystem nicht (wieder) zu überlasten (UA Rn. 62, 64).

54Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem - gestützt insbesondere auf den Epidemiologischen Steckbrief des RKI zu SARS-CoV-2 und COVID-19 (Stand: ) - Feststellungen zum Krankheitsbild und zur Übertragung getroffen. Danach manifestiere sich die Erkrankung als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 % der Patienten verlaufe die Erkrankung mild, bei 14 % schwer, und 5 % der Patienten seien kritisch krank. Mögliche Verlaufsformen seien die Entwicklung eines akuten Lungenversagens sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen seien Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens. Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung aufträten und auch bei jüngeren Personen beobachtet worden seien, hätten ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahre) und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, Krebserkrankung, geschwächtes Immunsystem) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation stünden in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung. Die Inkubationszeit betrage im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem Tag bis zu vierzehn Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkranke, liege bei bis zu 86 %. Die Erkrankung sei sehr infektiös, in einem geschätzten Zeitraum von etwa zwei Tagen vor Symptombeginn bis etwa acht Tage danach. Die Übertragung erfolge hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Auch eine Übertragung durch Aerosole und kontaminierte Oberflächen könne nicht ausgeschlossen werden. Schätzungen gingen davon aus, dass sich bis zu 70 % der Bevölkerung in Deutschland mit dem Virus SARS-CoV-2 infizieren könnten. Es sei lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen werde (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 21>).

55bb) Die Feststellungen tragen die vom Verordnungsgeber angenommene Gefährdungslage. Der Antragsteller hat gegen sie keine durchgreifenden Revisionsgründe vorgebracht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Der Verordnungsgeber und das Oberverwaltungsgericht durften sich insbesondere auf die Risikobewertung und weiteren Erkenntnisse des RKI stützen.

56(1) Das RKI ist gemäß § 4 IfSG die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (Absatz 1 Satz 1). Es arbeitet u. a. mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften, mit ausländischen Stellen und internationalen Organisationen sowie mit der Weltgesundheitsorganisation zusammen (Absatz 1 Satz 3, Absatz 3 Satz 1). Zu seinen Aufgaben gehört die Erstellung von Empfehlungen und sonstigen Informationen zur Vorbeugung, Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten (Absatz 2 Nr. 1). Es wertet die Daten zu meldepflichtigen Krankheiten und Nachweisen von Krankheitserregern infektionsepidemiologisch aus (Absatz 2 Nr. 2) und stellt die Ergebnisse der Auswertungen u. a. den obersten Landesgesundheitsbehörden und den Gesundheitsämtern zur Verfügung (Absatz 2 Nr. 3 Buchst. c und d). Das RKI ist eine infektionsepidemiologische Leit- und Koordinierungsstelle (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften <Seuchenrechtsneuordnungsgesetz - SeuchRNeuG>, BT-Drs. 14/2530 S. 45). Durch seine Aufgabe, die Erkenntnisse zu einer übertragbaren Krankheit durch Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren, verfügt es über eine besondere fachliche Expertise bei der Risikoeinschätzung und -bewertung einer übertragbaren Krankheit.

57(2) Danach durfte der Verordnungsgeber die vom RKI zur Verfügung gestellten Erkenntnisse und Bewertungen zu SARS-CoV-2 und COVID-19 wie ein Sachverständigengutachten bei seiner Entscheidung berücksichtigen und den erlassenen Ge- und Verboten zugrunde legen. Auch das Oberverwaltungsgericht durfte seine Feststellungen darauf stützen. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung bleibt ohne Erfolg. Dass das Oberverwaltungsgericht die auf Einholung von Sachverständigengutachten gerichteten Beweisanträge des Antragstellers zum Bestehen eines Infektionsrisikos abgelehnt hat (Beschluss vom ), ist nicht zu beanstanden. Für das Gericht bestand kein Anlass, ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen. Dazu hätte es sich nur veranlasst sehen müssen, wenn die Erkenntnisse und Bewertungen des RKI, auf die sich der Verordnungsgeber gestützt hatte, auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufgewiesen hätten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 B 20.19 - juris Rn. 23, 33 f. und vom - 7 BN 3.19 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 122 Rn. 5 f. m. w. N.). Das Vorliegen solcher Mängel hat der Antragsteller nicht aufgezeigt. Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält. Er muss dessen Beweiswert durch substantiierten Vortrag ernsthaft erschüttern ( 7 BN 3.19 - a. a. O. Rn. 6). Der Antragsteller hat nichts vorgetragen, was die Risikobewertung des RKI nach der maßgeblichen ex ante-Sicht erschüttern könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

58c) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass der Verordnungsgeber die in § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO angeordneten Maßnahmen als geeignet (aa) und erforderlich (bb) ansehen durfte, das mit der Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen.

59aa) Es ist zutreffend davon ausgegangen (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 22>, Rn. 54), dass für die Eignung ausreicht, wenn die Verordnungsregelungen den verfolgten Zweck fördern können. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 121, 317 <354> = juris Rn. 114; Beschluss vom - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185, jeweils m. w. N.; 7 C 9.10 - juris Rn. 34). Es hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Verordnungsgeber wegen der damals in der Fachwissenschaft vorhandenen Ungewissheiten über die Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2 (vgl. UA Rn. 55) ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung zustand (UA Rn. 54; vgl. - juris Rn. 10; Beschluss vom - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185). Die Grenzen dieses Spielraums sind überschritten, wenn die Eignungsprognose des Verordnungsgebers nicht auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht oder wenn das Prognoseergebnis nicht plausibel ist. Ob dies der Fall ist, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Prüfung.

60Danach sind die Annahme des Verordnungsgebers und ihre Bestätigung durch das Oberverwaltungsgericht, die angegriffenen Regelungen seien geeignete Mittel zur Erreichung des Verordnungsziels, nicht zu beanstanden. Sie beruhen nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen auf einer tragfähigen Grundlage (1). Die dagegen gerichtete Verfahrensrüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg (2).

61(1) Das Oberverwaltungsgericht hat - gestützt auf den SARS-CoV-2-Steckbrief des RKI - festgestellt, dass das Virus hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion (UA Rn. 48 <S. 21>, Stand des Steckbriefs: ) bzw. durch Aerosolinfektion (UA Rn. 49, Stand des Steckbriefs: ) übertragen wird. Es hat außerdem festgestellt, dass die Verordnungsregelungen auf der fachwissenschaftlich abgesicherten Grundannahme beruhten, durch eine Reduzierung physischer Kontakte und die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen könne die Ausbreitung des besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert werden (UA Rn. 55). Somit konnte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass Beschränkungen von Kontakten im öffentlichen Raum sowie die Schließungen von Sportstätten einschließlich Golfplätzen und von Gastronomiebetrieben dazu beitragen konnten, die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 zu verlangsamen, da durch diese Maßnahmen physische Kontakte von Menschen reduziert werden konnten. Eine Überschreitung seines Spielraums bei der Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt; das ist auch nicht ersichtlich.

62(2) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller als Verfahrensmangel, dass das Oberverwaltungsgericht seinen Beweisanträgen Nr. 1 bis 9, mit denen er die Ungeeignetheit der angegriffenen Maßnahmen zur Reduzierung des Infektionsrisikos unter Beweis gestellt habe, nicht nachgegangen ist. Der geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor. Die Ablehnung der Anträge durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom ist nicht zu beanstanden. Dass die Beweisanträge Nr. 4, 5, 7 und 8 unbeschieden geblieben seien, trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Beschluss über die "Beweisanträge Nr. 1 bis Nr. 9" und damit auch über diese Anträge entschieden. Die Ablehnung der Anträge ist auch im Übrigen verfahrensfehlerfrei. Das Oberverwaltungsgericht durfte sich für seine Feststellungen zu den Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2 und zu den Wirkungen einer Reduzierung physischer Kontakte insbesondere auf die Erkenntnisse und Bewertungen des RKI stützen (vgl. oben unter <b) bb)>). Es hatte keinen Anlass, ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen. Der Antragsteller hat mit seinen Beweisanträgen nicht substantiiert vorgetragen, aufgrund welcher Tatsachen die Erkenntnisse des RKI zum Übertragungsweg und zur Grundannahme, dass eine Reduzierung physischer Kontakte zu einer Verlangsamung der Virusausbreitung führe, ernstlich in Frage gestellt würden. Auf die fehlende Substantiierung hat auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss abgestellt (vgl. dort Rn. 7 f. und Rn. 17).

63bb) An der Erforderlichkeit einer Regelung fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 203 m. w. N.; 6 C 44.16 - BVerwGE 160, 157 Rn. 26 und vom - 8 C 9.17 - BVerwGE 161, 334 Rn. 21).

64Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der im hier maßgeblichen Zeitraum fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 204). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen ( u. a. - a. a. O. Rn. 205). Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <352> = juris Rn. 35, vom - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 20, vom - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 36 und vom - 7 C 2.20 - BVerwGE 172, 365 Rn. 37 m. w. N.; Beschluss vom - 9 B 6.21 - juris Rn. 16). Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. 3 CN 2.21 - Rn. 17 ff.).

65Danach ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die angegriffenen Verordnungsregelungen seien zur Zweckerreichung erforderlich gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Prognose des Verordnungsgebers, ihm hätten zur Reduzierung der physischen Kontakte keine anderen, gleich wirksamen, aber weniger belastenden Regelungen zur Verfügung gestanden, beruhte nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen auf tragfähigen Annahmen und war plausibel. Die Verfahrensrügen des Antragstellers haben keinen Erfolg.

66(1) Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegt, dass es angesichts der fortbestehenden Unsicherheiten bei der Einschätzung des dynamischen Infektionsgeschehens eine sachgerechte Vorgehensweise des Verordnungsgebers gewesen sei, die Lockerung des "lock down" schrittweise einzuleiten. Anders wären die epidemiologischen Auswirkungen der Lockerungsmaßnahmen nicht im Blick zu behalten gewesen und hätten Gefährdungen für den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens nicht verhindert werden können (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 22>). Zwar seien bei Erlass der Verordnung ausreichend Krankenhausbetten und insbesondere Intensivbetten für die Behandlung von COVID-19-Erkrankten verfügbar gewesen, so dass kein Kapazitätsengpass zu besorgen gewesen sei. Diese Prognose habe nach sachverständiger Einschätzung allerdings nur gegolten, wenn auf die Lockerung nicht wieder ein exponentieller Anstieg der Neuinfektionen folgen würde (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 23>). Für die Strategie der schrittweisen Lockerungsmaßnahmen habe sich der Verordnungsgeber auf die wissenschaftlichen Handlungsempfehlungen des RKI und der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Leopoldina stützen können (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 20>, Rn. 57).

67Danach erweist sich die Einschätzung des Verordnungsgebers, in Anbetracht der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit in Sachsen zwar die Ausgangsbeschränkungen aufheben zu können (vgl. Begründung zur Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom , Allgemeiner Teil), auf die in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO geregelten Kontaktbeschränkungen zur Reduzierung der physischen Kontakte jedoch nicht verzichten zu können, als plausibel. Dass es insoweit eine gleich wirksame, aber mit geringeren Grundrechtseinschränkungen verbundene Maßnahme gegeben hätte, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Ein Schutz durch Impfung stand nicht zur Verfügung. Dass der Verordnungsgeber Verhaltens- und Hygieneregeln für Kontakte im öffentlichen Raum nicht als gleich wirksame Maßnahmen angesehen hat, ist plausibel (vgl. zur Erforderlichkeit der Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom : u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210).

68(2) In Bezug auf die Erforderlichkeit der Schließung von Sportstätten einschließlich Golfplätzen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsCoronaSchVO) ist das Oberverwaltungsgericht gleichfalls beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass der Verordnungsgeber den ihm zustehenden tatsächlichen Einschätzungsspielraum nicht überschritten hat.

69Nach der Begründung zu § 4 SächsCoronaSchVO hatte der Verordnungsgeber die Schließung von (u. a.) Sportstätten weiterhin für erforderlich gehalten, weil bei diesen Einrichtungen "aufgrund der Nähe der im üblichen Betrieb anwesenden Menschen zueinander sowie aufgrund der durchschnittlichen Dauer ihres Verbleibs regelmäßig ein hohes Infektionsrisiko" bestehe. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, es spreche Einiges dafür, dass aufgrund der Weiträumigkeit von Golfplätzen die Ansteckungsgefahr im Vergleich zu Hallensport weitgehend vermindert werden könne. Allerdings gehörten auch zu Golfplätzen Bereiche, die von einer Vielzahl von Spielern zusammen aufgesucht würden (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 23>). Dass es auf Golfplätzen Bereiche gibt, wo Spieler/Spielerinnen zusammenkommen, hat das Oberverwaltungsgericht für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Verfahrensrüge hat der Antragsteller insoweit nicht erhoben. Die Tatsachenwürdigung ist auch nicht willkürlich. Auch der Golfplatz ist eine Einrichtung, die auf eine gemeinsame Nutzung durch die Sporttreibenden angelegt ist. Die Annahme, dass es dort vermehrt - eher als beim Sport im Freien außerhalb von Einrichtungen - zu Begegnungen und physischen Kontakten von Menschen kommen konnte und dass auch Kontakte im Freien zu Ansteckungen führen konnten (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 193 f.; Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1295/21 - juris Rn. 23), ist vom Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers gedeckt. Danach ist seine Prognose, dass andere Maßnahmen - wie eine Beschränkung der Nutzung auf den Außenbereich, eine Maskenpflicht oder eine Begrenzung der Nutzerzahl - der angeordneten Schließung in ihrer Wirksamkeit nicht gleichkommen würden, nicht zu beanstanden. Sie war ausgehend von den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen zur damaligen Erkenntnislage für den hier zu beurteilenden Zeitraum (noch) plausibel.

70(3) In Bezug auf Gastronomiebetriebe hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dort gebe es aufgrund der besonderen räumlichen Nähe von Gästen und Personal ein besonders hohes Ansteckungsrisiko für eine Tröpfcheninfektion bzw. eine Aerosolinfektion. Zudem bestehe gerade in "Szene-Vierteln" die Gefahr größerer Menschenansammlungen (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 23>). Danach konnte der Verordnungsgeber plausibel annehmen, dass selbst ein anspruchsvolles Hygienekonzept nicht ebenso wirksam zur Verlangsamung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von COVID-19 hätte beitragen können wie die in § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO angeordnete Schließung von Gastronomiebetrieben. Der Einwand des Antragstellers, eine Beschränkung der Gastronomie auf den Außenbereich, gegebenenfalls flankiert von einer Begrenzung der Gästezahl und einem Alkoholverbot, wäre gleich wirksam gewesen, stellt die Plausibilität der Prognose des Verordnungsgebers nicht in Frage. Dass eine solche Regelung zur Zweckerreichung gleich wirksam gewesen wäre, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Seine Tatsachenwürdigung ist auch nicht willkürlich. Masken können beim Essen und Trinken nicht getragen werden, Abstandsregeln können bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden.

71(4) Der Verordnungsgeber hat die Grenzen seines tatsächlichen Einschätzungsspielraums nicht dadurch überschritten, dass er die beanstandeten Maßnahmen ohne regionale Differenzierung landeseinheitlich angeordnet hat. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sollte damit verhindert werden, dass es zu einem Ausweichverhalten in der Bevölkerung komme mit der Folge, dass Infektionsherde auch in bislang weniger betroffene Regionen "eingeschleppt" würden. Zudem habe der Verordnungsgeber Wettbewerbsverzerrungen vorbeugen wollen. Außerdem sei eine flächendeckende Ausbreitung der Infektionslage festzustellen gewesen, und ein Nachvollziehen der Infektionen habe sich wegen nicht bekannter Infektionsketten als schwierig dargestellt (UA Rn. 59). Danach war die Einschätzung des Verordnungsgebers, eine andere als eine landesweit einheitliche Regelung wäre zur Zweckerreichung weniger wirksam gewesen, plausibel.

72(5) Die Rüge des Antragstellers, das Oberverwaltungsgericht sei seinen Beweisanträgen Nr. 1 bis 9 fehlerhaft nicht nachgegangen, greift - wie bereits ausgeführt - nicht durch. Das gilt auch, soweit er mit den Anträgen unter Beweis gestellt hat, dass dem Verordnungsgeber gleich wirksame Alternativmaßnahmen zur Zweckerreichung zur Verfügung gestanden hätten. Die Beweisanträge sind auch in dieser Hinsicht nicht hinreichend substantiiert.

73Seine weitere Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Beweisantrag Nr. 12 zu Unrecht abgelehnt, hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Ablehnung des beantragten Zeugenbeweises mit der Begründung, die unter Beweis gestellte Tatsache sei nicht entscheidungserheblich, ist nicht verfahrensfehlerhaft. Der Antragsteller hat die Tatsache unter Beweis gestellt, der Antragsgegner habe es im Zeitraum vom bis zum Erlass der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom unterlassen, Daten zur Wirksamkeit der angegriffenen Verordnungsregelungen zusammenzutragen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Empfehlungen des RKI eine ausreichende Grundlage für die Anordnung der Maßnahmen gewesen seien und es daher nicht darauf ankomme, ob der Antragsteller weitere Ermittlungen angestellt habe (Beschluss vom Rn. 15). Das ist nicht zu beanstanden.

74d) Das Oberverwaltungsgericht hat auch im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass die Verordnungsregelungen verhältnismäßig im engeren Sinne waren.

75aa) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. u. a. - juris Rn. 119 m. w. N.). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 22>).

76bb) Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht die in § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO angeordneten Kontaktbeschränkungen als verhältnismäßig im engeren Sinne angesehen hat.

77Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf die Beschränkungen von Kontakten im privaten und im öffentlichen Raum nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 802) entschieden, dass die Kontaktbeschränkungen verhältnismäßig im engeren Sinne waren ( u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 215 ff.). Für die Beschränkungen des Aufenthalts im öffentlichen Raum nach § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO ergibt sich nichts Anderes.

78(1) Sie waren ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) der Betroffenen (vgl. zu den Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG: u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 219 ff.). Der Verordnungsgeber hat aber für Milderungen der Eingriffe gesorgt, indem ein gemeinsamer Aufenthalt in Begleitung der Partnerin/des Partners bzw. mit Angehörigen des eigenen Hausstandes oder mit einer weiteren Person möglich war. Kontakte zur Ausübung des Sorge- und Umgangsrechts blieben gestattet. Das betraf nach der für das Revisionsverfahren bindenden Auslegung der Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) auch das Umgangsrecht von Großeltern mit ihren Enkeln (§ 1685 BGB). Das Gericht hat zugrunde gelegt, dass die Gestattung des Aufenthalts im öffentlichen Raum zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts alle Handlungen erfasste, die sich auf eine Wahrnehmung dieser Rechte stützten; im Zweifel habe die Vorschrift großzügig ausgelegt werden müssen (UA Rn. 72).

79Dass das Gewicht der Grundrechtseingriffe durch zeitlich vorausgehende vergleichbare Maßnahmen mitbestimmt werden kann und dass die Auswirkungen der durch die Kontaktbeschränkungen hervorgerufenen Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung durch zeitgleich geltende weitere Ge- und Verbote zur Bekämpfung der Pandemie verstärkt werden können (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 223 f.), hat das Oberverwaltungsgericht berücksichtigt. Es hat festgestellt, dass es sich um die "zweite derartige Verordnung" gehandelt habe und die Maßnahmen einschließlich des vorhergehenden Zeitraums insgesamt knapp sechs Wochen gegolten hätten (UA Rn. 68 ff.). Nachfolgende Verordnungen musste es bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nicht berücksichtigen. Der hier maßgebliche Beurteilungszeitraum endete mit dem Außerkrafttreten der angegriffenen Verordnung mit Ablauf des .

80(2) Den durch die Kontaktbeschränkungen bewirkten schwerwiegenden Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber, zu deren Wahrung bei Erlass der Verordnung und während ihrer Geltung dringlicher Handlungsbedarf bestand. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; stRspr, vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.). Die Kontaktbeschränkungen waren nach dem - plausiblen - Schutzkonzept des Verordnungsgebers das zentrale Mittel zur Zielerreichung (vgl. Verordnungsbegründung, Besonderer Teil, zu § 2). Ein Impfschutz oder eine spezifische Medikation standen in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung. Bei Erlass der Verordnung war nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von einer hohen Gefährdungslage auszugehen. Der Verordnungsgeber durfte annehmen, dass es zu einem exponentiellen Anwachsen von Infektionen oder ihrem erneuten Anstieg kommen würde, wenn er nicht zeitnah effektive Schutzmaßnahmen ergreifen würde (UA Rn. 56).

81(3) Der Verordnungsgeber hat für den zu beurteilenden Zeitraum bei der Ausgestaltung der Kontaktbeschränkungen einen angemessenen Ausgleich zwischen den mit der Maßnahme verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 232, 234). In Bezug auf die zu berücksichtigende Geltungsdauer dieser und der zeitlich vorausgehenden Maßnahmen von insgesamt knapp sechs Wochen hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, die Intensität der Grundrechtseingriffe sei damit nicht in einem Maß verstärkt worden, das die Kontaktbeschränkungen als unverhältnismäßig erscheinen lasse (UA Rn. 70). Das ist nicht zu beanstanden. Schließlich durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass sich die Kontaktbeschränkungen auch nicht in Ansehung der zusätzlichen Belastungen durch zeitgleich geltende weitere Maßnahmen als unzumutbar darstellten.

82cc) Hinsichtlich der in § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließung von Gastronomiebetrieben hat das Oberverwaltungsgericht die Abwägung des Verordnungsgebers gleichfalls nicht beanstandet. Es hat angenommen, dass die Maßnahme mit dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) vereinbar und noch verhältnismäßig sei. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Betriebsschließungen sei in den Blick zu nehmen, dass die betroffenen Betriebe gravierende wirtschaftliche Einbußen erlitten oder sogar in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Das Gewicht des Eingriffs werde allerdings durch finanzielle staatliche Hilfsprogramme gemildert. Auch die wirtschaftlichen Folgen für Arbeitnehmer durch mögliche Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust seien in die Abwägung einzustellen. Zudem seien für die Volkswirtschaft im Freistaat Sachsen erhebliche Folgen zu befürchten. Auf der anderen Seite habe der Verordnungsgeber davon ausgehen dürfen, dass die Maßnahme Gemeinwohlbelangen von überragender Bedeutung diene. Dem Gewicht der Grundrechtseingriffe stünden die ebenfalls gravierenden Folgen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen gegenüber, die vom Virus SARS-CoV-2 und von COVID-19 betroffen werden könnten. Die Maßnahme unterliege der Verpflichtung des Verordnungsgebers zur fortlaufenden Überprüfung insbesondere darauf, ob sie im Hinblick auf die Verlangsamung der Verbreitung des Virus wirksam sei und wie sich die Schließungen für die betroffenen Betriebe auswirkten. Dieser Verpflichtung sei der Verordnungsgeber nachgekommen (UA Rn. 49 i. V. m. Rn. 48 <S. 22 f.>, Rn. 65 ff.).

83Der Antragsteller hat insoweit keinen Revisionsgrund aufgezeigt. Durchgreifende Bedenken gegen die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Angemessenheit der Verordnungsregelung sind auch nicht erkennbar. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom - 1 BvR 1295/21 -, mit dem es die Verfassungsbeschwerde einer Gastronomin gegen das Verbot der Öffnung von Gaststätten nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 IfSG i. d. F. des Gesetzes vom nicht zur Entscheidung angenommen hat, bestätigt, dass die Schließung von gastronomischen Einrichtungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhältnismäßig im engeren Sinn sein kann. Es hat den Eingriff in die Berufsfreiheit als gerechtfertigt angesehen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat es der Regelung ein erhebliches Eingriffsgewicht bescheinigt, das allerdings durch die staatlichen Hilfsprogramme für die von den Schließungen betroffenen Betriebe gemindert worden sei. Dem Eingriff in die Berufsfreiheit sei gegenüberzustellen, dass angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens im April 2021 eine besondere Dringlichkeit bestanden habe, zum Schutz der überragend bedeutsamen Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems tätig zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Abwägung des Gesetzgebers nicht beanstandet. Die Vorschrift und die sie begleitenden staatlichen Hilfsprogramme hätten für einen hinreichenden Ausgleich zwischen den verfolgten besonders bedeutsamen Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen gesorgt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht belastungsmindernd berücksichtigt, dass der Außer-Haus-Verkauf sowie die Lieferung von Speisen und Getränken möglich blieben und die Regelung befristet war (vgl. - juris Rn. 19 ff.). Es ist nicht ersichtlich, warum für die hier in Rede stehende Maßnahme aus der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne anders zu beurteilen sein sollte. Das gilt auch, soweit Gäste von Gastronomiebetrieben durch § 5 Satz 1 SächsCoronaSchVO in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein könnten.

84dd) Für die Verhältnismäßigkeit der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsCoronaSchVO angeordneten Schließung von Sportstätten einschließlich Golfplätzen ergibt sich nichts Abweichendes. Dass der Verordnungsgeber insoweit noch keine Lockerung vorgesehen hatte, ist nicht zu beanstanden. Er durfte davon ausgehen, dass die Schließung von Sportstätten weiterhin einen nennenswerten Beitrag zur Zweckerreichung leisten konnte und daher nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stand. Dass er die Schließung von Golfplätzen in der Zusammenschau mit der Schließung anderer Sportstätten bewertet hat, ist nicht zu beanstanden (vgl. u. a. - BVerfGE 159, 355 Rn. 154).

85ee) Die Rüge des Antragstellers, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Beweisantrag Nr. 11 zu Unrecht abgelehnt, hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des beantragten Zeugenbeweises mit der Begründung, die unter Beweis gestellte Tatsache sei nicht entscheidungserheblich (Beschluss vom Rn. 12 f.), ist nicht verfahrensfehlerhaft. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Verordnungsgeber erst noch zu erlassende, zeitlich nachfolgende Maßnahmen nicht in seine Abwägung einstellen musste. Das ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden. Danach war unerheblich, ob der Verordnungsgeber bei Erlass der angegriffenen Verordnung davon ausgegangen war, dass kontaktbeschränkende Maßnahmen über den Geltungszeitraum der Verordnung hinaus angeordnet würden.

865. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO hinsichtlich der Regelung zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts hinreichend bestimmt war. Wie bereits ausgeführt, erfasste die Regelung nach der verbindlichen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht alle Handlungen, die sich auf eine Wahrnehmung der Sorge- und Umgangsrechte stützen konnten. Eine Verkennung der Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht zu erkennen. Die Voraussetzungen der Sorge- und Umgangsrechte und ihre Reichweite bestimmen sich nach den einschlägigen familienrechtlichen Vorschriften. Bestand danach ein Sorge- oder Umgangsrecht, war zu dessen Wahrnehmung gemäß § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO der Aufenthalt im öffentlichen Raum gestattet. Dass die familienrechtlichen Vorschriften nicht hinreichend bestimmt wären, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.

87Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:221122U3CN1.21.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-34973