BGH Beschluss v. - 3 StR 427/22

Instanzenzug: Az: 18 KLs 7/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten M.      wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 169 Fällen unter Einbeziehung zweier zuvor verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten sowie wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 177 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Den Angeklagten U.    hat es wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 63 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt sowie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten M.      in Höhe von 316.769,60 € und gegen den Angeklagten U.    in Höhe von 57.002,40 € angeordnet. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen - und der Angeklagte U.    zudem formellen - Rechts. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

2I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fasste ein Mitangeklagter den Entschluss, an Unternehmen Schreiben zu versenden, die nach ihrem Erscheinungsbild den Anschein einer amtlichen Rechnung für eine kürzlich vorgenommene Handelsregistereintragung erweckten. Dadurch sollten die getäuschten Empfänger zur Zahlung an hierfür gegründete Scheinunternehmen veranlasst werden. Der Mitangeklagte setzte seinen Plan sukzessive mit weiteren Personen um, die durch organisiertes und arbeitsteiliges Vorgehen eine unbestimmte Zahl entsprechender Taten begehen und sich hierdurch eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle verschaffen wollten. Auch die Angeklagten beteiligten sich daran.

3Der Angeklagte M.      gründete die S.  GmbH, unter deren Namen 155 Schreiben zwischen dem und dem versandt wurden. Diese vermeintlichen Rechnungen erstellte grundsätzlich der Mitangeklagte, bei dessen Abwesenheit auch der Angeklagte M.     . Auf die darin genannten Konten wurden über 140.000 € überwiesen. Der Angeklagte M.      hob die Zuflüsse täglich ab und teilte sie bei gemeinsamen Treffen mit dem Mitangeklagten auf. Zudem war er Kontaktperson zwischen dem Mitangeklagten und drei weiteren Personen, die als Geschäftsführer jeweils einer GmbH in dem Gesamtkomplex tätig wurden. Über diese drei Gesellschaften wurden zumindest 191 Schreiben versandt und über 175.000 € erlangt. In Bezug auf ein von einem Mittäter eröffnetes Bankkonto wurden einige Abhebungen zurückgewiesen.

4Unabhängig vom Angeklagten M.      schloss sich der Angeklagte U.    mit dem führenden Mitangeklagten sowie einer anderen Person zusammen und ließ sich als Geschäftsführer einer weiteren GmbH eintragen. Auf unter deren Namen versandte 63 Schreiben wurden rund 57.000 € überwiesen. Da die Banken bereits von der Polizei in Kenntnis gesetzt worden waren, kam es nur zu wenigen erfolgreichen Bargeldabhebungen des Angeklagten U.    .

5II. Die Revisionen der Angeklagten sind weitgehend erfolgreich und führen zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der zugehörigen Feststellungen.

61. Die Verurteilungen der Angeklagten haben keinen Bestand, weil die getroffenen Feststellungen die Schuldsprüche wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in insgesamt 346 Fällen (Angeklagter M.     ) beziehungsweise 63 Fällen (Angeklagter U.    ) in konkurrenzrechtlicher Hinsicht nicht tragen und daher zugleich den Rechtsfolgenentscheidungen die Grundlage entzogen ist.

7a) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die Angeklagten 346 beziehungsweise 63 in Tatmehrheit zueinander stehende einzelne Taten (§ 53 Abs. 1 StGB) begingen.

8aa) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 49, 177, 182 f.; Beschlüsse vom - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 20; vom - 3 StR 302/16, wistra 2017, 231 Rn. 6 mwN).

9bb) Hieran gemessen ergeben sich keine individuellen Beiträge der Angeklagten zu jeder einzelnen der angenommenen 346 beziehungsweise 63 Taten.

10Als solche Förderung kommt in Bezug auf den Angeklagten M.      zwar das Erstellen und Versenden der vermeintlichen Rechnungsschreiben bei Abwesenheit des Mitangeklagten in Betracht. Allerdings fehlen dazu konkrete Feststellungen, wie häufig und auf welche Weise der Angeklagte M.      entsprechend tätig wurde. Das Gleiche gilt insofern, als die beiden Angeklagten dem maßgeblichen Mittäter zudem die Nummern von sieben beziehungsweise sechs speziell eingerichteten Zielkonten mitteilten, damit dieser sie in die Schreiben aufnehmen konnte. Im Übrigen liegt fern, dass sich daraus jeweils ein individueller Beitrag zu jeder einzelnen der abgeurteilten Taten ergeben könnte.

11Soweit die Angeklagten nach Beendigung der jeweiligen Betrugstat Aktivitäten entfalteten, diente dies nicht mehr der konkreten Tatbegehung. Der Betrug ist beendet, wenn der Vermögensvorteil für den Täter endgültig eingetreten ist (vgl. , juris Rn. 23 mwN). Dies ist der Fall, wenn der Betrag auf dem Zielkonto des Täters gutgeschrieben ist und der Geschädigte keine Möglichkeit mehr hat, den Täter daran zu hindern, hierüber zu verfügen (s. , BGHR StGB § 263 Abs. 1 Beendigung 2 Rn. 17-19 mwN). Mithin ist nicht ersichtlich, dass die Angeklagten durch die Abhebung überwiesener Beträge oder später noch die jeweilige Straftat fördern konnten.

12b) Demnach sind die Verurteilungen der Angeklagten aufzuheben. Eine Änderung der - für sich genommen, von der konkurrenzrechtlichen Bewertung abgesehen, auf die Sachrüge nicht zu beanstandenden - Schuldsprüche durch das Revisionsgericht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO analog kommt nicht in Betracht. Weitergehende tatgerichtliche Feststellungen zu etwaigen einzeltatbezogenen Förderungshandlungen der Angeklagten sind nicht ausgeschlossen, zumal das Landgericht solche bislang nicht näher in den Blick genommen hat. Beispielsweise erscheint es möglich, dass eine etwaige Eröffnung einzelner Konten sowie gesonderte Weitergabe der entsprechenden Daten an den Mittäter jeweils einen Beitrag zu einer Reihe bestimmter Taten darstellen könnte.

132. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche entfallen die darauf beruhenden Strafaussprüche und die Einziehungsanordnungen gegen die Angeklagten. Indes können die Feststellungen bestehen bleiben, da das Landgericht sie - wie vom Generalbundesanwalt näher ausgeführt - ohne Rechtsfehler getroffen hat. Diese ergänzende Feststellungen sind möglich und geboten.

14Weil die Urteilsaufhebungen auf der konkurrenzrechtlichen Bewertung der individuellen Tatbeiträge der Angeklagten beruhen, scheidet eine Erstreckung der Aufhebung auf Mitangeklagte (§ 357 Satz 1 StPO) aus.

153. Das neue Tatgericht wird zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte M.      bereits wegen versuchten Betruges durch ein am versandtes Schreiben der S.  GmbH mit einer Geldstrafe belegt wurde und insofern hinsichtlich des hier zu beurteilenden Lebenssachverhalts je nach den weiteren Umständen teilweise eine prozessuale Tat zu erwägen sein könnte, die einen Strafklageverbrauch zur Folge hätte (vgl. , NStZ 2020, 691 Rn. 10 ff. mwN). Zudem besteht bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen insgesamt Gelegenheit, näher in den Blick zu nehmen und darzulegen, ob die Angeklagten insbesondere in denjenigen bislang nicht näher konkretisierten Fällen die faktische Verfügungsgewalt über die überwiesenen Beträge erlangten (s. allgemein etwa , NJW 2022, 3092 Rn. 11 mwN), in denen Abhebungen von den Konten nicht möglich waren (vgl. zur davon unabhängigen Tatvollendung , BGHR StGB § 263a Konkurrenzen 2 Rn. 14 mwN; anders bei Taten zu Lasten der kontoführenden Bank BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119 Rn. 47; vom - 4 StR 669/11, wistra 2012, 267 Rn. 16).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:240123B3STR427.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-34723