Neues Strafurteil: Besonderes Begründungserfordernis bei Verhängung einer identischen Strafe durch den neuen Tatrichter nach Urteilsaufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht
Gesetze: § 46 Abs 1 StGB, § 267 StPO, § 349 Abs 4 StPO
Instanzenzug: LG Aurich Az: 11 KLs 45/20nachgehend Az: 3 StR 470/23 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom (3 StR 398/21) das Urteil unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch aufgehoben, weil das Landgericht bei der Bemessung der Strafe die dem Angeklagten möglicherweise drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO nicht in den Blick genommen hatte.
2Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
3Das Urteil hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
41. Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten aufgehoben und trifft das neue Tatgericht Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen Licht erscheinen lassen, hält es aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat es seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Strafzumessung. Jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen nun gleich hoch bestraft wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 196/20, juris Rn. 6; vom - 3 StR 416/15, StV 2017, 34 Rn. 4; vom - 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207; vom - 3 StR 439/12, NStZ-RR 2013, 113 mwN; vom - 5 StR 194/08, wistra 2008, 386, 387; vom - 4 StR 149/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 13; vom - 2 StR 296/82, NJW 1983, 54). Gleiches gilt für den Fall, dass sich die mildere Beurteilung aus einem im zweiten Verfahrensgang erstmals festgestellten schuldmildernden Umstand ergibt (, StV 1991, 19).
5Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat keine Begründung für die Verhängung gleich hoher Strafen gegeben, obwohl es nunmehr zu Gunsten des Angeklagten angenommen hat, dass gegen ihn anwaltsgerichtliche Maßnahmen verhängt werden. Darüber hinaus hat es ausdrücklich ausgeführt, es habe „in besonderem Maße strafmildernd“ berücksichtigt, dass dem Angeklagten der Verlust seiner beruflichen und/oder wirtschaftlichen Basis droht. Trotz dieser - auch aus Sicht der Strafkammer - bedeutsamen neuen Strafmilderungsgründe lassen die Erwägungen zur Strafzumessung nicht erkennen, aus welchen Gründen das Landgericht dennoch auf eine gleich hohe Strafe wie im früheren Urteil erkannt hat.
6Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben; jedoch können die - ergänzend getroffenen - Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
72. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Alternative 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:110123B3STR445.22.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-34070