BGH Urteil v. - 3 StR 245/22

Instanzenzug: Az: 8 KLs 22/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen und von einer Entscheidung über einen gegen ihn gerichteten Adhäsionsantrag abgesehen. Die beiden Mitangeklagten hat es zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen den Freispruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2Die Strafkammer hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Angeklagte und die Mitangeklagten W.    und F.     waren seit Jahren untereinander befreundet. Als alle drei gemeinsam in W.    s Auto umherfuhren, fassten die Mitangeklagten den Plan, den Wohnwagen anzuzünden, den ein ihnen unliebsamer Bekannter dauerhaft mit seiner Ehefrau als Unterkunft nutzte. Menschenleben wollten sie dabei nicht gefährden.

4Der Wohnwagen stand auf einem kameraüberwachten Gelände. Dorthin fuhren die Angeklagten, nachdem F.     das Ehepaar telefonisch unter einem Vorwand von dort weggelockt hatte. Er hatte Industrieteppichreiniger dabei, den die Mitangeklagten zu entzünden versuchten. Als dies nicht richtig gelang, fuhren die Angeklagten zu einer Tankstelle, wo W.    als neuen Brandbeschleuniger Benzin in eine PET-Flasche abfüllte. Nach Rückkehr parkte er den Wagen außerhalb des Abstellgeländes. Dort nahm der Angeklagte die Flasche in Kenntnis des Tatplans auf W.    s Geheiß aus dem Beifahrerfußraum und stellte sie auf die Straße. W.    ergriff sie, und alle drei begaben sich zu Fuß erneut zum Wohnwagen. Durch einen Blick ins Fenster vergewisserten sie sich, dass sich keine Personen darin aufhielten. Ein Versuch der Mitangeklagten, den Wohnwagen mit benzingetränktem Toilettenpapier anzuzünden, scheiterte im Folgenden zunächst ebenfalls.

5Die Angeklagten gingen daraufhin zurück zur Straße. Nun „versuchten“ beziehungsweise „begannen“ der Angeklagte und F.    , die Nummernschilder von W.    s Fahrzeug mit Küchenrollenpapier zu verdecken. Anschließend fuhren alle drei mit dem Wagen auf das Gelände. Dort tränkten die Mitangeklagten erneut Toilettenpapier mit dem Benzin, entzündeten dieses und damit schließlich den Wohnwagen. Er brannte ebenso vollständig aus wie 13 umstehende Neufahrzeuge. Es entstand ein Sachschaden von etwa 400.000 €.

62. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte sich an der Tatbegehung nicht beteiligt habe. Das Herausnehmen der PET-Flasche aus W.    s Wagen sei für die Brandlegung objektiv nicht förderlich gewesen und stelle auch keine psychische Unterstützung der ohnehin tatentschlossenen Mitangeklagten dar. Jedenfalls sei zweifelhaft, ob der Angeklagte sich vorgestellt habe, dass sein Verhalten zur Förderung oder Erleichterung der Haupttat geeignet gewesen sei. Das Verdecken der Nummernschilder weise ebenfalls keinen Bezug zur Brandstiftung auf. Es sei dem Angeklagten nicht zu widerlegen gewesen, dass er dadurch nicht die angeklagte Tat, sondern einen späteren Tankbetrug habe verschleiern wollen.

II.

7Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

81. Das Landgericht hat den Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen seine Kognitionspflicht verstoßen (zu den insoweit nach st. Rspr. zu beachtenden Grundsätzen und Maßstäben s. , NJW 2022, 2349 Rn. 9 mwN). Es hat außer Acht gelassen, dass das Verdecken der Kennzeichen neben der Beihilfe zu einem Brandstiftungsdelikt einen weiteren Straftatbestand erfüllt haben könnte. In Betracht kommt insoweit jedenfalls ein Kennzeichenmissbrauch gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Ein solcher liegt vor, wenn ein Täter in rechtswidriger Absicht die Ablesbarkeit des amtlichen Nummernschilds erschwert (Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., § 22 StVG Rn. 9 mwN). Ob den Angeklagten dies gelang - ein Versuch des Delikts ist nach § 23 Abs. 1 StGB straflos -, lässt das Urteil offen. Das neue Tatgericht wird hierzu gegebenenfalls präzisere Feststellungen zu treffen haben.

9Das Verdecken der Kennzeichen zur Verschleierung eines Tankbetrugs ist auch vom angeklagten Tatgeschehen umfasst. Es bildet mit dem in der Anklage dargestellten Handlungsverlauf ein einheitliches Vorkommnis und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO. Tatort, Tatzeit, Tathandlung sowie die dem Täterverhalten innewohnende Zweckbestimmung der Verdeckung einer Straftat und damit diejenigen individuellen Merkmale, die den Vorfall als einmaliges, unverwechselbares Geschehen kennzeichnen, wären auch dann gleich, wenn die Angeklagten tatsächlich allein einen Tankbetrug hätten vorbereiten wollen.

10Darauf, ob das (versuchte) Verdecken des eigenen Nummernschilds außerdem - und damit gegenüber § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG vorrangig - eine (versuchte) Urkundenunterdrückung nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 StGB darstellt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom - 3 Ss 350/19,NStZ 2020, 619 Rn. 8 f.; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 274 Rn. 5; BeckOK StVR/Bollacher, StGB, 17. Ed., § 274 Rn. 4.1; aA MüKoStGB/Erb, 4. Aufl., § 274 Rn. 10 mwN; zweifelnd Krack, NStZ 2000, 423 f.), kommt es danach für den Erfolg der Revision nicht mehr an.

11Gleiches gilt für die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zusätzlich aufgezeigten Beanstandungen, es fehle dem Urteil an einer umfassenden Darstellung der Einlassung des Angeklagten, seiner persönlichen Verhältnisse sowie seiner Vorstrafen.

122. Die getroffenen Feststellungen sind aufzuheben, weil sie den Angeklagten belasten und er sie mangels Beschwer nicht hat angreifen können (vgl. etwa , NStZ 2022, 109 Rn. 37 mwN).

133. Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:

14a) Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird den Fall insgesamt neu zu verhandeln, eigene Feststellungen zu treffen und eine eigenständige Subsumtion unter sämtliche in Betracht kommenden Straftatbestände vorzunehmen haben.

15Die bisher getroffenen Feststellungen zum Umgang des Angeklagten mit der PET-Flasche und zur gemeinsamen Nachschau im Campingwagen legen eine Beihilfe zur Haupttat jedenfalls nahe. Ein an sich harmloses, im persönlichen Umgang sozialadäquates Verhalten kann seinen Alltagscharakter verlieren, wenn der Haupttäter es sich für die Begehung einer strafbaren Handlung zunutze macht und der Hilfeleistende das positiv weiß (vgl. die st. Rspr. zur Beihilfe durch sog. neutrale Handlungen wie berufstypisches Verhalten, etwa , wistra 2014, 176 Rn. 26 ff. mwN). Der deliktische Sinnbezug (vgl. LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 27 Rn. 18) kann hier daraus zu folgern sein, dass W.    den Angeklagten explizit zur Herausnahme der PET-Flasche aus dem Wagen aufgefordert hatte und beide Handlungen - „Anreichen“ der Flasche und Blick durch das Wohnwagenfenster - ohne die geplante Brandlegung keinen Sinn ergeben hätten. Soweit das Landgericht die subjektiven Voraussetzungen einer Beihilfe angezweifelt hat, ist anzumerken, dass der Angeklagte nach den bisher getroffenen Feststellungen um die beabsichtigte Verwendung des Benzins zum Entzünden des Campingwagens sowie den Plan, dabei kein Menschenleben gefährden zu wollen, sicher wusste. Er hatte somit nach den bisherigen Feststellungen keinen Anlass, davon auszugehen, dass er W.    mit seinem Verhalten nicht bei der Brandlegung unterstützte. Auf die Geringfügigkeit der Hilfestellung kommt es auf Tatbestandsebene nicht an.

16Daneben wird gegebenenfalls zu erwägen sein, dass auch der omnimodo facturus in seinem Entschluss noch innerlich bestärkt werden kann (st. Rspr.; s. etwa , NStZ 2015, 179). Die vom Landgericht verwendete Formulierung, im Verhalten des Angeklagten sei keine psychische Unterstützung der „ohnehin tatentschlossenen“ Mitangeklagten zu erblicken, lässt besorgen, dass es dies aus dem Blick verloren hat.

17b) Entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Rechtsansicht hat das nunmehr berufene Tatgericht über den Adhäsionsantrag nicht von Amts wegen neu zu entscheiden. Soweit die Strafkammer diesen wegen des Freispruchs für unbegründet gehalten und nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung über ihn abgesehen hat, ist ihr Erkenntnis vom Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht umfasst. Der straf- und der zivilrechtliche Teil des Urteils bilden unterschiedliche Prozessgegenstände (, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 10 Rn. 5 f.). Mit Ausnahme der in § 406a Abs. 3 StPO geregelten Konstellation beeinflusst eine Revision der Staatsanwaltschaft den zivilrechtlichen Teil des Urteils nicht (vgl. , BGHSt 3, 210, 211 f.; vom - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96 Rn. 28; Beschluss vom - 5 StR 456/15, BGHR StPO § 404 Abs. 5 Prozesskostenhilfe 2 Rn. 6; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl., § 406a Rn. 3 mwN).

18Strafgerichtliche Erkenntnisse über Adhäsionsanträge erwachsen nur insoweit in materielle Rechtskraft, als ihnen stattgegeben wird. Sieht das Gericht - wie hier - nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung über den Antrag ab, tritt zu Ungunsten des Adhäsionsklägers keine wie auch immer geartete Rechtskraft ein (, NJW 2020, 3774 Rn. 28). In solchen Fällen kann der Verletzte den Anspruch vielmehr gemäß § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO „anderweit“ geltend machen. Hierfür ist er nicht auf einen dem Strafprozess nachfolgenden Zivilprozess verwiesen. Er kann seine Forderung ebenso im Verfahren nach der Zurückverweisung durch das Revisionsgericht erneut zur strafgerichtlichen Entscheidung stellen (, NStZ-RR 2019, 320, 321; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 406 Rn. 6 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:151222U3STR245.22.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-33585