Zur umsatzsteuerlichen Lieferung von Wärme eines Blockheizkraftwerks
Leitsatz
NV: Müssen aufgrund einer unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk die Selbstkosten auf den Strom und die Wärme aufgeteilt werden, hat die Aufteilung im Regelfall nicht nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh), sondern nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) zu erfolgen (Anschluss an die , BFHE 275, 392; vom - V R 34/20, BFH/NV 2022, 1013; entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE).
Gesetze: UStG § 10 Abs. 4; UStG § 3 Abs. 1b;
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung der unentgeltlichen Abgabe von Wärme an die beiden Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) in den Jahren 2008 bis 2013 (Streitjahre).
2 Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom errichtete KG, deren Zweck die Errichtung und der Betrieb einer Biogasanlage ist. Komplementär der Klägerin ist A, Kommanditist ist C. Die Klägerin produziert außerdem mittels eines an die Biogasanlage angeschlossenen Blockheizkraftwerks (BHKW) Strom und Wärme. Der im BHKW erzeugte Strom wird entgeltlich an den Netzbetreiber geliefert. Die Klägerin erhielt in den Streitjahren vom Netzbetreiber neben dem Entgelt für den gelieferten Strom den sog. KWK-Bonus in Höhe von 0,02 €/kWh für die im BHKW produzierte Nutzwärme.
3 Zur Nutzung der im BHKW produzierten Wärme schloss die Klägerin am mit der E-GmbH einen Wärmeabnahmevertrag über die Lieferung von Wärme für Raumheizung und Warmwasser für die an das Wärmenetz angeschlossenen Gebäude zum Preis von 0,03 €/kWh (netto). Der Anschluss der Gebäude der E-GmbH an das Wärmenetz erfolgte durch eine im Jahr 2006 errichtete Fernwärmeleitung.
4 Außerdem wurde ab dem Streitjahr 2012 auf der Grundlage eines Versorgungsvertrags durch eine im Jahre 2011 gegründete beteiligungsidentische Schwestergesellschaft der Klägerin, die von der Klägerin über eine Leitung Gas bezog, Wärme an die G-GmbH geliefert. Der Umfang der Wärmelieferung belief sich in den Streitjahren 2012 und 2013 auf ca. 1,6 Mio. kWh pro Jahr. Für die ersten 400 000 kWh wurde ein Preis von 0,0275 €/kWh bzw. 0,0294 €/kWh (jeweils netto) in Rechnung gestellt.
5 Die im BHKW der Klägerin produzierte Wärme wurde in den Streitjahren ferner in den landwirtschaftlichen Betrieben und in den Privathäusern der Gesellschafter A und C sowie in den Vermietungsobjekten von A eingesetzt. Der Umfang der Wärmeabgabe an die Gesellschafter belief sich nach einer zwischen den Beteiligten für die Streitjahre 2009 bis 2011 abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung vom , deren Übertragung auf die Streitjahre 2008, 2012 und 2013 zwischen den Beteiligten unstreitig ist, bei A in allen Streitjahren auf 301 150 kWh und bei C auf 288 950 kWh (2008/2009) bzw. 370 370 kWh (2010 bis 2013).
6 Die Wärmeabgabe an die Gesellschafter erfolgte in den Streitjahren nicht gegen gesonderte Rechnung entsprechend der für den Kommanditisten in § 3 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrags enthaltenen Regelung. Ab dem Streitjahr 2010 (erstmals im Jahresabschluss auf den ) wurde für die Wärmeabgabe eine Belastung des Kapitalkontos bei A und ab dem Streitjahr 2011 auch bei C vorgenommen.
7 A und C verfügten in den Streitjahren über eigene Ölheizungsanlagen, die jedoch nicht betrieben wurden. Ein Anschluss an die örtliche Erdgasleitung wäre jederzeit mit einem finanziellen Aufwand von 5.000 € bis 6.000 €, in dem die Anschaffung eines neuen Brenners eingeschlossen ist, möglich gewesen.
8 Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Wärmeabgabe an die Gesellschafter als unentgeltliche Wertabgabe anzusehen sei. Die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe sei aufgrund des Fehlens eines Marktpreises unter Berücksichtigung des (BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809) und des (BStBl I 2014, 1287) durch Ansatz des fiktiven Einkaufspreises zu ermitteln, da die Gesellschafter der Klägerin die Wärme ohne erheblichen Aufwand auch alternativ mit eigenen Heizungsanlagen hätten erzeugen können. Der fiktive Einkaufspreis sei auf Grundlage der Heizölpreise aus den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichten Energiedaten zu berechnen und belaufe sich in den Streitjahren auf 0,0617 €/kWh (2008), 0,0408 €/kWh (2009), 0,0524 €/kWh (2010), 0,0665 €/kWh (2011), 0,0730 €/kWh (2012) und 0,0679 €/kWh (2013).
9 Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) schloss sich den Feststellungen des Prüfers an und erließ am Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2008 bis 2013, in denen er die Wärmeabgabe an die Gesellschafter als unentgeltliche Wertabgabe für Lieferungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 36.432 € (2008), 24.064 € (2009), 33.938 € (2010), 36.045 € (2011), 40.382 € (2012) und 33.800 € (2013) ansetzte. Für die Streitjahre 2010 bis 2013 übernahm das FA zudem die von der Klägerin im Rahmen der unentgeltlichen Wertabgaben für sonstige Leistungen angemeldeten Beträge aus der Belastung der Kapitalkonten in Höhe von 1.125 € (2010), 8.625 € (2011/2012) und 12.616 € (2013).
10 Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
11 Der dagegen erhobenen Klage gab das Schleswig-Holsteinische (Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 872) teilweise statt. Soweit das FA die Bemessungsgrundlage für die Wärmeabgabe an die Gesellschafter der Klägerin mit einem höheren Betrag als 0,03 €/kWh ermittelt habe, sei die Klage begründet. Die von der Klägerin im BHKW produzierte Wärme habe in den Streitjahren einen Marktpreis gehabt. Dessen Wert von 0,03 €/kWh leite sich aus der Wärmelieferung an die E-GmbH und an die G-GmbH ab.
12 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. So sei das FG von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen. Die Klägerin habe ab dem Besteuerungszeitraum 2012 nicht selbst Wärme an eine zweite Abnehmerin geliefert, sondern nur Gas an eine Schwestergesellschaft, die wiederum selbst mit einem von der Klägerin zur Verfügung gestellten/verpachteten BHKW an die G-GmbH Wärme geliefert habe. Das FG habe des Weiteren rechtsfehlerhaft die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) allein auf einen aus einem einzigen Verkaufspreis abgeleiteten Marktpreis begrenzt. Dabei handele es sich nicht um einen hier zu beachtenden Einkaufspreis, sondern um einen Verkaufspreis. Es gebe in den Fällen der vorliegenden Art auch keinen allgemein gültigen Marktpreis, soweit das Unternehmen/der Betrieb nicht selbst an ein fremdes Fernwärmenetz angeschlossen sei. Es sei daher nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG von den anteiligen Selbstkosten auszugehen, die nach der sog. energetischen Aufteilungsmethode zu ermitteln seien.
13 Das FA beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
14 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
15 Sie bringt vor, die Wärmelieferungen seien keine unentgeltlichen Wertabgaben, soweit es sich nicht um einen Endverbrauch handele. Überdies sei für den (fiktiven) körperlichen Gegenstand „Wärme“ auch ohne einen tatsächlichen Anschluss an ein fremdes Wärmenetz eine Bemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 4 UStG ermittelbar. Weiterhin seien die unternehmerischen Gründe zu beachten, nach denen durch die förderungswürdige Nutzung der Wärme der sog. KWK-Bonus erlöst werde, so dass die Gewährung unentgeltlicher sonstiger Leistungen aus unternehmerischen Gründen nicht steuerbar sei.
Gründe
II.
16 Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
17 1. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes zu bemessen. Dies gilt auch unter den vom FG bejahten Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG.
18 2. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH kommt eine Wertbemessung für entnommene Wärme nach dem in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG genannten Einkaufspreis nur in Betracht, wenn im konkreten Fall ein Anschluss an ein Wärmenetz (z.B. Fernwärme) besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat hierzu auf die BFH-Urteile in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Rz 39, vom - V R 45/20 (BFHE 275, 392, Rz 31) und vom - V R 34/20 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1013, Rz 16 f.).
19 3. Der vom FG vertretenen Gegenauffassung folgt der Senat nicht. In einem zweiten Rechtsgang ist daher zu prüfen, ob das Wärmenetz dem einspeisenden Unternehmer einen Wärmebezug ermöglicht hätte. Sollte dies zu verneinen sein, wofür der übereinstimmende Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spricht, wäre über eine umsatzbezogene Aufteilung der Selbstkosten zu entscheiden. Müssen aufgrund einer unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus einem BHKW die Selbstkosten auf den Strom und die Wärme aufgeteilt werden, hat die Aufteilung im Regelfall nicht nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh), sondern nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) zu erfolgen (Anschluss an die BFH-Urteile in BFHE 275, 392; in BFH/NV 2022, 1013; entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Außerdem wird das FG in einem zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, inwieweit die für die Vermietungsobjekte genutzte Wärme (vgl. dazu und das anhängige Revisionsverfahren V R 15/21) und für die landwirtschaftlich genutzte Wärme weitere Ausgangsumsätze der Klägerin zu erfassen oder anteilig der Vorsteuerabzug zu versagen sein könnte. Auf welcher rechtlichen Grundlage von wem an wen (ggf. an A und C oder an die Mieter) diese Wärmeabgaben erfolgt sind, ist bisher nicht hinreichend tatsächlich festgestellt.
20 4. Auf den gerügten Verfahrensfehler kommt es danach nicht an.
21 5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2022:U.091122.XIR38.20.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2023 S. 389 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2023 S. 360
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2023 S. 360
UStB 2023 S. 111 Nr. 4
UStB 2023 S. 111 Nr. 4
BAAAJ-33337