BGH Beschluss v. - 2 StR 140/22

Zulässigkeit einer Revision bei nicht formgerechter Begründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist

Gesetze: § 32a Abs 3 StPO, § 32d S 2 StPO, § 32d S 3 StPO, § 32d S 4 StPO, § 345 Abs 1 StPO, § 345 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 500 Js 54859/20 - 16 KLsnachgehend Az: 2 StR 140/22 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung verschiedener Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich seine am form- und fristgerecht eingelegte Revision, die mit einem durch Telefax übermittelten Schriftsatz vom mit der allgemeinen Sachrüge begründet wurde.

I.

2Zugleich mit der Revisionsbegründung hat der Verteidiger hinsichtlich der Form unter eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit erklärt, er habe die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach versucht, „was jedoch mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur“ misslungen sei. Bis dahin habe er sich „technisch gerüstet gewähnt“, da er im Besitz eines Kartenlesegeräts und einer Chipkarte gewesen sei und „bisher ohne Probleme am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen vermochte“. Versuche zur „`Aufrüstung´ seines Anschlusses um ein qualifiziertes Signaturzertifikat“ seien erfolglos geblieben.

3Der Generalbundesanwalt hält die Revision für zulässig, aber unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er die Revision für unzulässig erachtet. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde danach nicht gestellt.

II.

4Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 345 Abs. 1 StPO formgerecht begründet wurde.

51. Seitens des Angeklagten kann die Revisionsbegründung nach § 345 Abs. 2 StPO nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zulässig angebracht werden. § 32d Satz 2 StPO erfordert seit dem zwingend, die Übermittlung der Revisionsbegründung als elektronisches Dokument. Die Prozesshandlung in Form eines pdf-Dokuments (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV) muss gemäß § 32a Abs. 3 StPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 45; , NJW 2022, 3588, 3589). Der Grad der Signatur, durch welche die eigenhändige Unterschrift ersetzt wird, richtet sich daher nach der Versandart. Ist der Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (§ 31a BRAO) als sicherer Übermittlungsweg erfolgt, so genügt eine einfache Signatur (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO); in diesem Fall bedarf es keiner qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. , BeckRS 2022, 11872; Beschluss vom – 3 StR 122/22, NStZ-RR 2022, 285). Nur in den übrigen Fällen der Übersendung bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 32a Abs. 3 Var. 1 StPO). Der Verteidiger hat nicht behauptet, dass ihm eine Übermittlung mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und einfacher Signatur nicht möglich gewesen sei.

62. Der Verteidiger hat auch keinen Ausnahmefall im Sinne des § 32d Satz 3 und 4 StPO dargelegt. Wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt danach die Übermittlung der Revisionsbegründung in Papierform zulässig. In einem solchen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (vgl. , Rn. 2). Als Beispiel für eine vorübergehende Unmöglichkeit gilt etwa ein Serverausfall (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51). Wie die Formulierungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ verdeutlichen, ist die Einreichung der Revisionsbegründung in Papierform die Ausnahme. Deshalb muss beim Absender grundsätzlich die notwendige technische Einrichtung vorhanden sein, um elektronische Dokumente einreichen zu können (vgl. BeckOK StPO/Valerius, 43. Ed., § 32d Rn. 5). Dagegen muss die Anwendung des Ausnahmetatbestands ausscheiden, wenn der Verteidiger kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt (vgl. aaO; KK-StPO/Graf, 8. Aufl., § 32d Rn. 6). Eine nur vorübergehende technische Unmöglichkeit im Sinne von § 32d Satz 3 StPO wurde mit der Behauptung, eine qualifizierte elektronische Signatur für einen Versand aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach heraus zu benötigen, nicht vorgetragen.

III.

7Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist kein Raum. Nachdem trotz des Hinweises des Senats auf die Unzulässigkeit der Revision nach dem auf § 349 Abs. 2 StPO gestützten Revisionsverwerfungsantrag des Generalbundesanwalts kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde, kommt auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht in Betracht. Mangelndes Verschulden des Angeklagten ist auch nicht offenkundig.

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:071222B2STR140.22.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-33198