BVerwG Beschluss v. - 4 BN 24/22

Fehlende Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag (Nachbargemeinde, Inhaberin einer Baugenehmigung)

Gesetze: § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 1 Abs 3 BauGB

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 1 C 11462/20 Urteil

Gründe

I

1Die Antragstellerin, eine rheinland-pfälzische Ortsgemeinde, ist Bauherrin und Eigentümerin einer touristisch genutzten Hängeseilbrücke, deren südlicher Brückenkopf sich auf dem Gebiet der Antragsgegnerin befindet. Der angegriffene Bebauungsplan schafft im bisher unbebauten Umfeld des Brückenkopfes u. a. die planungsrechtlichen Grundlagen für einen Kiosk, eine Terrasse und eine Toilettenanlage. Die Vorinstanz hat den Normenkontrollantrag abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei (.OVG - UPR 2022, 266), und die Revision nicht zugelassen.

II

2Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4 und vom - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3).

4Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob es für die Antragsbefugnis in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan ausreicht, dass der Antragsteller durch einen schuldrechtlichen Gestattungsvertrag und durch eine Baugenehmigung in Bezug auf ein von dem Bebauungsplan erfasstes Grundstück berechtigt und verpflichtet wird, wenn der Bebauungsplan einen Eingriff in Natur und Landschaft abschließend regelt, womit er gegen eine Bedingung der bestandskräftigen Baugenehmigung verstößt.

51. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Nach Auffassung der Beschwerde verstößt der Bebauungsplan gegen die Nebenbestimmung Nr. 10 der Baugenehmigung der Kreisverwaltung C. vom . Der Bescheid genehmigt den Bau der Brücke auf einem - jedenfalls in Teilen - im Plangebiet gelegenen Grundstück. Nach der Nebenbestimmung sind zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau der Brücke nicht vorgesehen und auch nicht zulässig.

6Die Grundsatzfrage würde sich bei wörtlichem Verständnis schon deswegen nicht stellen, weil die Nebenbestimmung Nr. 10 keine Bedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG RP i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist, sondern - allenfalls - eine Auflage im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG RP i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (vgl. UA S. 16 f.). An diese Auslegung des Bescheides ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 74 und vom - 4 C 3.15 - BVerwGE 155, 390 Rn. 21). Selbst ein Verstoß gegen die Nebenbestimmung führte daher nicht zum Wegfall der Baugenehmigung, sondern gäbe allenfalls der zuständigen Behörde das Recht, die Auflage gegenüber der Antragstellerin durchzusetzen und die Baugenehmigung gegebenenfalls nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 LVwVfG RP i. V. m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zu widerrufen.

7Die Frage ist aber auch nicht entscheidungserheblich, wenn sie im Hinblick auf eine Auflage zu einer Baugenehmigung formuliert wäre. Denn der Bebauungsplan steht zu dieser Auflage nicht im Widerspruch. Eine Auflage nach § 1 Abs. 1 LVwVfG RP i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten des Hauptverwaltungsakts ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Sie begründet nur für die Antragstellerin als Begünstigte eine Pflicht, nicht aber für Dritte, etwa die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist indes nach Erlass des Bebauungsplans weiterhin in der Lage, die Auflage zu erfüllen und die Errichtung zusätzlicher Infrastrukturanlagen zu unterlassen. Die weiter geschilderten Befürchtungen, Subventionen würden zurückgefordert, lassen keinen Bezug zur aufgeworfenen Grundsatzfrage erkennen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass damit kein städtebaulicher Belang bezeichnet ist (UA S. 18).

82. Hiervon unabhängig zeigt die Beschwerde keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

9Hinsichtlich des schuldrechtlichen Gestattungsvertrags ist geklärt, dass auch Personen, denen - etwa als Mieter oder Pächter - Nutzungsrechte übertragen worden sind, als Folge nachteiliger bauplanerischer Festsetzungen Rechtsbeeinträchtigungen erleiden und deshalb im Normenkontrollverfahren - selbstständig und unabhängig vom Eigentümer - überprüfen lassen können, ob die ihre Nutzung beeinträchtigenden Festsetzungen unter beachtlichen Rechtsfehlern leiden (vgl. 4 CN 5.14 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 200 Rn. 11; vgl. auch UA S. 12). Mit Blick auf das Baugenehmigungsverfahren ist geklärt, dass ein Antragsteller geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein, wenn er auf der Grundlage von Vereinbarungen mit Grundeigentümern bereits Genehmigungsanträge gestellt hat (zur Veränderungssperre 4 BN 37.11 - BRS 79 Nr. 60 Rn. 3; vgl. auch Bracher, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Aufl. 2022, Rn. 15.3). Es liegt auf der Hand, dass ebenso der Inhaber einer Baugenehmigung in eigenen abwägungserheblichen Belangen betroffen ist, wenn etwa die Gemeinde - anders als vorliegend - das örtliche Planungsrecht so verändert, dass eine genehmigte Nutzung auf den passiven Bestandsschutz beschränkt wird (vgl. 4 BN 1.16 - ZfBR 2016, 493 Rn. 5; - juris Rn. 37).

10Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar. Sie beschränkt sich darauf, subventionsrechtliche Folgen zu skizzieren, die sie in der - eher ungewöhnlichen - Situation befürchtet, und denen das Oberverwaltungsgericht sowohl die städtebauliche Relevanz als auch die hinreichende Erkennbarkeit für die Antragsgegnerin abgesprochen hat (UA S. 18).

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:141222B4BN24.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-32847