BGH Beschluss v. - EnVR 45/21

Datenkorrektur

Leitsatz

Datenkorrektur

Die Regulierungsbehörde handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Netzbetreiber nach Abschluss der Datenerhebung und Anhörung zur Ausgestaltung des Effizienzvergleichsmodells an einem schuldhaft unrichtig gemeldeten Strukturparameter festhält, sofern eine Berücksichtigung der Korrektur der fehlerhaften Angabe im komplexen System des Effizienzvergleichs zu Verfahrensverzögerungen und weiteren Verfahrensrisiken führen würde und keine unzumutbare Härte für den Netzbetreiber gegeben ist.

Gesetze: § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 ARegV, § 32 Abs 1 Nr 11 ARegV, § 37 Abs 7 S 2 VwVfG

Instanzenzug: Az: VI-3 Kart 837/19 (V)

Gründe

1A. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz in D.        , das sie von der Stadtwerke D.        AG pachtet.

2Mit Beschluss vom legte die Bundesnetzagentur die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die dritte Regulierungsperiode für das Netz der Betroffenen niedriger als beantragt fest. Bei der Berechnung des Kapitalkostenabzugs setzte sie für Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge nach Ansicht der Betroffenen zu hohe Werte an; sich rechnerisch ergebende negative Kapitalkostenabzugsbeträge berücksichtigte sie nicht. Bei der Ermittlung des individuellen Effizienzwerts der Betroffenen ließ die Bundesnetzagentur einen von der Betroffenen im Rahmen der Datenerhebung für den Effizienzvergleich verspätet gemeldeten Leistungswert einer dezentralen Erzeugungsanlage außer Betracht.

3Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese hinsichtlich der Berechnung des Kapitalkostenabzugs, nicht jedoch bezüglich der Festlegung des individuellen Effizienzwerts der Betroffenen zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen haben sich sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Die Betroffene hat ihre Beschwerde während des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Zustimmung der Bundesnetzagentur zurückgenommen, soweit sie sich gegen die beiden Rechtsfragen zur Berechnung des Kapitalkostenabzugs richtet.

4B. Die Teilrücknahme der Beschwerde durch die Betroffene bewirkt, dass das Verfahren insoweit als nicht anhängig geworden anzusehen ist (vgl. , juris Rn. 1; Beschluss vom - EnVR 47/12, juris Rn. 2 mwN). Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat sich dadurch erledigt.

5C. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

6I. Das Beschwerdegericht hat angenommen, es sei nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur der Ermittlung des individuellen Effizienzwerts der Betroffenen als Vergleichsparameter der installierten dezentralen Erzeugungsleistung in der Hochspannungsebene nicht den von der Betroffenen nachträglich im Februar und März 2019 mitgeteilten objektiv zutreffenden, sondern den von dieser im Rahmen des Datenerhebungsverfahrens gemeldeten zu geringen Wert zugrunde gelegt habe. Die Nichtberücksichtigung der nachträglichen Datenmeldung bei der Berechnung des Effizienzwerts der Betroffenen stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Den im Datenerhebungsverfahren als Vorverfahren und sodann im Effizienzvergleichsverfahren selbst gesetzten Fristen zur Datenvorlage und -überprüfung, die der zwingend notwendigen Strukturierung dieses komplexen und auf eine einheitliche Datengrundlage angewiesenen Verfahrens diene, komme präkludierende Wirkung zu, so dass sich die Beschwerdeführerin an ihren im Datenerhebungsverfahren gemeldeten und erst nach Durchführung des Effizienzvergleichs korrigierten Daten festhalten lassen müsse. Zudem habe die Bundesnetzagentur die Berücksichtigung der korrigierten Datenmeldung ermessensfehlerfrei abgelehnt.

7II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde der Betroffenen stand.

81. Die Erlösobergrenze wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 ARegV für jedes Kalenderjahr der gesamten Regulierungsperiode nach Maßgabe der §§ 5 bis 17, 19, 22 und 24 ARegV bestimmt. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen verweist § 6 Abs. 1 ARegV auf Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Diese Regelungen finden nach der Rechtsprechung des Senats auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-718/18, RdE 2021, 534 Rn. 112 ff.) weiterhin Anwendung (BGH, Beschlüsse vom - EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 14 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom - EnVR 6/21, juris Rn. 9 - Kapitalkostenabzug mwN.). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben (BGH, RdE 2022, 119 Rn. 15 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; Beschluss vom - EnVR 6/21, juris Rn. 10 - Kapitalkostenabzug, jew. mwN.).

92. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Recht gebilligt, dass die Bundesnetzagentur der Ermittlung des individuellen Effizienzwerts der Betroffenen als Vergleichsparameter der installierten dezentralen Erzeugungsleistung in der Hochspannungsebene nicht den von der Betroffenen nachträglich im März 2019 mitgeteilten objektiv zutreffenden, sondern den von ihr im Datenerhebungsverfahren gemeldeten zu geringen Wert zugrunde gelegt hat.

10a) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen wurden die Verteilernetzbetreiber in der Festlegung von Vorgaben für die Erhebung von Daten zur Ermittlung der Effizienzwerte nach §§ 12 bis 14 ARegV für die dritte Regulierungsperiode (Az. BK8-17/0002-A) vom aufgefordert, bis zum vollständige und korrekte Last-, Struktur- und Absatzdaten bei der Bundesnetzagentur einzureichen. Die Festlegung enthielt den Hinweis, dass eine spätere Datenübermittlung den Start der dritten Regulierungsperiode am gefährden würde, weil für die der Regulierungsperiode vorgelagerten Prozessschritte eine hinreichend aussagekräftige Datenbasis dann nicht vorhanden wäre. Spätere Änderungen des Erhebungsbogens fänden daher grundsätzlich keine Berücksichtigung. Eine Nachlieferung sei nur in begründeten Ausnahmefällen und nach vorheriger Rücksprache mit der Beschlusskammer möglich. Im Datenerhebungsverfahren hat die Betroffene fristgemäß die angeforderten Daten mitgeteilt, einschließlich des Werts für den Vergleichsparameter "Installierte dezentrale Erzeugungsleistung in der Hochspannungsebene" (Stand ), den sie jedoch zu niedrig angab, da aufgrund eines internen Versehens die tatsächliche elektrische Erzeugungsleistung eines im Januar 2016 in Betrieb genommenen Kraftwerkblocks in Höhe von 595 MW unberücksichtigt blieb. Im August/September 2018 übermittelte die Bundesnetzagentur allen am Effizienzvergleich teilnehmenden Verteilernetzbetreibern Datenquittungen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme und etwaigen Korrektur von Parameterwerten. Damit wurde der Prozess der Datenerhebung formal abgeschlossen. Auf der danach bestehenden Datenbasis stellte die Bundesnetzagentur das Effizienzvergleichsmodell fertig und berechnete die vorläufigen Effizienzwerte. Am teilte sie den betroffenen Netzbetreibern die konkrete Ausgestaltung des Effizienzvergleichsmodells mit und gab ihnen bis zum Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Betroffene teilte der Bundesnetzagentur am den gegenüber ihrer ursprünglichen Datenlieferung höheren, objektiv richtigen Wert für den Vergleichsparameter "Installierte dezentrale Erzeugungsleistung in der Hochspannungsebene" mit. Hätte die Bundesnetzagentur bei der Berechnung des individuellen Effizienzwerts der Betroffenen die nach der im Datenerhebungsverfahrens gesetzten Frist gemeldeten objektiv zutreffenden Daten berücksichtigt, hätte sich statt des festgelegten Werts von     % ein Wert von     % ergeben.

11b) Bei dieser Sachlage geht der Angriff der Betroffenen fehl, das Beschwerdegericht habe verkannt, dass die Versäumung der für die Datenmeldung gesetzten Frist rechtlich folgenlos bleiben müsse, solange - wie hier - noch keine Sachentscheidung in Form der Festlegung des individuellen Effizienzwerts und der Erlösobergrenzen für die Betroffene ergangen sei.

12aa) Allerdings kommt der in der Festlegung vom (Az. BK8-17/0002-A) den Netzbetreibern zum Zwecke der Ermittlung der Effizienzwerte bis zum gesetzten Frist für die Meldung der vollständigen und korrekten Last-, Struktur- und Absatzdaten sowie den im weiteren Regulierungsverfahren gesetzten Fristen zur Datenvorlage und -prüfung keine präkludierende Wirkung im Sinne einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zu. Vielmehr handelt es sich bei diesen Fristen um behördliche Verfahrensfristen, deren Versäumung anders als jene gerade nicht den endgültigen Verlust der Rechtsposition zur Folge hat (vgl. , RdE 2017, 187 Rn. 41 - Festlegung individueller Netzentgelte; BVerwG, NVwZ 1994, 575 [juris Rn. 16]), sondern im Falle einer rückwirkenden Verlängerung nach § 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG folgenlos bleiben kann.

13(1) Wie der Bundesgerichtshof bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat, kann eine Fristsetzung durch die Regulierungsbehörde im Regulierungsverfahren entweder eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung den Verlust einer materiell-rechtlichen Rechtsposition zur Folge hat, oder eine behördliche Verfahrensfrist im Sinne des § 31 Abs. 2 VwVfG darstellen. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, RdE 2017, 187 Rn. 44 - Festlegung individueller Netzentgelte).

14(2) Im Streitfall ergibt die Auslegung der Festlegung vom , dass die dort gesetzte Frist keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sondern eine behördliche Verfahrensfrist ist. Sie beruht ausdrücklich auf der in §§ 32 Abs. 1 Nr. 11, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ARegV in Verbindung mit § 29 Abs. 1 EnWG vorgesehenen Möglichkeit für die Regulierungsbehörde, Vorgaben zu Umfang, Zeitpunkt und Form der zur Ermittlung der Effizienzwerte bei den Netzbetreibern zu erhebenden Daten zu machen. Das Energiewirtschaftsgesetz enthält indes keine Ermächtigungsgrundlage für die Regulierungsbehörden, den in den verschiedenen Schritten des Entgeltregulierungsverfahrens gesetzten Fristen eine materiell-rechtliche Ausschlusswirkung beizumessen. Dies wäre jedoch erforderlich, da Fristen mit einer entsprechenden Wirkung unmittelbar von der Legislative erlassen werden oder auf einer von ihr erteilten Ermächtigung beruhen müssen (vgl. BGH, RdE 2017, 187 Rn. 41 - Festlegung individueller Netzentgelte; BVerwG, NVwZ 1994, 575 [juris Rn. 15]). Auch sprechen Sinn und Zweck der in der Festlegung gesetzten Frist, die zunächst der Ordnung des komplexen Datenerhebungsverfahrens dient, für eine Einordnung als behördliche Verfahrensfrist. Schließlich geht auch die Bundesnetzagentur selbst nicht davon aus, in dem Verfahren eine materielle Ausschlussfrist gesetzt zu haben (vgl. zu den Auslegungskriterien BGH, RdE 2017, 187 Rn. 44 ff. - Festlegung individueller Netzentgelte). Entsprechendes gilt für die im weiteren Verfahren des Effizienzvergleichs nach Übersendung der Datenquittungen über die berechneten Vergleichsparameter und die ermittelten Aufwandsparameter gesetzten Fristen.

15bb) Die Einordnung der von der Bundesnetzagentur gesetzten Fristen als behördliche Verfahrensfristen hat entgegen der Rechtsbeschwerde nicht zur Folge, dass sämtliches Vorbringen eines Netzbetreibers bis zur finalen Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Festlegung der Erlösobergrenzen uneingeschränkt berücksichtigt werden müsste. Zwar führt die Versäumung einer behördlichen Verfahrensfrist nicht zu einer materiellen Präklusion im Sinne eines endgültigen Rechtsverlusts. Denn nach § 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG kann eine solche Frist rückwirkend verlängert werden, so dass die Fristversäumnis im Ergebnis folgenlos bleibt. Wird die rückwirkende Fristverlängerung jedoch - ermessensfehlerfrei (vgl. unten Rn. 18 ff.) - versagt, so muss die Behörde das nach Fristablauf eingehende Vorbringen nicht mehr berücksichtigen (vgl. BGH, RdE 2017, 187 Rn. 46 - Festlegung individueller Netzentgelte). In einem solchen Fall kommt der Fristversäumnis faktisch präkludierende Wirkung zu.

16cc) Aus der von der Betroffenen angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Genehmigung von Postentgelten (BVerwGE 146, 325 = NVwZ 2013, 1418, Rn. 23), wonach die Regulierungsbehörde Unterlagen und Nachweise, die das regulierte Unternehmen erst nach Abgabe des Antrags und Beginn der sechswöchigen Entscheidungsfrist einreicht, berücksichtigen muss, wenn dadurch die Einhaltung der Frist des § 22 Abs. 2 PostG und die Wahrung der Rechte Dritter nicht gefährdet werden, folgt für den Streitfall nichts anderes. Es erscheint bereits fraglich, ob dieser Rechtsprechung entnommen werden kann, dass die Behörde trotz laufender Frist grundsätzlich sämtliches Vorbringen des Antragstellers bis zu ihrer Entscheidung berücksichtigen muss, wie die Betroffene meint. Denn § 22 Abs. 2 PostG sieht gerade keine Frist für den Antragsteller vor, sondern eine Entscheidungsfrist für die Behörde.

17Davon abgesehen stellt die Entgeltregulierung nach §§ 19 ff PostG ein allein zwischen der Behörde und dem antragstellenden Postdienstleister geführtes bilaterales Verwaltungsverfahren dar, während die Festlegung der Erlösobergrenzen in einem hochkomplexen Verwaltungsverfahren mit - jedenfalls phasenweise - zahlreichen Beteiligten erfolgt. Die Bestimmung der individuellen Erlösobergrenzen der einzelnen Netzbetreiber ist erst der letzte Schritt in einem gestuften Regulierungsverfahren mit zahlreichen Zwischenschritten, die nicht nur die Verhältnisse des jeweiligen Netzbetreibers zum Gegenstand haben, sondern in verschiedenen Bereichen - insbesondere dem des Effizienzvergleichs - einen Abgleich der Daten aller Netzbetreiber erfordern. Das ist aber nur möglich, wenn sichergestellt ist, dass zu bestimmten Stichtagen alle erforderlichen Daten vorliegen. Insofern ändert der Umstand, dass die Frist die Schaffung einer verlässlichen Datengrundlage zu einem bestimmten Zeitpunkt sicherstellen soll und daher in erster Linie der "Ordnung" und Durchführbarkeit des vorgeschalteten Effizienzvergleichsverfahrens dient, nichts daran, dass sie grundsätzlich auch für das bilaterale Verfahren zwischen der Bundesnetzagentur und dem jeweiligen Netzbetreiber zur Festsetzung der individuellen Erlösobergrenzen gilt und damit auch der Begründung eines materiellen Rechts der Netzbetreiber dient. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass sich Netzbetreiber im Interesse der Einheitlichkeit der Datengrundlage an ihren eigenen Angaben grundsätzlich festhalten lassen müssen, da es mit dem methodischen Ansatz des Effizienzvergleichsverfahrens nicht vereinbar wäre, wenn ein Netzbetreiber die von ihm eingegebenen Daten nach Durchführung des Effizienzvergleichs ohne weiteres korrigieren könnte (, RdE 2014, 276 Rn. 122 f. - Stadtwerke Konstanz GmbH).

18c) Das Beschwerdegericht hat entgegen der Ansicht der Betroffenen auch zu Recht angenommen, dass die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung, die im März 2019 von der Betroffenen gemeldete Korrektur bezüglich ihrer installierten dezentralen Erzeugungsleistung bei der Festlegung ihres individuellen Effizienzwerts nicht zu berücksichtigen, frei von Ermessensfehlern getroffen hat.

19aa) Die Entscheidung der Bundesnetzagentur über eine nachträgliche Fristverlängerung gemäß § 31 Abs. 7 VwVfG, durch welche die Berücksichtigung von für die Festlegung des individuellen Effizienzwerts eines Netzbetreibers relevanten Strukturwerten ermöglicht wird, die erst nach Ablauf einer dafür gesetzten Frist mitgeteilt werden, erfolgt im Rahmen des ihr zustehenden Regulierungsermessens (vgl. dazu , RdE 2014, 495, Rn. 23 ff. - Stromnetz Berlin GmbH; BVerwGE 131, 41 Rn. 47). Dies folgt aus der Wechselwirkung des alle Netzbetreiber betreffenden Effizienzvergleichs und dem individuellen Effizienzwert des einzelnen Netzbetreibers. Davon ist auch das Beschwerdegericht ausgegangen und hat in Einklang mit der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend angenommen, dass die Regulierungsbehörde dieses Regulierungsermessen fehlerhaft ausübt, wenn sie eine Abwägung überhaupt nicht vornimmt (Abwägungsausfall), wenn sie in die Abwägung nicht die nach Lage der Dinge zu berücksichtigenden Belange einstellt (Abwägungsdefizit), wenn sie die Bedeutung der betroffenen Belange verkennt (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den einzelnen Belangen zu deren objektiver Gewichtigkeit außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität).

20bb) Die Bundesnetzagentur hat die Berücksichtigung des von der Betroffenen im März 2019 gemeldeten korrekten Werts für den Vergleichsparameter "Installierte dezentrale Erzeugungsleistung in der Hochspannungsebene" (Stand ) bei der Festlegung der Erlösobergrenzen der Betroffenen im angefochtenen Beschluss mit der Begründung abgelehnt, sie übe ihr Regulierungsermessen dahin aus, den gesamten Effizienzvergleich nicht erneut durchzuführen und auch den individuellen Effizienzwert der Betroffenen nicht anzupassen; diese müsse sich vielmehr an ihren eigenen Angaben festhalten lassen. Die unmissverständliche Datenabfrage zu diesem Punkt sei nicht aufgrund von Unklarheiten, sondern wegen eines Büroversehens bei der Betroffenen falsch umgesetzt worden. Ein besonderer Umstand, der eine Korrektur der Parameter und Neuberechnung des Effizienzwerts der Betroffenen erforderlich mache, liege nicht vor. Im Gegenteil stelle die Korrektur des Effizienzwerts von 3,25 Prozentpunkten keine unzumutbare Härte dar. Eine solche unzumutbare Härte habe die Betroffene auch nicht in ihrer Stellungnahme vom dargelegt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine unzumutbare Härte gegeben sei, habe die Beschlusskammer auch die in der Anreizregulierungsverordnung enthaltenen Sicherheitsmechanismen in die Betrachtung einbezogen, die unzumutbare Effizienzvorgaben verhinderten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der für die Betroffene festgelegte Effizienzwert von      % über dem Effizienzwert für das vereinfachte Verfahren in Höhe von 96,69 % liege. Auch vor diesem Hintergrund sei die nicht erfolgte Anpassung des Effizienzwerts der Betroffenen nicht unzumutbar.

21Im Übrigen wird in dem angefochtenen Beschluss zur Effizienzwertermittlung ausgeführt, die Beschlusskammer habe in keinem Fall Korrekturen am Datenbestand für die gesamthafte Modellbestimmung oder für die daran anschließende Berechnung von individuellen Effizienzwerten berücksichtigt. Im Vorfeld des Effizienzvergleichs sei den Netzbetreibern mit entsprechenden Mitteilungen und Datenquittungen eine hinreichende Möglichkeit gewährt worden, korrekte Strukturparameter zu melden sowie sich zu den von der Bundesnetzagentur berechneten Vergleichsparametern und ermittelten Aufwandsparametern zu äußern und etwaige Fehler zu korrigieren. Daher seien die Netzbetreiber mit Einwendungen zu den für sie jeweils herangezogenen Vergleichsparametern jedenfalls nach dem Abschluss der Anhörung zum Effizienzvergleich ausgeschlossen. Ein Ausschluss ließe sich bereits mit Ablauf der Rückmeldefristen in den entsprechenden Datenquittungen rechtfertigen. Die Beschlusskammer habe die einzelnen Datenänderungen geprüft und dabei etwaige Auswirkungen auf die gesamthafte Modellbestimmung und Effizienzwertberechnung erörtert. Da es sich um punktuelle, nicht gravierende Datenänderungen handele, ergäben sich hieraus keine Anhaltspunkte dafür, dass neue Fristen für Datenmeldungen gesetzt werden und der Effizienzvergleich erneut durchgeführt werden müsse. Denn fehlerhafte Einzeldaten könnten sich im Prozess des Effizienzvergleichs immer einstellen und wirkten sich angesichts der Breite der Datengrundlage in der Regel nicht in nennenswertem Umfang auf das Ergebnis aus. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Datengrundlage insgesamt als untauglich für die Durchführung eines Effizienzvergleichs erwiesen habe. Im Gegenteil sprächen die nur minimalen geltend gemachten Änderungen bei den Aufwands- und Strukturparametern vor dem Hintergrund der Größe des übrigen Datensatzes für eine hinreichend genaue Datengrundlage. Vorliegend sei auch keine Fallkonstellation gegeben, in der sich die Fehlmeldung von Strukturparametern eines Netzbetreibers erheblich auf die Effizienzwerte zu Gunsten des betroffenen Netzbetreibers selbst oder zu Lasten anderer Netzbetreiber auswirke.

22cc) Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass diese Erwägungen keinen Ermessensfehler aufweisen. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen greifen nicht durch.

23(1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gehen weder die Bundesnetzagentur noch ihr folgend das Beschwerdegericht von einem unrichtigen Maßstab aus. Das Beschwerdegericht legt ausdrücklich den auch von der Rechtsbeschwerde für zutreffend gehaltenen Grundsatz zugrunde, dass die Behörde bei der Entscheidung gemäß § 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG in der Regel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden hat, wenn keine wesentlichen Gesichtspunkte dagegen sprechen. Solche wesentlichen Gesichtspunkte lagen hier indes vor und wurden von der Bundesnetzagentur in die Abwägung eingestellt. Die Bundesnetzagentur hat in dem vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Vermerk vom , wie auch in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, verschiedene Datenfehler geprüft und bewertet, die erst aufgrund von Korrekturmeldungen nach Ablauf der Anhörungsfrist für den Effizienzvergleich am zu Tage getreten waren. Sodann hat sie geprüft, ob das Festhalten an der Frist unbillig sei (§ 31 Abs. 7 Satz 2 VwVfG). Dabei ist sie im angefochtenen Beschluss von dem zutreffenden Verständnis ausgegangen, dass eine Berücksichtigung der Datenfehler im komplexen System des Effizienzvergleichs Rückwirkungen auf zahlreiche andere Netzbetreiber haben würde, weil die Festlegung der Erlösobergrenzen für viele Netzbetreiber noch ausstand. Es konnte daher zu Verfahrensverzögerungen und weiteren Verfahrensrisiken kommen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur geprüft, ob trotz der bekannt gewordenen Datenfehler bei den noch zu erlassenden Beschlüssen über die Erlösobergrenzen an der bisherigen Datengrundlage festgehalten werden könne. Deshalb hat sie entsprechende Berechnungen für alle Netzbetreiber durchgeführt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen der Fehler nicht so gravierend sind, dass sie eine Neuberechnung und die damit einhergehende Verzögerung rechtfertigen könnten. Ihre Entscheidung hat sie auf das überwiegende Interesse an einer zügigen Festlegung der Erlösobergrenzen gestützt. Soweit sie bei der Prüfung berücksichtigt hat, ob eine unzumutbare Härte für die Betroffene gegeben sei, erfolgte dies im Rahmen der nach dem obigen Maßstab vorgenommenen Abwägung, in die sie auch die Auswirkungen für die Betroffene eingestellt hat, und stellt daher entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keinen unzutreffenden Maßstab dar.

24(2) Auch ein Abwägungsdefizit liegt danach entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht vor. Die Rechtsbeschwerde meint, die Bundesnetzagentur habe außer Acht gelassen, dass eine Berücksichtigung der nach Fristablauf gemeldeten Werte den ordnungsgemäßen Lauf des Verwaltungsverfahrens nicht berührt hätte. Das trifft indes nach den obigen Ausführungen schon in der Sache nicht zu. Im Gegenteil hätte eine Einbeziehung der verschiedenen nach Fristablauf gemeldeten Datenfehler zu einer Verfahrensverzögerung geführt, weil eine isolierte Berücksichtigung des Datenfehlers nur bei der Betroffenen nicht in Betracht kam. Vielmehr hätten - wovon die Bundesnetzagentur in dem angefochtenen Beschluss und dem diesem zugrundeliegenden Vermerk ausgeht - auch die anderen Datenfehler und die sich dadurch unmittelbar ergebenden Auswirkungen auf die Effizienzwerte der anderen Netzbetreiber beachtet werden, neue Fristen für Datenmeldungen gesetzt und der Effizienzvergleich erneut durchgeführt werden müssen. Das hat die Rechtsbeschwerde in der Sache nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Soweit die Rechtsbeschwerde ferner meint, die Bundesnetzagentur habe das öffentliche Interesse daran, dass den Netzbetreibern die ihnen regulatorisch zugestandene Eigenkapitalverzinsung auch tatsächlich zufließe, nicht in ihre Erwägungen einbezogen, greift das nicht durch. Wie bereits ausgeführt, hat die Bundesnetzagentur die wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen in den Blick genommen, erörtert und in ihrem Gewicht auch nicht verkannt.

25(3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegen weder eine Abwägungsfehleinschätzung noch eine Abwägungsdisproportionalität vor. Wie oben ausgeführt, muss sich ein Netzbetreiber im Interesse der Einheitlichkeit der Datengrundlage an seinen eigenen Angaben grundsätzlich festhalten lassen (BGH, RdE 2014, 276 Rn. 123 - Stadtwerke Konstanz). Der Senat hat ferner in anderem Zusammenhang anerkannt, dass dem Interesse an einer rechtzeitigen Regulierungsentscheidung und einem für alle Beteiligten gleichermaßen geltenden Regulierungsrahmen erhebliches Gewicht beigemessen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - EnVR 7/20, RdE 2021, 256 Rn. 24 f. - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor I; vom - EnVR 74/19, WM 2022, 1232 Rn. 40 - Individuelles Netzentgelt V). Insbesondere vor dem Hintergrund des sich aus den regulatorischen Zielen ergebenden erheblichen Interesses an einer Festlegung der Erlösobergrenzen zu Beginn der Regulierungsperiode ist die Bundesnetzagentur - wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat - ohne Ermessensfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass die Betroffene sich an dem von ihr schuldhaft unrichtig gemeldeten Strukturparameter festhalten lassen muss.

26D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG unter Berücksichtigung der im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgten Teilrücknahme der Beschwerde durch die Betroffene.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:201222BENVR45.21.0

Fundstelle(n):
WM 2023 S. 1477 Nr. 31
PAAAJ-32583