(Beschwerdeberechtigung einer Vertrauensperson in einem Haftaufhebungsverfahren)
Gesetze: § 74 Abs 5 FamFG, § 432 FamFG, Art 104 Abs 4 GG
Instanzenzug: LG Essen Az: 7 T 312/19vorgehend AG Essen Az: 71 XIV 126/19 L
Gründe
1I. Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste 2015 in das Bundesgebiet ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom ab und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung auf, das Bundesgebiet zu verlassen. Die am geplante Abschiebung scheiterte, weil der Betroffene in seiner Unterkunft nicht anzutreffen war.
2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum angeordnet.
3Mit Schreiben vom hat F.G. unter Vorlage einer Erklärung des Betroffenen gegenüber dem Amtsgericht mitgeteilt, dass er eine Person des Vertrauens des Betroffenen (Vertrauensperson) sei, und beantragt, die Haft aufzuheben sowie - für den Fall der Haftentlassung - die Rechtswidrigkeit der Haft feststellen zu lassen. Das seine Hinzuziehung als Vertrauensperson sowie die "weitergehenden Anträge" abgelehnt. Die Beschwerde des F.G. hat das Landgericht nach Ablauf der angeordneten Haft mit Beschluss vom als unzulässig verworfen, soweit das Landgericht den Haftaufhebungsantrag zurückgewiesen hat. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt F.G. das Feststellungsbegehren weiter.
4II. Das - zulässige (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 26/12, juris Rn. 2; vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13; vom - XIII ZB 24/20, juris Rn. 2) - Rechtsmittel ist begründet.
51. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die von F.G. eingelegte Beschwerde sei unzulässig, weil ihm die Beschwerdeberechtigung fehle. Er sei keine Vertrauensperson im Sinne des § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Es sei nicht festzustellen, dass sich zwischen ihm und dem Betroffenen in der Haft eine enge Verbundenheit und ein besonderes Vertrauen entwickelt habe. Eine persönliche Anhörung des Betroffenen sei nicht erforderlich, weil es bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung des Vertrauensverhältnisses fehle.
62. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beschwerde war, anders als das Beschwerdegericht gemeint hat, zulässig.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Freiheitsentziehungsverfahren grundsätzlich der- oder diejenige Person des Vertrauens, um dessen oder deren Beteiligung der Betroffene bittet; weitergehende Voraussetzungen, wie etwa ein Näheverhältnis oder wenigstens eine nachvollziehbar dargelegte persönliche Beziehung zum Betroffenen und ein daraus folgendes ideelles Interesse der Person am Ausgang des Verfahrens, sind nicht erforderlich (, InfAuslR 2020, 387 Rn. 10 f.). Es genügt, wenn - wie hier - der Betroffene in einer Vollmacht die Person nicht nur mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bevollmächtigt, sondern sie ausdrücklich auch als Person seines Vertrauens benannt hat, die über seine Inhaftierung und deren Fortbestand nach Art. 104 Abs. 4 GG, § 432 FamFG unterrichtet und an dem Verfahren beteiligt werden soll. Gründe, an der Ernstlichkeit dieser Benennung zu zweifeln, sind den Feststellungen nicht zu entnehmen.
8F.G. stand als Vertrauensperson im Haftaufhebungsverfahren ein eigenes Beschwerderecht zu (BGH, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13). Er verfügte als Vertrauensperson auch über ein eigenes Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf das vorgebrachte Feststellungsbegehren. Eine Vertrauensperson kann, wenn sich - wie hier - der Haftaufhebungsantrag in der Hauptsache erledigt hat, in gleicher Weise wie der Betroffene die Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft feststellen lassen (BGH, InfAuslR 2020, 387 Rn. 15).
93. Die angefochtene Entscheidung ist daher nach § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:281122BXIIIZB132.19.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-32459