Rücktritt vom Kaufvertrag über ein vom sog. Abgasskandal betroffenes Fahrzeug: Anforderungen an die Substantiierung hinsichtlich der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung
Leitsatz
Zur Frage der Substantiierungsanforderungen hinsichtlich der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts von einem Kaufvertrag über ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenes Fahrzeug (im Anschluss an , BGHZ 231, 149 Rn. 21 ff.; vom - VIII ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 20 ff.; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 Rn. 16 ff.; vom - VIII ZR 88/21, WM 2022, 2242 Rn. 12 ff.; jeweils mwN).
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 323 Abs 1 BGB, § 323 Abs 2 Nr 3 BGB, § 326 Abs 5 BGB, § 434 Abs 1 BGB, § 437 Nr 2 BGB, § 440 S 1 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV, § 529 ZPO
Instanzenzug: Az: I-9 U 11/20vorgehend LG Mönchengladbach Az: 11 O 197/18 Urteil
Gründe
I.
1Der Kläger erwarb aufgrund einer "verbindlichen Bestellung" vom von der Beklagten ein Gebrauchtfahrzeug, VW Touareg 3.0 V/TDI, R-Line zum Preis von 41.850 €. Auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts nahm die Herstellerin für den vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp einen Rückruf zur Aktualisierung der Motorsoftware vor. Diese Aktualisierung betrifft den sogenannten Warmlaufmodus des SCR-Katalysators (Aufwärmstrategie) sowie eine gedrosselte Dosierstrategie nach Erreichen von 2.400 km AdBlue-Restreichweite. Das sogenannte SCR-System (selective catalytic reduction) reduziert die Stickoxidemission dadurch, dass dem Abgas eine wässrige Harnstofflösung (AdBlue) beigemischt wird. Durch die sodann ausgelöste chemische Reaktion werden die Stickoxide im Wesentlichen in Abhängigkeit vom Wirkungsgrad des SCR-Katalysators zu Stickstoff und Wasser abgebaut.
2Den Rückruf nahm der Kläger zum Anlass, mit Anwaltsschreiben vom den Rücktritt vom Kaufvertrag zu erklären.
3Das Landgericht hat der auf Rückzahlung des Kaufpreises (41.850 €) nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 36.636,19 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des erworbenen Fahrzeugs, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers, mit welcher er sich gegen die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung gewandt und die Zahlung weiterer 5.213,81 € begehrt hat, zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.
4Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
II.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
6Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags (§ 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1, § 323 Abs. 1, §§ 346, 348 BGB) nicht zu, da er der Beklagten keine Gelegenheit zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) gegeben habe.
7Das Fahrzeug des Klägers sei zwar bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen, da jedenfalls die Drosselung der AdBlue-Einspritzung bei Unterschreiten einer gewissen Restmenge eine unzulässige Abschaltvorrichtung darstelle. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe den Rückruf damit begründet, dass bei Fahrzeugen des vom Kläger erworbenen Typs im Prüfzyklus NEFZ eine sogenannte schadstoffmindernde Aufwärmstrategie anspringe, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert werde. Zudem sei eine Strategie eingesetzt worden, welche die Nutzung von AdBlue ab einer bestimmten Restreichweite beschränke. Somit sei das Fahrzeug mit einem Mangel der Motorsteuerungssoftware behaftet.
8Jedoch fehle es an der gebotenen Fristsetzung zur Nacherfüllung. Eine solche sei vorliegend nicht entbehrlich gewesen.
9Eine Nachbesserung "beziehungsweise" Nacherfüllung sei nicht von vornherein unmöglich (§ 326 Abs. 5 BGB). Gegen eine Unmöglichkeit spreche entscheidend "die E-Mail" des Kraftfahrt-Bundesamts vom , wonach die Umrüstung der bereits in den Verkehr gebrachten betroffenen Fahrzeuge der Volkswagen AG freigegeben worden sei. Hiernach sei davon auszugehen, dass durch das Aufspielen des durch das Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Software-Updates der Mangel der Abschalteinrichtung vollständig beseitigt werde.
10Eine Fristsetzung zur Nachbesserung sei auch nicht aufgrund einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB) entbehrlich gewesen.
11Der Kläger habe vorgetragen, das beabsichtigte Software-Update führe zu Folgemängeln. Er verweise insbesondere auf einen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs, weil sich der mit dem "Abgasskandal" verbundene erhebliche Imageverlust der Herstellerin Volkswagen bei der Preisbildung auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlage. Diese "Überlegungen" des Klägers seien nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung für ihn zu begründen.
12Er trage weder konkret vor, welcher verbleibende Nachteil dem Fahrzeug nach dem Software-Update anhaften könnte, noch, dass dieser Nachteil ein erheblicher sei. Der "ins Blaue hinein vorgetragene", nicht näher begründete subjektive Verdacht eines trotz Nachbesserung durch Aufspielen des Software-Updates verbleibenden weiteren Nachteils genüge nicht für eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB.
13Soweit der Kläger auf einen merkantilen Minderwert des von ihm erworbenen Fahrzeugs abstelle, liefere er keine konkreten Anknüpfungspunkte für eine Preissenkung auf dem Gebrauchtwagenmarkt wegen der neu konfigurierten Motorsteuerungssoftware zum SCR-Katalysator und zur AdBlue-Zufuhr. Der vom Kläger lediglich behauptete merkantile Minderwert aufgrund der "Diesel-Affäre" habe schon im Zeitpunkt des Kaufs des Gebrauchtfahrzeugs im Jahr 2017 bestanden, so dass der Kläger bereits von einem etwaigen merkantilen Minderwert von Dieselfahrzeugen der Marke Volkswagen profitiert habe.
14Ein etwa erhöhter Kraftstoff- oder AdBlue-Verbrauch, der nach dem Software-Update eintreten könnte, führe ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit der Fristsetzung zur Nachbesserung. Wäre das Fahrzeug schon bei Auslieferung mit einer Software ohne unzulässige Drosselung oder Abschaltung des Zusatzes von AdBlue ausgestattet gewesen, wäre der Verbrauch ebenfalls von vornherein höher gewesen. Ein Kläger könne nicht gleichzeitig einerseits eine funktionierende Abgasreinigung und andererseits den AdBlue-Verbrauch bei einer verringerten Abgasreinigung verlangen.
15Schließlich könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, ihm sei eine Fristsetzung zur Nachbesserung wegen eines Vertrauensverlusts gegenüber der Fahrzeugherstellerin, welcher der Beklagten als Verkäuferin zuzurechnen sei, nicht zumutbar gewesen.
III.
16Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat gehörswidrig das hinreichend substantiierte Vorbringen des Klägers zu durch das Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden sowie zu einem am Fahrzeug bestehenden merkantilen Minderwert übergangen und in der Folge versäumt, die hierfür vom Kläger angebotenen Sachverständigenbeweise zu erheben.
171. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, NJW 2022, 3413 Rn. 26; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 429/21, juris Rn. 10; vom - VIII ZR 88/21, WM 2022, 2242 Rn. 10; jeweils mwN). Als grundrechtsgleiches Recht soll es sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; vgl. hierzu etwa , juris Rn. 45; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 11; vom - VIII ZR 88/21, aaO; jeweils mwN).
18Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des betreffenden Sachvortrags sowie eines damit zusammenhängenden Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Tatrichters dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. , NJW 2009, 2598 Rn. 2; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 12; vom - VIII ZR 19/21, juris Rn. 13; vom - VIII ZR 88/21, aaO Rn. 11).
192. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt, hätte das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu etwaigen Folgeschäden des Software-Updates und zu einem merkantilen Minderwert infolge der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Abgasskandal nicht pauschal und ohne nähere Begründung als "ins Blaue hinein vorgetragen" zurückweisen dürfen, sondern hätte den von dem Kläger zum Nachweis seiner Behauptungen angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen. Denn der Kläger ist diesbezüglich den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen gerecht geworden.
20a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom - VIII ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 55; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 19/21, aaO Rn. 27; vom - VIII ZR 88/21, aaO Rn. 20; jeweils mwN). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat (Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 33 mwN). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 80/18, aaO Rn. 55; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 19/21, aaO Rn. 28; vom - VIII ZR 88/21, aaO; jeweils mwN).
21Dabei ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 385/18, NJW-RR 2020, 615 Rn. 83; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 57/19, aaO Rn. 8; jeweils mwN). Sie darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen insbesondere dann als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat (, NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 mwN). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa , NJW 2019, 76 Rn. 34; vom - III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 Rn. 37; vom - VIII ZR 385/18, aaO; vom - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 22; jeweils mwN). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (, NJW-RR 2004, 337 unter II 1; Beschlüsse vom - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 13; vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 16; vom - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 Rn. 18).
22b) Gemessen hieran hat der Kläger ausreichend substantiiert dargelegt, dass nach seiner Auffassung das beklagtenseits zur Beseitigung des Mangels der Motorsteuerungssoftware angebotene Software-Update zu Folgeschäden an dem Fahrzeug führe und zudem auch unabhängig von der Durchführung des Updates ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs verbleibe, weshalb die für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung vorliegend entbehrlich gewesen sei (§ 323 Abs. 2 Nr. 3, § 440 Satz 1 Alt. 3, § 326 Abs. 5 BGB).
23aa) Das Berufungsgericht hätte dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Klägers zu den negativen technischen Auswirkungen des Software-Updates für das Fahrzeug nachgehen müssen.
24(1) Der Kläger hat wiederholt und unter Verweis auf eine fachliche Publikation geltend gemacht, das Aufspielen des Software-Updates sei keine taugliche Nachbesserung, weil es aufgrund der veränderten Motorsteuerung zwangsläufig ein verändertes Motorverhalten in Bezug auf Leistung, Verbrauch und Lebensdauer verursache. Es müssten Verschleißteile, wie etwa Abdichtungen, schneller ausgewechselt werden, wodurch die Lebensdauer des Motors deutlich verringert werde. Infolge des Software-Updates steige der Kraftstoffverbrauch um mehr als 10 % und komme es zu erheblichen Leistungsverlusten des Motors, insbesondere im höheren Drehzahlbereich.
25Anders als die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung meint, hat der Kläger diesen Vortrag in Bezug auf das von ihm erworbene Fahrzeug gehalten und nicht etwa allein auf - hier nicht in Rede stehende - "Maßnahmen der Daimler AG" abgestellt. Er hat sich auch die ihm günstigen Feststellungen des Landgerichts zu eigen gemacht und in seiner Berufungserwiderung den vorgenannten, konkret sein Fahrzeug betreffenden und mit dem bisherigen Vorbringen in Übereinstimmung stehenden Sachvortrag gehalten.
26Damit hat der Kläger ausreichend eine von ihm für wahrscheinlich erachtete, nicht ordnungsgemäße Nachbesserung durch das Software-Update dargetan. Insbesondere durfte er sich dabei als Laie - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Funktionsweise des Software-Updates keine genaue Kenntnis von dessen konkreter (Aus-)Wirkung haben, weswegen er betreffend die von ihm befürchteten Folgeschäden letztlich auf Vermutungen angewiesen ist und diese naturgemäß nur auf entsprechende Anhaltspunkte stützen kann (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 85 f.; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7 ff.; vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 20; vom - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 Rn. 21). Weitere Einzelheiten, etwa zum Umfang einer Verringerung der Fahrzeugleistung, zu einer Erhöhung des Abgasausstoßes oder selbst zu einem Anstieg des Kraftstoffverbrauchs sind von ihm nicht zu fordern.
27(2) Schließlich führt auch der von der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung hervorgehobene Umstand, dass das Kraftfahrt-Bundesamt das Software-Update mit Bescheid vom freigegeben und negative Auswirkungen auf das Verbrauchsverhalten des Fahrzeugs verneint hat, nicht zu erhöhten Substantiierungsanforderungen beim Kläger als Laien, zumal das Kraftfahrt-Bundesamt nicht offengelegt hat, auf welche Weise diese Erkenntnisse konkret gewonnen wurden (siehe bereits Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 87; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 22; vom - VIII ZR 33/20, aaO Rn. 23).
28bb) Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht auch über die Behauptung des Klägers, das Software-Update könne wegen des hiervon unberührt bleibenden merkantilen Minderwerts zu keiner vollständigen Mangelbeseitigung führen, Beweis erheben müssen. Der Kläger hat vorgetragen - und dies von vornherein ebenfalls unter Sachverständigenbeweis gestellt -, das Fahrzeug werde immer mit einem Makel behaftet sein, da es einen merkantilen Minderwert von 30 % aufweise, der sich auch durch eine - aus Sicht des Klägers nicht mögliche - technisch einwandfreie Nachbesserung nicht beseitigen ließe.
29Dieses Vorbringen erweist sich (jedenfalls derzeit) als ausreichend substantiiert, um einen allein aufgrund des Makels "vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug" bestehenden merkantilen Minderwert darzulegen. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, lässt sich bislang nicht allgemeingültig und abschließend beantworten, ob die Eigenschaft eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs in - dem Charakter eines Fahrzeugs als Unfallfahrzeug - vergleichbarer Weise einen (unbehebbaren) Sachmangel darstellt, weil sie ebenfalls einen merkantilen Minderwert zur Folge hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 25; vom - VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 26; vom - VIII ZR 386/20, juris Rn. 29; vom - VIII ZR 19/21, juris Rn. 33; vom - VIII ZR 88/21, WM 2022, 2242 Rn. 23). Der Senat hat deshalb (jedenfalls derzeit) weitere, über den oben genannten Vortrag hinausgehende Darlegungen etwa - wie vom Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft angenommen - dahingehend, dass konkrete Anknüpfungspunkte für eine Preissenkung auf dem Gebrauchtwagenmarkt vorgebracht werden, nicht für erforderlich gehalten, um in eine beantragte Beweisaufnahme einzutreten.
30Ob das vom Kläger erworbene Fahrzeug tatsächlich von dem behaupteten Wertverlust betroffen ist - was die Beklagte bestreitet - und ob dieser tatsächlich kausal auf die Betroffenheit vom sogenannten Abgasskandal zurückzuführen ist, ist eine Tatfrage, die gegebenenfalls durch Einholung des hierfür zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachtens zu klären sein wird (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 Rn. 32 mwN).
31c) Soweit das Berufungsgericht den Klägervortrag zu einem behaupteten erhöhten Kraftstoff- oder AdBlue-Verbrauch infolge der Installation des Software-Updates nicht nur als unsubstantiiert angesehen hat, sondern bei einem - zu Gunsten des Klägers - anzunehmenden Mehrverbrauch zu dem Ergebnis gelangt ist, eine Fristsetzung zur Nachbesserung sei auch in diesem (unterstellten) Fall nicht unzumutbar, weil bei einer Ausstattung des Fahrzeugs mit einer ordnungsgemäßen Motorsteuerungssoftware der Verbrauch "von vornherein höher gewesen" wäre, hat es sich - auch insoweit gehörswidrig - mit dem wesentlichen Kern des Klägervorbringens erkennbar nicht befasst.
32Denn ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt auch dann vor, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZB 90/18, WM 2019, 1973 Rn. 10; vom - VI ZR 165/19, NJW 2020, 934 Rn. 7; jeweils mwN).
33So liegen die Dinge hier. Der Kern des Klägervortrags besteht darin, dass der Kraftstoff- und AdBlue-Verbrauch gerade (erst) infolge des Software-Updates ansteigt und dem Kläger aufgrund dieser behaupteten negativen Folge das Setzen einer Frist zu dieser Form der Nachbesserung nicht zumutbar sei. Auf die Höhe des ursprünglichen Verbrauchs kommt es danach nicht entscheidend an. Zudem wird die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, im Falle einer ordnungsgemäßen Motorsteuerungssoftware wäre der Verbrauch des Fahrzeugs von Anfang an höher gewesen, nicht durch entsprechende Feststellungen getragen.
34d) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).
35Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es das Vorbringen des Klägers in gebotener Weise zur Kenntnis genommen und den angebotenen Sachverständigenbeweis zu den behaupteten Folgeschäden des Updates und zum merkantilen Minderwert des Fahrzeugs erhoben, zu der Überzeugung gelangt wäre, einer Fristsetzung hätte es mit Blick auf die vom Kläger im Rücktrittsschreiben - was vorliegend ausreicht (vgl. , BGHZ 231, 149 Rn. 40; vom - VIII ZR 140/20, VersR 2022, 703 Rn. 21) - als maßgebliche Nacherfüllungsvariante gewählte Nachbesserung durch das Software-Update gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3, § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 326 Abs. 5 BGB ausnahmsweise nicht bedurft. Denn eine Nachbesserung im Sinne von § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB setzt voraus, dass der vorhandene Mangel hierdurch vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt wird (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 140/20, aaO Rn. 30 mwN; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 88/21, WM 2022, 2242 Rn. 18).
36Dass der Kläger nach der Ansicht des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs im Jahr 2017 von einem etwaigen merkantilen Minderwert von Dieselfahrzeugen des Volkswagen-Konzerns "profitiert" habe, ist eine nicht durch tatsächliche Feststellungen belegte Schlussfolgerung. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, infolge der Freigabe des Software-Updates durch das Kraftfahrt-Bundesamt sei davon auszugehen, dass hiernach der Mangel der Abschalteinrichtung vollständig beseitigt werde und negative Folgen nicht einträten, misst es dem Bescheid zu Unrecht eine (für das hiesige Verfahren) nicht bestehende bindende Tatbestandswirkung zu (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 190/19, BGHZ 232, 94 Rn. 80 ff.; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 Rn. 30; jeweils mwN).
373. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Senat geprüft, jedoch nicht für gegeben erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).
IV.
38Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:131222BVIIIZR298.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 258 Nr. 6
ZIP 2023 S. 972 Nr. 18
GAAAJ-32077