Unzulässige Berufung
Gesetze: § 64 Abs 6 S 1 ArbGG, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 38 Ca 11841/20 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 17 Sa 1066/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten, gegen die der Kläger sich sinngemäß mit dem Antrag gewandt hat
2Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
3Die Revision der Beklagten ist begründet, weil die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts mangels ausreichender Begründung unzulässig ist.
4I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (st. Rspr., zuletzt - Rn. 16).
5II. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll ( - Rn. 15).
6III. Nach diesen Grundsätzen ist die Berufung unzulässig. Der Kläger setzt sich nicht - hinreichend - mit dem angegriffenen Urteil des Arbeitsgerichts auseinander.
71. Dieses hat gemeint, die streitbefangene Kündigung sei aus Gründen im Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG. Er habe seine Hauptpflicht verletzt, die auf eine Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz ziele. Es sei weder ersichtlich noch vom Kläger unter konkretem Tatsachenvortrag geltend gemacht, dass die ihm mehrfach angebotene Integrationsbeschäftigung unzumutbar sein könnte. Sein pauschaler Hinweis auf gesundheitliche Einschränkungen sei ohne nähere Belege nicht weiterführend. Das „Ärztliche Attest“, wonach ein „wohnungsnaher Arbeitsplatz empfehlenswert“ sei, sei ohne Substanz. Es lasse keine medizinischen Gründe für diese Einschätzung erkennen.
82. In der Berufungsbegründung hat der Kläger letztlich nur eingewandt, die Beklagte müsse, nachdem sie eine betriebsärztliche Untersuchung abgelehnt habe, das „Ärztliche Attest“ akzeptieren, weil es die aktuellste Einschätzung beinhalte.
93. Eine ausreichende Auseinandersetzung mit den die erstinstanzliche Entscheidung tragenden Gründen liegt hierin nicht. Es wird nicht erkennbar, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen diese angegriffen werden sollen (vgl. - Rn. 15). Mit seinen Ausführungen beanstandet der Kläger weder die ihm nach seinem Verständnis auferlegte (sekundäre) Darlegungslast noch ergänzt er sein Vorbringen um die aus seiner Sicht bestehenden medizinischen Gründe (zur Möglichkeit, die Berufung allein auf neuen Vortrag zu stützen, vgl. - Rn. 11 ff., BAGE 167, 14). Sein weiteres Vorbringen im Schriftsatz vom vermag schon deshalb nicht zur Zulässigkeit der Berufung zu führen, weil dieses außerhalb der bereits verlängerten Frist zu ihrer Begründung erfolgt ist und eine ungenügende Berufungsbegründung nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden kann (vgl. - Rn. 15).
10IV. Da dem Senat eine Sachentscheidung über die streitbefangene Kündigung verwehrt ist, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht weder Feststellungen zur Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1 KSchG) noch zum Geltungsgrund des sog. DemografieTV vom im Arbeitsverhältnis der Parteien getroffen hat. Dessen ungeachtet hätte dieser Tarifvertrag die Wirksamkeit der bereits am zugegangenen Kündigung ohnehin nicht hindern können.
11V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:151222.U.2AZR117.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 10
NJW 2023 S. 1459 Nr. 20
RAAAJ-31499