BFH Urteil v. - I R 18/20

Zulässigkeit eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 1 FGO

Leitsatz

NV: Voraussetzung für den Erlass eines Zwischenurteils als sog. Grundurteil (über den Grund des Anspruchs, § 99 Abs. 1 FGO) ist die positive Feststellung des Gerichts, dass nach hoher Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. Senatsbeschluss vom  - I B 53/12, BFH/NV 2013, 1561, m.w.N.).

Gesetze: FGO § 99 Abs. 1; UmwStG 2006 § 22 Abs. 2

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte im Jahr 2007 (Streitjahr) u.a. Einkünfte aus einer Beteiligung als einziger Kommanditist an der . GmbH & Co. KG (KG 1); zugleich hielt er alle Anteile an der . GmbH (GmbH 1), die wiederum an der . GmbH (GmbH 2) beteiligt war. Die GmbH 2 war ohne vermögensmäßige Beteiligung Komplementärin der KG 1.

2 Am ..2007 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH 1 die Erhöhung des Stammkapitals zum Zwecke der Verschmelzung mit der KG 1. Diese Verschmelzung erfolgte durch die Einbringung der Mitunternehmeranteile an der KG 1 zu Buchwerten gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten gemäß §§ 20 ff. des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2006).

3 Nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags vom ..2009 wurde sodann die GmbH 1 als Muttergesellschaft auf die GmbH 2 als ihre Tochtergesellschaft im Wege der Aufnahme verschmolzen. Eine Kapitalerhöhung erfolgte infolge des Verzichts der Beteiligten nicht; darüber hinaus verzichtete der Kläger als Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile an der GmbH 1 auch auf die Gewährung von Geschäftsanteilen an der GmbH 2.

4 Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, im Streitjahr seien die Voraussetzungen einer rückwirkenden Besteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II erfüllt. Da der Kläger im Streitjahr seinen Mitunternehmeranteil an der KG 1 in die (dann im Jahr 2009 verschmolzene) GmbH 1 gemäß § 20 UmwStG 2006 zu Buchwerten eingebracht habe, ergebe sich bezüglich der ursprünglich im Betriebsvermögen der KG 1 befindlichen miteingebrachten Anteile an der GmbH 2 als Kapitalgesellschaft eine sog. Steuerverhaftung nach § 22 Abs. 2 UmwStG 2006. Die nachfolgende Verschmelzung der GmbH 1 auf die GmbH 2 mit Vertrag vom ..2009 sei grundsätzlich als schädliche Veräußerung anzusehen und sie sei auch innerhalb der dortigen siebenjährigen Sperrfrist erfolgt.

5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) folgte dieser Würdigung und änderte am zum einen den Einkommensteuerbescheid vom gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung; die festzusetzende Einkommensteuer verblieb infolge des zum festgestellten Verlustvortrags bei 0 €. Zum anderen änderte es am selben Tage auch den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum vom , indem es unter Abzug des nunmehr in der Berechnung des geänderten Einkommensteuerbescheids verbrauchten Verlustvortrags zum einen verbleibenden Verlustvortrag von nur noch . € (bisher: . €) gesondert feststellte.

6 Nach erfolglosem Einspruch hat der Kläger gegen den genannten Verlustfeststellungsbescheid auf den Klage vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) erhoben. Unter dem erging das Zwischenurteil 8 K 339/15 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 794) mit dem Inhalt, dass die Verschmelzung der GmbH 1 auf die GmbH 2 beim Kläger „dem Grunde nach“ die rückwirkende Besteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II auslöse.

7 Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf die Verletzung von Bundesrecht stützt. Er beantragt, das angefochtene Zwischenurteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug in Höhe von . € festgestellt wird.

8 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil das FG in verfahrensrechtswidriger Weise durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu Lasten des Klägers über die streitgegenständliche Rechtsfrage entschieden hat, ob der Kläger im Streitjahr „dem Grunde nach“ einen sog. Einbringungsgewinn II zu versteuern hat.

10 1. Das FG durfte über die angesprochene Rechtsfrage nicht ohne weitere Feststellungen vorab durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 1 FGO entscheiden.

11 a) Nach § 99 Abs. 1 FGO kann ein Gericht u.a. in dem Fall, dass bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt ein Anspruch nach Grund und Betrag strittig ist, durch Zwischenurteil „über den Grund“ vorab entscheiden. In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass ein sog. Grundurteil dann erlassen werden darf, wenn sich im konkreten Einzelfall der Streit über den Grund eines Anspruchs von demjenigen über die Höhe des Anspruchs trennen lässt (Senatsurteil vom  - I R 67/97, BFH/NV 1998, 1197). Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils ist aber die positive Feststellung, dass nach hoher Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht (Senatsbeschluss vom  - I B 53/12, BFH/NV 2013, 1561, m.w.N.), so dass die Beantwortung der Rechtsfrage auch entscheidungserheblich ist.

12 b) Zu dieser Voraussetzung hat das FG keine Feststellungen getroffen. Dem FG-Urteil lässt sich nicht entnehmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass im Streitfall ein Einbringungsgewinn II „der Höhe nach“ (überhaupt) angefallen ist.

13 Die Entscheidungsgründe des FG-Urteils verweisen darauf, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers erstmals in der mündlichen Verhandlung auch den vom FA ermittelten Gewinn „der Höhe nach“ angegriffen haben. Es werde anstelle der Bemessung anhand des Substanzwertes der Ansatz eines geringeren Ausgangswertes begehrt, der infolge der andauernden Verluste der Gesellschaft als Liquidationswert der Gesellschaft „im Idealfall aus Klägersicht“ sogar „mit 0 € zu bemessen“ sei. Das FG hat zu diesem Vorbringen zwar ausgeführt, die Klägerseite habe hierfür in der Verhandlung keine konkreten Nachweise vorlegen können; es hat damit aber ein solches Ergebnis auch nicht ausgeschlossen und damit nicht positiv festgestellt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Anfall eines Einbringungsgewinns II (positiver Betrag) auszugehen sei.

14 2. Eine Umdeutung des nicht statthaften Grundurteils nach § 99 Abs. 1 FGO in ein statthaftes Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO (vgl. hierzu , BFH/NV 2009, 1087) ist im Streitfall ausgeschlossen. Denn die Beteiligten sind nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass „ggf. durch Zwischenurteil auf der Grundlage von § 99 Abs. 1 FGO…entschieden werden müsste“.

15 3. Mit der Aufhebung eins Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlass des Zwischenurteils bestanden hat, ohne dass es einer förmlichen Zurückverweisung an das FG bedarf (, BFH/NV 2016, 47; vom  - I R 11/17, BFH/NV 2020, 766).

16 4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

17 Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2022:U.111022.IR18.20.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 149 Nr. 4
BFH/NV 2023 S. 266 Nr. 3
NJW 2023 S. 9 Nr. 6
PAAAJ-31397