Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung - Zurückweisung eines Befangenheitsantrags als Verfahrensmangel
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 46 Abs 2 ZPO, § 202 S 1 SGG, § 557 Abs 2 ZPO, § 177 SGG
Instanzenzug: Az: S 31 AS 491/18 Urteilvorgehend Thüringer Landessozialgericht Az: L 4 AS 210/19 Beschluss
Gründe
1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
2Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB - SozR 1500 § 160a Nr 14; - SozR 1500 § 160a Nr 24; - SozR 1500 § 160a Nr 36).
3Der Kläger trägt zwar vor, ein Verfahrensmangel läge darin, dass das LSG fehlerhaft angenommen habe, die Berufung sei wegen des Unterschreitens des Beschwerdewertes unzulässig. Sollte er damit den Erlass eines Prozessurteils statt eines Sachurteils (vgl nur BH - SozR 4-1500 § 144 Nr 9, SozR 4-1500 § 160 Nr 29) rügen wollen, lässt sich aber aus dem weiteren Vortrag der behauptete Mangel nicht nachvollziehen. Denn er bezeichnet es einerseits als zutreffend, dass seine Anträge auf die Monate Januar und Februar 2011 beschränkt und für diese beiden Monate eine Erstattungsforderung in Höhe von 628,15 Euro (also weniger als 750 Euro, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) im Streit gewesen sei. Ferner habe er höhere Absetzposten vom der Berechnung des Alg II zugrunde gelegten Einkommen geltend gemacht. Zugleich aber behauptet er, es müsse der gesamte Bewilligungszeitraum (ohne diesen aber konkret zu benennen) in Betracht gezogen werden. Alsdann "käme" man "auf einen Streitwert von etwa 1.800 Euro".
4Soweit die Bevollmächtigte des Klägers für den vorbenannten Vortrag auf die der Beschwerdebegründung in Anlage beigefügten Ausführungen des Klägers verweist, ist schon angesichts der dargestellten Widersprüchlichkeit ihres Vortrags nicht erkennbar, dass sie eine eigenständige Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorgenommen hat (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 73 RdNr 57 mwN; vgl zum Ganzen auch ). Diese sind jedoch angesichts des im Verfahren vor dem BSG geltenden Vertretungszwangs (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG) erforderlich. Eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung iS des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG liegt nur vor, wenn sie aus sich heraus erkennen lässt, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Arbeit des Prozessbevollmächtigten ist, für die dieser mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernimmt (vgl - RdNr 20; - RdNr 4; - RdNr 4).
5Im Hinblick auf den weiteren Vortrag, der Beklagte hätte in einem Ausführungsbescheid zu einer (anderen) Entscheidung des LSG höhere Fahrkosten des Klägers berücksichtigen müssen, erschließt sich bereits der Bezug zum behaupteten Verfahrensmangel nicht.
6Auch mit dem Vorbringen, das Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt, weil ein Befangenheitsantrag gegen ein Mitglied des zur Entscheidung berufenen Senats zu Unrecht abgelehnt worden sei, wird kein Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet. Dem Endurteil vorausgehende Entscheidungen unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind (§ 557 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG). Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 46 Abs 2 ZPO zurückgewiesen wird, immer dann gegeben, wenn sie - wie hier - von einem LSG erlassen werden und deshalb gemäß § 177 SGG der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden kann (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 7 mwN). Das Vorliegen von durch die Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen hierzu (vgl nur - RdNr 11) behauptet der Kläger nicht.
7Soweit der Kläger schließlich noch darauf hinweist, es ergäbe sich aus dem Schriftwechsel zwischen ihm und dem LSG, dass ein Richterwechsel stattgefunden habe, fehlt es bereits an Ausführungen dazu, warum dieser Umstand ggf einen Grund für die Zulassung der Revision begründen kann.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:011222BB7AS9322B0
Fundstelle(n):
XAAAJ-31390