BGH Beschluss v. - XIII ZB 131/19

Abschiebungshaft: Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde einer Vertrauensperson des Betroffenen

Gesetze: Art 104 GG, § 62 AufenthG, § 59 Abs 1 FamFG, § 62 FamFG, § 429 Abs 2 Nr 2 FamFG

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 5 T 212/19vorgehend AG Ahlen Az: 11a XIV (B) 10/19

Gründe

1I. Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom ab und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung auf, das Bundesgebiet zu verlassen. Die am geplante Abschiebung scheiterte, weil der Betroffene in seiner Unterkunft nicht anzutreffen war.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht Essen mit Beschluss vom gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum an. Die für diesen Tag geplante Abschiebung scheiterte, weil der Betroffene sich auf dem Weg zum Luftfahrzeug einkotete und nach Reinigung und Kleidungswechsel Widerstand gegen die Abschiebung leistete. Der Flugkapitän verweigerte trotz der vorhandenen Sicherheitsbegleitung die Beförderung des Betroffenen.

3Auf den Antrag der beteiligten Behörde vom hat das Amtsgericht Ahlen mit Beschluss vom Haft längstens bis zum angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene noch im Anhörungstermin Beschwerde eingelegt, welcher das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Mit Schreiben vom hat F.G. gegenüber dem Landgericht mitgeteilt, eine Person des Vertrauens des Betroffenen (Vertrauensperson) zu sein. Nachdem auf seinen Antrag das Amtsgericht Paderborn mit Beschluss vom die Haftanordnung vom aufgehoben hatte, hat F.G. mit weiterem Schreiben vom gegenüber dem Landgericht beantragt, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft festzustellen. Mit Beschluss vom hat das Landgericht den Feststellungsantrag der Vertrauensperson zurückgewiesen.

4II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

51. Die Rechtsbeschwerde der Vertrauensperson ist zwar statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsbeschwerde auch dann ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthaft, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG zurückgewiesen hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 30/15, InfAuslR 2015, 439 Rn. 4; vom - XIII ZB 52/20, juris Rn. 6).

62. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil die Vertrauensperson - die nicht im Namen des Betroffenen, sondern aus eigenem Recht im Interesse des Betroffenen handelt (BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 8; vom - XIII ZB 52/20, juris Rn. 7, 10) - am Verfahren im ersten Rechtszug nicht im Sinne des § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG beteiligt war.

7a) Nach § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG steht einer von dem Betroffenen benannten Person seines Vertrauens - unabhängig von der Beeinträchtigung eigener Rechte - zwar das Recht der Beschwerde im Interesse des Betroffenen zu; dieses Recht besteht jedoch im Haftanordnungsverfahren - anders als im Haftaufhebungsverfahren (vgl. BGH, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13 mwN) - nur, wenn die Vertrauensperson bereits im ersten Rechtszug an dem Verfahren beteiligt wurde. Durch das Erfordernis der erstinstanzlichen Beteiligung sollen Beschwerden solcher durch § 429 Abs. 2 FamFG privilegierter Personen vermieden werden, die am Verfahren erster Instanz kein Interesse gezeigt haben (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 271 f.). Die fehlende Beteiligung im erstinstanzlichen Verfahren hat zur Folge, dass keine gegenüber § 59 Abs. 1 FamFG erweiterte Beschwerdebefugnis besteht. Die Vorschrift des § 429 FamFG gilt auch im Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 205/11, juris Rn. 5; vom - XIII ZB 52/20, juris Rn. 7).

8b) Die Vertrauensperson war am hier in Rede stehenden, die Haftverlängerung betreffenden Anordnungsverfahren vor dem Amtsgericht nicht beteiligt, sondern hat sich darauf beschränkt, nach Erlass des die Haftverlängerung anordnenden Beschlusses einen Haftaufhebungsantrag zu stellen. Das genügt für eine Beteiligung im Sinne des § 429 Abs. 2 FamFG jedoch nicht, weil Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren jeweils selbständige Verfahren bilden (vgl. , juris Rn. 7, 10).

9c) Es besteht vorliegend auch kein Bedürfnis, von dieser Voraussetzung abzusehen. Die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme im Sinne des § 62 FamFG ermöglicht eine solche Feststellung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht losgelöst von dem jeweils bestehenden Rechtsschutzsystem. Sofern es dem Betroffenen zumutbar und möglich war, eine von der Verfahrensordnung bereitgestellte Rechtsschutzmöglichkeit zu ergreifen, kann von ihm erwartet werden, dass er diese wahrnimmt (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 15; vom - V ZB 318/10, juris Rn. 16; vom - V ZB 3/15 Rn. 9). Hier stand es dem Betroffenen frei, nach Erledigung der Haftanordnung selbst einen Antrag gemäß § 62 FamFG zu stellen und auf diese Weise sein Rehabilitierungsinteresse geltend zu machen. Das hat der Betroffene nicht getan.

10Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen wegen unzutreffender Behandlung des durch die Vertrauensperson gestellten Haftaufhebungsantrags kein effektiver Rechtsschutz für den Betroffenen zur Verfügung steht (vgl. dazu , juris Rn. 7, 10). Der Vertrauensperson stand es auch dann, wenn sie im ersten Rechtszug betreffend das Haftanordnungsverfahren nicht beteiligt war, offen, im Haftaufhebungsverfahren vor dem Amtsgericht den gestellten Aufhebungsantrag mit einem Antrag nach § 62 FamFG für den Fall der Erledigung zu verbinden (vgl. , juris Rn. 8), über den sodann neben (oder nach) der Aufhebung der Haft zu entscheiden gewesen wäre.

11Soweit die Rechtsbeschwerde auf den , InfAuslR 2013, 158 Rn. 3) verweist, ergibt sich daraus nichts anderes. Die Beschwerdeberechtigung der Vertrauensperson ergab sich in jenem Verfahren, dem ein Haftaufhebungsantrag und nicht eine Beschwerde gegen die Haftanordnung zugrunde lag, aus dem Umstand, dass die Vertrauensperson diesen Aufhebungsantrag vor dem Amtsgericht selbst gestellt hat und damit im ersten Rechtszug dieses Verfahrens beteiligt war.

123. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:251022BXIIIZB131.19.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-30636