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IWB Nr. 1 vom Seite 25

Entstrickung bei Wechsel der Ansässigkeit

FG Baden-Württemberg, Urteil v. 4.8.2022 - 1 K 2898/21

Sergej Müller

Grenzüberschreitend [i]FG Baden- Württemberg, Urteil v. 4.8.2022 - 1 K 2898/21, NWB HAAAJ-22763 aktive Personen begründen durch mehrere Anknüpfungspunkte der Besteuerung in verschiedenen Jurisdiktionen unterschiedliche Arten von Steuerpflichten. Die mehrfache Begründung von Steuerpflichten hat dabei i. d. R. eine Besteuerungskonkurrenz und in der weiteren Konsequenz die Gefahr einer Doppelbesteuerung zur Folge. Diese wird in DBA-Fällen durch die Zuordnung der Ansässigkeit und die anschließende Aufteilung der Besteuerungsrechte aufgelöst. Mitunter helfen auch unilaterale Maßnahmen, eine drohende Doppelbesteuerung zu reduzieren. Sollte es dabei zu einer Beschränkung oder einem Ausschluss des Besteuerungsrechts Deutschlands kommen, können verschiedene Entstrickungstatbestände zu einer fiktiven Veräußerung des entstrickten Vermögens führen – die Besteuerung sog. Dry Income ist die Folge. Das FG Baden-Württemberg hatte kürzlich in einem Fall zu entscheiden, in dem der Kläger einen Wegzug deklarierte, der jedoch nach umfassenden Ermittlungen der Finanzbehörden gerade nicht erfolgt war. Das Urteil gibt umfangreiche Hilfestellungen zur Einordnung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Kontext der abkommensrechtlichen Ansässigkeit. Vor diesem Hintergrund vermittelt dieser Aufsatz einen Überblick über die Entstrickungstatbestände (s. unter I), ordnet den Ausschluss bzw. die Beschränkung der Besteuerungsrechte im uni- und bilateralen Kontext ein (II) und stellt das Urteil des FG Baden-Württemberg vor (III), bevor ein Fazit mit möglichem Handlungsbedarf den Artikel abschließt.

Kernaussagen
  • Der deutsche Gesetzgeber kennt eine Vielzahl von Vorschriften, die eine steuerliche Entstrickung zur Folge haben. Konsequenz dieser Entstrickungstatbestände ist die Besteuerung von Dry Income.

  • Der Ausschluss respektive die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hat nach Maßgabe der uni- und bilateralen Vorgaben zu erfolgen. Da die Zuordnung der Besteuerungsrechte auch an die Ansässigkeit der Person anknüpft, ist die Prüfung der Ansässigkeit integraler Bestandteil einer Entstrickungshandlung. Dabei kann sich durch den Tatbestand des Mittelpunktes der Lebensinteressen eine „schleichende“ Entstrickung einstellen.

  • Das FG Baden-Württemberg gibt in einem jüngeren Urteil einen für die Berufspraxis praktischen Überblick über die Prüfung der Ansässigkeit und formuliert verschiedene Kriterien, die eine Ansässigkeit nach Maßgabe des Mittelpunktes der Lebensinteressen begründen können.S. 26