BGH Urteil v. - IV ZR 327/20

Instanzenzug: Az: 9 U 19/20vorgehend Az: 23 O 162/19

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen - AVB Teil I" (im Folgenden: AVB Teil I) zugrunde, die auszugsweise lauten:

"§ 19 Kann sich nach Abschluss des Vertrages der Beitrag, ein Selbstbehalt oder ein vereinbarter Risikozuschlag ändern?

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Versicherungsleistungen z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleichen wir zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung bei den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit von uns überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. […]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch uns und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

[…]"

3Der Kläger unterhält bei der Beklagten in der Krankheitskostenversicherung den Tarif B                . Die Beklagte informierte ihn mit Schreiben vom Februar 2014 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung zum , wobei der Erhöhungsbetrag erst ab dem gezahlt werden musste (im Folgenden: Prämienerhöhung zum ). Mit Schreiben vom Februar 2015, dem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beilag, teilte die Beklagte ihm die Höhe dieser Prämienanpassung mit 38,14 € mit. Weitere Beitragserhöhungen erfolgten zum und .

4Im Schreiben vom Februar 2014, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:

"[…]

heute informieren wir Sie darüber, dass wir zum Ihre Beiträge deutlich erhöhen müssen. Der wesentliche Grund hierfür sind die gestiegenen Kosten für medizinische Leistungen. Medizinischer Fortschritt und ständig verbesserte Behandlungsverfahren haben ihren Preis.

[…]"

5Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom forderte er die Beklagte unter anderem zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf. Die Beklagte wies diese Forderung mit Schreiben vom zurück.

6Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage zunächst neben der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Rückzahlung der auf die Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 9.558,48 € nebst Zinsen seit dem sowie die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen zum , und unwirksam seien und er nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet sei. Mit Schriftsatz vom hat der Kläger den Feststellungsantrag für erledigt erklärt; die Beklagte hat dem widersprochen. Der Kläger hat daraufhin die Feststellung beantragt, dass der ursprüngliche Feststellungsantrag zulässig und begründet war.

7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine Anträge weiterverfolgt, wobei er den Zahlungsantrag auf 8.943,87 € reduziert hat. Zusätzlich hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die genannten Prämienerhöhungen gezahlt hat, und diese ab dem zu verzinsen hat.

8Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 8.630,61 € nebst Zinsen seit dem und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 808,13 € verurteilt worden ist. Außerdem hat es festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger die Feststellung beantragt hat, dass die Prämienerhöhungen zum und zum bis zum unwirksam waren und der Kläger nicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge verpflichtet ist. Weiterhin hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger vom bis zum auf die Beitragserhöhungen zum , und gezahlt hat, dem Kläger herauszugeben und diese ab dem zu verzinsen hat.

9Mit der Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und Klageabweisung, soweit sie zur Zahlung von mehr als 7.028,73 € und von Prozesszinsen vom bis zum verurteilt und ihre Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen aus Erhöhungsbeträgen aufgrund der Neufestsetzung des Beitrags im Tarif B                zum und zum für die Zeit vor dem festgestellt worden und sie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 808,13 € verurteilt worden ist.

Gründe

10Die Revision hat nur in geringem Umfang Erfolg.

11I. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Tariferhöhungen in formeller Hinsicht unwirksam gewesen seien. Die Begründungsschreiben nebst Anlagen genügten nicht den zu stellenden Mindestanforderungen im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG. Aus allen Schreiben ergebe sich nicht, welche der beiden in § 203 Abs. 2 VVG genannten Rechnungsgrundlagen sich konkret verändert habe. Ebenso wenig werde dargestellt, welche konkreten Tarife von diesen Veränderungen betroffen seien und ob es eine Veränderung der Rechnungsgrundlagen gegeben habe, die auch die im Gesetz angegebene Quote überstiegen habe bzw. ob wegen einer Überschreitung des Schwellenwertes von 5 % eine Beitragsanpassung nach § 19 AVB Teil I vorgenommen worden sei. Die Beitragsanpassung zum sei zudem wegen Irreführung des Versicherungsnehmers formell unwirksam gewesen. Dass die Beitragserhöhung wegen einer Abweichung der Leistungsausgaben oberhalb des festgelegten Prozentsatzes "nach unten" erfolgt sei, lasse sich dem Mitteilungsschreiben nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen.

12Die Prämienerhöhungen zum und seien mit Zustellung der Klageerwiderung geheilt und zum wirksam geworden. Die Beitragsanpassung zum sei dagegen im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel gemäß § 19 AVB Teil I endgültig unwirksam. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche insoweit §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, § 203 Abs. 2 VVG, nach denen eine Prämienanpassung nur zulässig sei, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art sei. Bezüglich dieser Tariferhöhung sei keine Erledigung der Hauptsache mittels Heilung der formellen Unwirksamkeit eingetreten. Der ursprüngliche Feststellungsantrag wäre vielmehr nach wie vor zulässig und begründet, sodass der zuletzt gestellte Feststellungsantrag insoweit im Ergebnis unbegründet sei.

13Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Juni 2019 vorsehe, und ergäben insgesamt 8.630,61 €. Die Rückforderungsansprüche wegen der bis zum Ende des Jahres 2015 geleisteten Prämien seien verjährt. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten bzw. den von Beginn an unwirksamen Prämienerhöhungen bis einschließlich Juni 2019. Der Zinsanspruch folge im Hinblick auf das verzugsbegründende Schreiben des Klägers und der Zurückweisung dieser Forderung durch Schreiben der Beklagten aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

14II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis überwiegend stand.

151. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom aaO Rn. 26).

162. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhung zum diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.

17Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer der Mitteilung nicht entnehmen, welche Rechnungsgrundlage sich konkret verändert habe. Das Berufungsgericht hat diesem Schreiben nur Gründe der Beitragserhöhung wie den medizinischen Fortschritt und die damit verbesserten Behandlungsverfahren entnommen. Seine Annahme, es fehle an einer Bezugnahme auf die konkret betroffenen Tarife und die Angabe, dass eine Veränderung der Versicherungsleistungen den im Gesetz oder den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert überschritten habe, ist nicht zu beanstanden. Für dieses Ergebnis kam es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - insoweit ggf. abweichend von den zuvor zutreffend bestimmten Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung - darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, ob der gesetzliche oder ein in den Versicherungsbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde.

18Soweit das Berufungsgericht eine Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen vermisst hat, bezieht sich dies auf die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung, und nicht auf die Frage, in welchem Tarif die Beklagte eine Prämienanpassung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch den beigefügten Nachtrag zum Versicherungsschein, in dem für jeden Tarif die jeweilige Prämienerhöhung aufgeführt war, nicht als ausreichende Mitteilung angesehen hat.

19Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, die Mitteilung der Prämienanpassung zum führe zudem wegen einer Irreführung des Versicherungsnehmers zur formellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, nicht zur Information des Versicherungsnehmers erforderlich (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 27). Da das Berufungsgericht dies aber nur als weiteren Grund für die Annahme einer unzureichenden Mitteilung der maßgeblichen Gründe angeführt hat, verbleibt es bei der Feststellung der formellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung.

203. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der am zugestellten Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. , BGHZ 228, 56 Rn. 42; vom - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66). Es hat dem Kläger daher zutreffend die auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile für den Zeitraum vom bis zum - wie beantragt - in Höhe von 8.630,61 € zugesprochen (38,14 € x 42 Monate + 129,90 € x 39 Monate + 72,69 € x 27 Monate). Soweit es dabei die formelle Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen zum und zugrunde gelegt hat, wird dies von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

21Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

224. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienanpassung im Tarif B                zum über die formelle Unwirksamkeit hinaus mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhung an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

23a) Bei der genannten Prämienanpassung lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 19 Abs. 1 AVB Teil I den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei der hier in Rede stehenden Prämienanpassung überschritten.

24b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022,1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b der Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung (im Folgenden: MB/KK), mit dem der hier verwendete § 19 AVB Teil I im Kern übereinstimmt, einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Versicherungs- oder Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK, der § 19 Abs. 2 AVB Teil I entspricht, unwirksam (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 31 f.), dies lässt aber die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und der ihn ergänzenden Tarifbedingungen des Versicherers, mit denen der hier verwendete § 19 Abs. 1 AVB Teil I im Kern übereinstimmt, unberührt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 33 ff.).

25c) Die materiellen Voraussetzungen der Prämienanpassung im Übrigen liegen hier unstreitig vor.

265. Da die Prämienanpassung zum in dem hier maßgeblichen Zeitraum formell unwirksam war, hat deren materielle Wirksamkeit keine Auswirkungen auf die Höhe der begründeten Klageforderung. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht daher auch im Ergebnis zutreffend der Zurückweisung des Klageantrags auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache bezüglich dieser Prämienanpassung zugrunde gelegt, dass die ursprünglich erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung und der Nichtzahlungspflicht zulässig und begründet war. Es kann damit vorliegend offenbleiben, ob die für den Erledigungsausspruch erforderliche Feststellung, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch bis zu dem erledigenden Ereignis zulässig und begründet war, überhaupt an der materiellen Rechtskraft des Erledigungsurteils teilnimmt (vgl. , juris Rn. 13). Durch die - unzutreffende - Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ohne Heilungsmöglichkeit sei kein erledigendes Ereignis eingetreten und der Feststellungsantrag deswegen abzuweisen, wird die Beklagte dagegen nicht beschwert.

276. Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem geleisteten Prämienanteile durch die Zustellung der Klageschrift am rechtzeitig gehemmt wurde und diese Ansprüche nicht verjährt sind.

28Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. , WM 2008, 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.

297. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen die vom bis zum gezahlten Prämienanteile als Grundlage der Nutzungen umfasst, da dies die begründete, nicht verjährte Hauptforderung ist. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen eine Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen auch insoweit festgestellt, als diese im Jahr 2016 aus den nicht geschuldeten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Der mit der Ziehung der Nutzungen 2016 entstandene Anspruch verjährte mit dem Ablauf des , bevor die Verjährung des Nutzungsherausgabeanspruchs durch die am anhängig gewordene Klageerweiterung gehemmt wurde. Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Verjährung dagegen nicht den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, die ab dem aus den im Jahr 2016 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden, da die Verjährungsfrist erst mit der Anspruchsentstehung durch die Nutzungsziehung zu laufen begann. Darüber hinaus greift die Revision die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen - abgesehen von ihren Einwänden gegen einen Teil der Hauptforderung als Grundlage der Nutzungen - nicht an.

308. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dem Kläger Zinsen auf die Hauptforderung ab dem aufgrund des verzugsbegründenden Schreibens des Klägers vom zugesprochen.

31Entgegen der Ansicht der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Verzugszinsanspruch auch auf die Zeit vom bis zum und damit auf denselben Zeitraum erstreckt hat, für den es auch einen - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Anspruch des Klägers auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen festgestellt hat. Zwar besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen, da der Nachteil, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen, durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen wird (, BGHZ 228, 56 Rn. 58). Aber das bedeutet, dass für ein und denselben Zeitraum entweder nur der Anspruch auf Nutzungsersatz oder nur der Anspruch auf Prozesszinsen - je nachdem, welcher für den Gläubiger günstiger ist - zum Tragen kommt (vgl. , VersR 2019, 1239 Rn. 6). Für den Kläger als Gläubiger ist der Anspruch auf Verzugszinsen günstiger als derjenige auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen, so dass dieser Anspruch rechtsfehlerfrei zugesprochen wurde (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 46: "Der Gläubiger kann aus einer Mahnung keine Rechte herleiten, wenn er eine weit übersetzte Forderung geltend macht. … Dies ist hier der Fall, da der Kläger in seinem Schreiben Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem gesamten Erhöhungsbetrag als Nutzungsersatz begehrte; das ist als tatsächlich gezogene Nutzung aus Krankenversicherungsbeiträgen fernliegend.")

329. Die Verurteilung der Beklagten zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen ist mit den Revisionsanträgen nicht angegriffen worden. Sie ist aber auch dem Grunde nach nicht zu beanstanden, da das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Verzugszinsen unter Verweis auf die Zurückweisung seiner Forderung durch das Schreiben der Beklagten vom zugesprochen hat. Damit hat es diesem Schreiben rechtsfehlerfrei entnommen, dass die Beklagte dort die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat, wodurch sie in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

3310. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der ausgeurteilten Höhe angenommen.

34a) Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründungen der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26 m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom aaO).

35b) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).

36III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für das Verfahren der Vorinstanzen beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG und berücksichtigt, dass bei einer negativen Feststellungsklage kein Feststellungsabschlag vorzunehmen ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:301122UIVZR327.20.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-29817