Verbreitung kinderpornografischer Schriften im Internet: Abgrenzung zur Drittbesitzverschaffung
Gesetze: § 184b Abs 1 Nr 1 StGB vom , § 184b Abs 1 Nr 2 StGB vom , § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 3 KLs 432 Js 54857/17 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum Herstellen kinderpornographischer Schriften und mit Erwerb kinderpornographischer Schriften (Fall II.1), wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verbreiten kinderpornographischer Schriften (Fall II.8), wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften, wegen Verbreitens kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen (II.9 und 10) sowie wegen Erwerbs kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen (II.11 bis 16) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat das Landgericht vier Monate der Strafe als vollstreckt erklärt.
2Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Allein die Schuldsprüche in den Fällen II.1 sowie 8, 9, 10 und 11 bis 16 bedürfen – wie auch vom Generalbundesanwalt beantragt – der Korrektur.
Im Einzelnen:
31. Im Fall II.1 entfällt die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Herstellen kinderpornographischer Schriften. Nach § 30 StGB ist allein die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen strafbewehrt. Die vom Haupttäter nach Vorstellung des Angeklagten zu begehende Tat nach § 184b StGB in der hier maßgeblichen Fassung vom stellte indes ein Vergehen dar.
4Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Die Einzelstrafe im Fall II.1 von einem Jahr und neun Monaten wird dadurch nicht berührt, weil der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO). Es hat zwar bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafzumessung die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Tatbestände berücksichtigt; nach Wegfall eines Delikts verbleiben aber noch weitere tateinheitlich verwirklichte Tatbestände.
5Zwar hat die Strafkammer nach Abwägung allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkte und Ablehnung eines minder schweren Falls den nach § 30 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB in der Fassung vom zugrunde gelegt, ohne erkennbar zuvor geprüft zu haben, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4, 2. Alt. StGB a.F. unter ergänzender Berücksichtigung des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes des § 30 StGB in Betracht kommt (vgl. zur Prüfungsreihenfolge bei minder schweren Fällen BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 18/22; vom – 1 StR 250/21 jeweils mwN). Indes ist der Angeklagte hier-durch nicht beschwert, da sich die verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten an der Untergrenze des vom Landgericht zugrunde gelegten Strafrahmens bewegt und diese milder ist als die Untergrenze des Strafrahmens des minder schweren Falls nach § 176a Abs. 4, 2. Alt. StGB a.F.
6Aus Gründen der Klarstellung ergänzt der Senat den Schuldspruch um die zusätzlich verwirklichte Qualifikation nach § 176a Abs. 3 StGB a.F. (vgl. ) und ändert – auch in den Fällen II.11 bis 16 – die Tenorierung wegen „Erwerbs“ der inkriminierten Schriften in „Besitzverschaffung“ (vgl. Rn. 15).
72. In den Fällen II.8, 9 und 10 ist die Urteilsformel dahin zu korrigieren, dass sich der Angeklagte jeweils der Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern (II.8) schuldig gemacht hat. Es ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte mit einer Weitergabe der von ihm an einen Chatpartner übersandten Bilder an einen nicht mehr kontrollierbaren Personenkreis rechnete. Er hat sich daher nicht einer Verbreitung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom , sondern – wie das Gericht bei der Strafrahmenbestimmung in den Fällen II.9 und 10 zutreffend zu Grunde gelegt hat – einer Drittbesitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Fassung vom schuldig gemacht.
8Der Korrektur steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
93. Der nur geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt keine Kostenermäßigung (§ 473 Abs. 4 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:081122B5STR287.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 860 Nr. 12
DAAAJ-29814