Instanzenzug: Az: 9 U 8/20vorgehend Az: 23 O 191/19
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung der Klägerin.
2Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" (im Folgenden: MB/KK) sowie die "Tarifbedingungen" der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:
"§ 8b Beitragsanpassung
1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]
2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
3. […]"
3Die Klägerin unterhält unter anderem die Tarife B und T . Die Beklagte informierte sie mit Schreiben vom Februar 2013 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif B zum um 40,77 €, mit Schreiben vom Februar 2014 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif T zum um 9,90 € und mit Schreiben vom Februar 2017 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif T zum um 9,66 €. Eine weitere Beitragserhöhung im Tarif B um 79,99 € erfolgte zum .
4Im Schreiben vom Februar 2013, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:
"[…]
wir informieren Sie heute darüber, dass wir in diesem Jahr Ihre Beiträge deutlich erhöhen müssen. Die wesentlichen Gründe hierfür sind der medizinische Fortschritt und die damit verbundenen verbesserten Behandlungsverfahren.
[…]"
5Das Schreiben vom Februar 2014 - mit beigefügtem Nachtrag zum Versicherungsschein - lautete auszugsweise:
"[…]
in Deutschland nehmen schwerwiegende Krankheitsfälle wie psychische Erkrankungen immer mehr zu. Die betroffenen Patienten sind bis zur Genesung oft lange arbeitsunfähig. Das führt zu steigenden Ausgaben der Versicherungen, die diesen Verdienstausfall abdecken. Auch deshalb müssen wir in diesem Jahr die Beiträge für die Krankentagegeldtarife erhöhen.
[…]"
6Das Schreiben vom Februar 2017, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, lautete auszugsweise:
"[…]
Warum ändert sich Ihr Beitrag?
In Deutschland nehmen langwierige Krankheitsfälle zu, gerade im Bereich psychischer Erkrankungen wie Depressionen. Auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden treten immer häufiger auf. Weil Betroffene oft lange arbeitsunfähig sind, steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. Deshalb müssen wir die Beiträge einiger Krankentagegeldversicherungen erhöhen.
[…]"
7Die Klägerin hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom forderte sie die Beklagte unter anderem zur Rückzahlung der ihrer Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien auf. Die Beklagte wies diese Forderung mit Schreiben vom zurück.
8Soweit für die Revision noch von Interesse hat die Klägerin mit ihrer Klage neben der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 5.548,90 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam seien und sie nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge verpflichtet sei. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin den Feststellungsantrag für erledigt erklärt; die Beklagte hat dem widersprochen.
9Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin die Anträge auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten und auf Rückzahlung der Prämien in Höhe von 5.030,78 € nebst Zinsen weiterverfolgt. Außerdem hat sie die Feststellung beantragt, dass der zunächst gestellte Feststellungsantrag, auch soweit er für erledigt erklärt wurde, ursprünglich zulässig und begründet war. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 2.449,29 € nebst Zinsen seit dem und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 492,54 € verurteilt worden ist. Weiterhin hat es festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin ursprünglich die Feststellung beantragt hat, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in der Krankheitskostenversicherung im Tarif T zum um 9,90 € unwirksam ist und sie nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.
10Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Gründe
11Die Revision hat zur zum Teil Erfolg.
12I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Tarifanpassungen zum und wegen der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1.1 der Tarifbedingungen endgültig unwirksam sind. Nach deren eindeutigem Wortlaut werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche insoweit §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, § 203 Abs. 2 VVG, nach denen eine Prämienanpassung nur zulässig sei, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art sei.
13Unabhängig davon erfüllten die Begründungen für die Beitragsanpassungen aus Februar 2013, Februar 2014 und Februar 2017 die zu stellenden Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht. Es fehle jeweils schon an einer eindeutigen Mitteilung dazu, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die konkreten Prämienerhöhungen maßgeblich gewesen sei, sowie an der Angabe, dass die Erhöhung aufgrund einer Überschreitung des hierfür geltenden Schwellenwerts vorgenommen worden sei. Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Juli 2019 vorsehe, in Höhe von insgesamt 2.449,29 €. Die darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche bis Ende 2015 seien verjährt. Der auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete zulässige Klageantrag sei hinsichtlich der Erhöhung im Tarif T zum begründet. Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € zu.
14II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
151. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom aaO Rn. 26).
162. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum , und diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.
17Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkreten Beitragserhöhungen ausgelöst hat. Das Berufungsgericht hat diesen Schreiben nur die Erwähnung gestiegener Gesundheitskosten entnommen; damit umschreibt es die dort verwendeten Formulierungen "steigen[de] Ausgaben" und "medizinische[r] Fortschritt und die damit verbundenen verbesserten Behandlungsverfahren". Seine Annahme, es fehle an einer Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen und die Angabe, dass eine Veränderung der Versicherungsleistungen den im Gesetz oder den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert überschritten habe, ist nicht zu beanstanden. Für dieses Ergebnis kam es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - insoweit ggf. abweichend von den zuvor zutreffend bestimmten Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung - darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, ob der gesetzliche oder ein in den Versicherungsbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde.
18Soweit das Berufungsgericht eine Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen vermisst hat, bezieht sich dies auf die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung, und nicht auf die Frage, in welchem Tarif die Beklagte eine Prämienanpassung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch die beigefügten Nachträge zum Versicherungsschein, in denen für jeden Tarif die jeweilige Prämienerhöhung aufgeführt war, nicht als ausreichende Mitteilung angesehen hat.
193. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung im Tarif T zum sowie der daraus folgenden Nichtzahlungspflicht ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden ist. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in der am zugestellten Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führten (vgl. , BGHZ 228, 56 Rn. 42; vom - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66).
204. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass die Klägerin zur Zahlung der Prämienanteile, die betragsmäßig den zum im Tarif B erfolgten Erhöhungen entsprechen, über den Zeitpunkt der nächsten wirksamen Prämienerhöhung in diesem Tarif zum hinaus nicht verpflichtet sei und daher auch die bis Juli 2019 gezahlten Prämienanteile in diesem Umfang zurückzuerstatten seien. Ab der Prämienanpassung zum , die nach der Entscheidung des Berufungsgerichts auch zu diesem Zeitpunkt wirksam wurde, bestand ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55) entschieden hat, bildet eine spätere wirksame Prämienanpassung fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe.
21Die Klägerin kann daher aus diesem Tarif nur die Erhöhungsbeträge für den Zeitraum vom bis zum , für die Erhöhungen im Tarif T dagegen vom (Erhöhung zum ) bzw. vom Erhöhungszeitpunkt bis zum zurückverlangen. Daraus folgt der Zahlungsanspruch in Höhe von 1.796,97 € (40,77 € x 27 Monate + 9,90 € x 43 Monate + 9,66 € x 28 Monate). Das Berufungsgericht ist dabei in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die sie ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird von der Revision zu Recht nicht angegriffen. Der Betrag ist - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - ab dem beantragten Datum aufgrund Verzuges zu verzinsen.
225. Unzutreffend hat das Berufungsgericht die Prämienanpassungen zum und zum über die formelle Unwirksamkeit hinaus mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.
23a) Bei diesen Prämienanpassungen lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1.1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei den hier in Rede stehenden Prämienanpassungen überschritten.
24b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022,1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 31 f.), dies lässt aber die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8b Abs. 1.1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 33 ff.).
25c) Die materiellen Voraussetzungen der Prämienanpassungen im Übrigen liegen hier unstreitig vor.
266. Da die Prämienanpassungen in dem hier maßgeblichen Zeitraum formell unwirksam waren, hat deren materielle Wirksamkeit keine Auswirkungen auf die Höhe der begründeten Klageforderung. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht daher auch im Ergebnis zutreffend der Zurückweisung des Klageantrags auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache bezüglich der Beitragserhöhung im Tarif T zum zugrunde gelegt, dass die ursprünglich erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen und der Nichtzahlungspflicht zulässig und begründet war. Durch die - unzutreffende - Annahme des Berufungsgerichts, aufgrund einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ohne Heilungsmöglichkeit sei kein erledigendes Ereignis eingetreten und der Feststellungsantrag deswegen abzuweisen, wird die Beklagte nicht beschwert.
27Für die Beitragserhöhung im Tarif B zum war die ursprüngliche Feststellungsklage dagegen nur hinsichtlich deren formeller Unwirksamkeit zulässig und begründet, während die Nichtzahlungspflicht aufgrund der späteren wirksamen Erhöhung in diesem Tarif nur bis zum und damit bei Klageerhebung nicht mehr hätte festgestellt werden können. Die Abweisung des Antrags auf Feststellung der Erledigung beruht daher in diesem Umfang auf der Unbegründetheit der Feststellungsklage.
287. Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem geleisteten Prämienanteile durch die Zustellung der Klageschrift am rechtzeitig gehemmt wurde und dieser Anspruch nicht verjährt ist.
29Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 113/20, BGHZ 232, 31 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. , WM 2008, 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.
308. Bezüglich der Pflicht der Beklagten, die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen, hat die Revision insoweit Erfolg, als die Klägerin lediglich die Freistellung von Kosten in Höhe von 413,64 € verlangen kann.
31a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB angenommen.
32aa) Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründungen der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26 m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom aaO).
33bb) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).
34b) Der Anspruch ist aber nur in Höhe von 413,64 € begründet. Der zugrunde zu legende Gegenstandswert entspricht den im Mai 2019 begründeten Zahlungs- und Feststellungsansprüchen in Höhe von 3.435,75 €. Es bestand ein nicht verjährter Anspruch auf Rückzahlung von Januar 2016 bis Mai 2019 gezahlter Prämienanteile auf die Erhöhungen im Tarif T bzw. bis auf die Erhöhung im Tarif B in Höhe von 1.757,85 € (40,77 € x 27 Monate + 9,90 € x 41 Monate + 9,66 € x 26 Monate). Hinzu kam der Anspruch auf künftige Feststellung, der bei der Erhöhung um 40,77 € im Tarif B zum aber nur zur Hälfte, nämlich bezüglich der Unwirksamkeit der Erhöhung, nicht aber hinsichtlich der Nichtzahlungspflicht begründet war, und damit insgesamt einen Wert von 1.677,90 € hatte ([20,39 € + 9,90 € + 9,66 €] x 42 Monate). Bei Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr errechnet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum geltenden Fassung ein Betrag von 413,64 € (252 € Gebühr x 1,3 + 20 € Pauschale + 66,04 € Umsatzsteuer).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:301122UIVZR329.20.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-29509