BGH Beschluss v. - 1 StR 271/22

(Versuchte bzw. vollendete Hinterziehung von Ertragssteuern einer GmbH: Schätzung bei unterbliebener Führung von Betriebsbüchern

Gesetze: § 370 Abs 1 AO, § 4 Abs 1 S 1 EStG, § 4 Abs 3 EStG, § 5 Abs 1 S 1 EStG, § 1 GewStG, §§ 1ff GewStG, § 8 Abs 1 S 1 KStG, § 22 StGB, § 23 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 1 StR 271/22 Beschlussvorgehend LG Stade Az: 500 KLs 2/21nachgehend Az: 1 StR 271/22 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Uelzen vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Angeklagte wendet sich gegen diese Verurteilung mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zu den Fällen II. 2.1. und II. 2.2. der Urteilsgründe (Hinterziehung von Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 durch die Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen trotz bezogener verdeckter Gewinnausschüttungen; vgl. dazu , BFHE 175, 489, 495 f.; vom – I R 14/92, BFHE 169, 340, 342 sowie I R 17/92, BFHE 169, 343, 350 und vom – I R 41/86, BFHE 158, 338, 340) keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

32. Dagegen hat die Verurteilung wegen vollendeter bzw. versuchter Hinterziehung der Ertragsteuern zugunsten der K.                GmbH keinen Bestand (Verkürzung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 im Fall II. 2.5., versuchte Verkürzung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2015 im Fall II. 2.6. sowie versuchte Verkürzung von Gewerbesteuer für die Jahre 2014 und 2015 in den Fällen II. 2.3. und II. 2.4. der Urteilsgründe). Letztlich kann sich der Senat dem Teilaufhebungsantrag des Generalbundesanwalts nicht verschließen:

4Da die Angeklagte und der mitangeklagte Ehemann für die GmbH überhaupt keine Bücher führten, wofür sie bezogen auf den Zeitraum des Drohens der Zahlungsunfähigkeit im März 2014 bereits rechtskräftig wegen Bankrotts verurteilt sind (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB), blieb als Ausgangspunkt für eine Schätzung allein die Auswertung der Geschäftskonten, um zunächst wenigstens die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermitteln zu können. Es kann offenbleiben, ob eine solche Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) anstelle des an sich nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gebotenen Betriebsvermögensvergleichs als letzte Möglichkeit tragfähige Grundlage einer Schätzung in solchen Fällen einer vollständig fehlenden Buchhaltung sein kann. Denn mit dem Generalbundesanwalt ist indes letzten Endes – insbesondere wegen der Krise der Gesellschaft – ohnehin nicht auszuschließen, dass die vom Landgericht angesetzten Ausgaben in Höhe der Abbuchungen vom Betriebskonto trotz eines Sicherheitszuschlags von 10 % und des Abzugs eines fiktiven Geschäftsführerlohns für den mitangeklagten Ehemann tatsächlich nicht sämtliche relevanten Verbindlichkeiten der GmbH erfassen. Denn nicht bediente Verbindlichkeiten sind gerade nicht einem Bankkonto zu entnehmen. Das Landgericht hätte sich daher mit den Erkenntnissen zur drohenden bzw. eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auseinandersetzen müssen, ob etwa ignorierten Rechnungen oder Mahnungen oder gescheiterten Vollstreckungsversuchen weitere Betriebsschulden zu entnehmen waren.

53. Die in den Fällen II. 2.1. und II. 2.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen (einschließlich der Einsatzstrafe) bleiben von der Aufhebung der Verurteilung in den genannten vier Fällen (einschließlich der zugehörigen Feststellungen) unbeeinflusst. Trotz äußerst straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen verschließt sich der Senat dem Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts auch bezüglich der Gesamtstrafe nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:220922B1STR271.22.1

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 5 Nr. 1
AO-StB 2023 S. 5 Nr. 1
AO-StB 2023 S. 5 Nr. 1
wistra 2023 S. 298 Nr. 7
wistra 2023 S. 299 Nr. 7
VAAAJ-29270