BGH Beschluss v. - 4 StR 133/22

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzrechtliche Bewertung von Gesetzesverstößen des Fahrzeugführers während der Beförderung von Rauschgift in einem Pkw zu Handelszwecken

Gesetze: § 52 StGB, § 315c StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Instanzenzug: Az: 534 KLs 12/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom “ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es eine isolierte Fahrerlaubnissperre von drei Jahren sowie die „Einziehung eines Betrages von 8.435,00 Euro“ angeordnet. Die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

21. Die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand; entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 StGB), sondern Tateinheit (§ 52 StGB) vor.

3a) Nach den Feststellungen transportierte der Angeklagte in seinem Fahrzeug Kokain und Marihuana, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Auf der Fahrt ließ er einen Abnehmer zusteigen und veräußerte während der Fahrt eine Teilmenge von 0,472 Gramm Kokaingemisch zum Preis von 50 € an ihn; anschließend ließ er den Abnehmer aussteigen und setzte seine Fahrt fort, wobei er weiterhin 3,744 Gramm Cannabis sowie 4,744 Gramm Kokain mit sich führte, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren (Fall II.1. der Urteilsgründe). Nachdem er ein ziviles Polizeifahrzeug wahrgenommen hatte, entschloss er sich zur Flucht. Auf der Fluchtfahrt beging er weitere Delikte, die das Landgericht als rechtlich selbstständige Tat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gewertet hat (Fall II.2. der Urteilsgründe).

4b) Da der Angeklagte auf der Fluchtfahrt das zu Handelszwecken bestimmte Rauschgift weiterhin in seinem Fahrzeug transportierte, liegt insoweit Tateinheit (§ 52 StGB) vor. Denn bei der Beförderung von Rauschgift in einem PKW zu Handelszwecken (Einfuhrfahrt, Transportfahrt von Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern o.ä.) stehen weitere Gesetzesverstöße, die der Täter durch das Führen des Transportfahrzeugs verwirklicht, wegen der Teilidentität der Ausführungshandlungen zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 590/18 Rn. 11; Beschluss vom ‒ 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24; Beschluss vom ‒ 4 StR 597/16, NStZ-RR 2017, 123, 124; Beschluss vom ‒ 4 StR 187/13, NStZ-RR 2013, 320, 321). Der Senat ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen.

5c) Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der im Fall II.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von einem Jahr, die einer sachlich-rechtlichen Überprüfung auch im Übrigen nicht standgehalten hätte. Das Landgericht hat strafschärfend auf die Verwirklichung zweier Tatbestandsalternativen des § 315c StGB abgestellt, ohne dass die Annahme, der Angeklagte habe neben § 315c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB auch § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB verwirklicht, von den Feststellungen getragen würde. Zwar „mussten“ bei einem „Abbiegevorgang“ des Angeklagten nach rechts mehrere entgegenkommende Fahrzeuge stark abbremsen; eine konkrete Gefährdung der „vorfahrtsberechtigten Fahrzeuge“ vermochte das Landgericht aber nicht festzustellen. Daher fehlt es für die Tatvariante des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB an der Feststellung eines konkreten Gefahrerfolgs.

6d) Der Gesamtstrafenausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts des weit gehend unveränderten Schuldgehalts der Tat aus, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

72. Demgegenüber kann der Maßregelausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass gegen den Angeklagten in dem gesamtstrafenfähigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom bereits eine Sperrfrist von 18 Monaten angeordnet war, und dass insoweit die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 StGB vorliegen. Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht, wenn in der früheren Entscheidung eine noch nicht erledigte Sperre gemäß § 69a StGB bestimmt war und der Angeklagte erneut wegen einer Straftat verurteilt wird, die seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen belegt, eine neue einheitliche Sperre festzusetzen, welche die frühere Sperre gegenstandslos werden lässt, aber bereits mit der Rechtskraft der früheren Entscheidung zu laufen beginnt (vgl. ‒ 4 StR 72/20, NStZ-RR 2020, 384, 386; Beschluss vom ‒ 4 StR 1/20 Rn. 5; Beschluss vom ‒ 4 StR 320/00, NStZ 2001, 245 mwN; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., § 69a StGB Rn. 12). Im Interesse der Prozessökonomie und zum Ausschluss jeglicher Beschwer des Angeklagten setzt der Senat die isoliert festgesetzte Sperre von drei Jahren in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als einheitliche Sperre fest, die mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten vom zu laufen beginnt.

83. Schließlich kann die Einziehungsentscheidung nicht in vollem Umfang bestehen bleiben. Insoweit hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, dass (auch) die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe von 170 € aus der in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Tat Ziffer 4 der Anklage im subjektiven Verfahren ausscheidet. Eine Einziehung ist nur noch im selbstständigen Einziehungsverfahren möglich, die einen entsprechenden Antrag nach § 435 StPO voraussetzt, an dem es hier fehlt (vgl. ‒ 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153). Darüber hinaus war die Einziehungsentscheidung im Übrigen klarstellend dahin neu zu fassen, dass 50 € der Einziehung (§ 73 StGB) und 8.215 € der erweiterten Einziehung von Taterträgen (§ 73a StGB) unterliegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:210622B4STR133.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-28094