Instanzenzug: OLG Dresden Az: 9a U 2240/20vorgehend LG Chemnitz Az: 5 O 536/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger kaufte am bei einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Touran Trendline TDI 1,6 l zum Kaufpreis von 26.346 €. Dem Kläger entstanden Finanzierungskosten in Höhe von 1.865 € aus einem Kreditvertrag mit einer finanzierenden Bank. Aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs am erzielte der Kläger einen Erlös von 6.500 €.
3Die Beklagte ist Herstellerin des von ihr an den Händler verkauften Fahrzeugs und des in dem Fahrzeug verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
4Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt, nachdem zunächst ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen ihn ergangen ist, sein Zahlungsbegehren in der Hauptsache in Höhe von 12.078,63 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 1) und wegen vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten in Höhe von 1.789,76 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 2) weiterverfolgt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Auf die Berufung des Klägers, mit der er Zahlung in der Hauptsache in Höhe von 8.829,55 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wie in erster Instanz beantragt nebst Zinsen begehrt hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte zur Zahlung von 7.273,39 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers erreichen.
Gründe
5Die unbeschränkt zugelassene ( VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, der Kläger habe nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. §§ 826, 852 Satz 1 BGB fänden im Streitfall Anwendung. Bei einer Neuwagenbestellung durch den Endkunden wie im vorliegenden Fall erlange die Beklagte den Kaufpreis bei wirtschaftlicher Betrachtung - auch wegen des nicht vorhandenen Absatzrisikos des Händlers - nicht auf Kosten des unmittelbaren Vertragspartners, sondern auf Kosten des Endkunden. Welchen Betrag die Beklagte vom Händler konkret vereinnahmt habe, habe keine der Parteien vorgetragen. Bei Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe der Kläger aus eigener Kenntnis nichts vorgebracht und die Beklagte mangels noch vorhandener Aufzeichnungen keine Angaben machen können. Der auf einer Internet-Recherche basierenden Schätzung des Berufungsgerichts, der Händlereinkaufpreis habe keinesfalls unter 50% des vom Kläger entrichteten Kaufpreises bzw. unter (rund) 13.000 € betragen, sei keine der Parteien entgegengetreten. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.273,39 € (Bruttokaufpreis von 26.346 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.437,61 € abzüglich des erzielten Erlöses aus dem Weiterverkauf in Höhe von 6.500 € zuzüglich Kreditkosten in Höhe von 1.865 €) übersteige, sei der Anspruch in Höhe von 7.273,39 € gegeben, der nach § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen sei.
II.
7Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
8Noch rechtsfehlerfrei und von der Beklagten nicht beanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch auf Erstattung des von ihm für das Fahrzeug geleisteten Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und des Erlöses aus dem Weiterverkauf (, NJW 2021, 3594 Rn. 23) zuzüglich der ihm entstandenen Finanzierungskosten (, NJW 2021, 2362 Rn. 14) hat, der bei Klageerhebung im Jahr 2020 allerdings verjährt war. Entgegen den Einwänden der Revision tragen seine Feststellungen außerdem die Annahme des Berufungsgerichts, mangels eines eigenen Absatzrisikos des Händlers habe die Beklagte aus dem Fahrzeugverkauf an den Kläger den Händlereinkaufspreis im Sinne der § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB erlangt ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 14; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 27 f.). Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dagegen übersehen, dass der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB Finanzierungskosten nicht umfasst ( aaO, Rn. 21) und wie der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB der Vorteilsausgleichung unterliegt ( aaO, Rn. 25, 29; Urteil vom , aaO, Rn. 16 f.).
III.
9Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
10Der Senat kann in der Sache selbst erkennen und auf die Revision der Beklagten die Berufung des Klägers insgesamt zurückweisen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere ist die Sache nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, weitere Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises zu treffen. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung des Händlereinkaufspreises die dafür geltenden Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast ( VIa ZR 122/22, zVb) richtig angewandt. Es hat außerdem die sich ihm sonst bietenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft und mit den Parteien erörtert (vgl. , NJW-RR 2022, 499 Rn. 8). Dass das Berufungsgericht weitere Erkenntnismöglichkeiten außer Acht gelassen habe, macht die Revisionserwiderung mit einer Gegenrüge nicht geltend. Der Senat kann deshalb zugunsten der Beklagten einen Händlereinkaufspreis von 13.000 € zugrunde legen, von dem nach Verrechnung der vom Kläger bis zum (und damit vor Klageerhebung) erzielten Nutzungsvorteile in Höhe von 14.437,61 € und dem Weiterverkaufserlös in Höhe von 6.500 € kein Anspruch verbleibt, ohne dass dem Grundsätze des nationalen Rechts oder des Unionsrechts entgegenstünden (vgl. im Einzelnen VIa ZR 542/21, zVb).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR295.22.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-27959