Instanzenzug: Az: 15 U 819/21vorgehend LG Trier Az: 5 O 477/20
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres am verstorbenen Ehemanns, der am bei einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Tiguan 2.0 TDI zum Preis von 29.500 € gekauft hatte. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die den Betrieb auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
3Die Klägerin hat mit der am anhängig gemachten und am zugestellten Klage in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 19.076,67 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Klageantrag zu 1) und von außergerichtlichen Anwaltskosten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten (Klageantrag zu 2), jeweils nebst Prozesszinsen, zu verurteilen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 18.606,83 € und außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 934,03 €, jeweils nebst Prozesszinsen, und weiterer ausgerechneter Zinsen in geringer Höhe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen auf ihre Berufung die Abweisung der Klage erreichen, soweit sie zur Zahlung von mehr als 24.632,50 € abzüglich des (noch näher festzustellenden) Nutzungsvorteils sowie abzüglich weiterer 886,55 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt worden ist. Weiter begehrt sie die Abweisung der Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.
Gründe
4Die unbeschränkt zugelassene ( VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5), im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs begründet.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, die Beklagte habe gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den mit Ablauf des Jahres 2018 verjährten Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag in Höhe von 24.632,50 € (Bruttokaufpreis 29.500 € abzüglich einer zugestandenen Händlermarge von 16,5%, somit 4.867,50 €) den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 18.606,83 € (Bruttokaufpreis 29.500 € abzüglich der bis zum Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz erlangten Nutzungsvorteile in Höhe von 10.839,17 €) übersteige, sei der Anspruch in Höhe von 18.606,83 € gegeben und nach §§ 291, 288 BGB zu verzinsen. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergebe sich in beantragter Höhe aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB.
II.
6Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
7Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, ist dem Grunde nach der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen. Die Beklagte hat die Revision nachträglich wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkt (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8).
8Noch rechtsfehlerfrei und von der Beklagten nicht mehr angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB auf Herausgabe des Erlangten Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs habe, der dem Händlereinkaufspreis entspreche.
9Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Höhe des geschuldeten Restschadensersatzanspruchs jedoch übersehen, dass - was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - von dem von der Beklagten erlangten Händlereinkaufspreis die vom Berufungsgericht nach § 287 ZPO geschätzten Nutzungsvorteile im Wege der Vorteilsausgleichung abzuziehen sind, die das Berufungsgericht lediglich bei der von ihm angestellten Vergleichsbetrachtung berücksichtigt hat.
10Außerdem wendet sich die Revision ungeachtet der nur eingeschränkt überprüfbaren Schadensbemessung nach § 287 ZPO durch den Tatrichter (, BGHZ 225, 316 Rn. 79) mit Erfolg gegen die Höhe der vom Berufungsgericht geschätzten Nutzungsvorteile. Das Berufungsgericht, das seiner Schätzung der durch die Nutzung erlangten Vorteile im Grundsatz eine nicht zu beanstandende Bemessungsmethode zugrunde gelegt hat ( aaO, Rn. 80 ff.), hat einen wesentlichen Bemessungsfaktor außer Betracht gelassen, weil es seiner Berechnung ohne nähere Begründung die Nutzung des Fahrzeugs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz und nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz zugrunde gelegt hat (vgl. , WM 2021, 1560 Rn. 16 f.).
11Schließlich hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass die Klägerin von der Beklagten nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten verlangen kann (vgl. VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 21).
III.
12Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO).
13Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der den Restschadensersatzanspruch übersteigende Anspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB ist, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, nicht durchsetzbar, da die Beklagte dem Anspruch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann. Zwar kann eine grob fahrlässige Unkenntnis des verstorbenen Ehemanns der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen dessen Annahme nicht schon für das Jahr 2015, sondern erst für das Jahr 2016 angenommen werden (vgl. , VersR 2022, 899 Rn. 16 ff.; Urteil vom - VII ZR 692/21, VersR 2022, 1039 Rn. 25 ff.; Urteil vom - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 38 ff.). Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass im Falle der Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB der Rechtsnachfolger die der Verjährung unterliegende, bereits entstandene Forderung in dem Zustand erwirbt, in dem sie sich im Zeitpunkt des Rechtsübergangs befindet, d.h. bereits verjährt, mit laufender Verjährung oder mit noch nicht begonnener Verjährung (vgl. , juris Rn. 25 mwN). Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung lief die dreijährige Verjährung des zunächst in der Person des Erblassers im Jahr 2011 entstandenen Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB noch zu dessen Lebzeiten mit dem Ende des Jahres 2016 an und mit dem Ablauf des Jahres 2019 ab. Die Klägerin hat die Klage erst Ende des Jahres 2020 anhängig gemacht.
14Der Senat kann zugunsten der Beklagten in der Sache selbst entscheiden, soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen aufrechterhalten hat, weil die Aufhebung des Berufungsurteils insoweit nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte ist auch nicht aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin verpflichtet. Die Klägerin behauptet mit ihrer Klageforderung einen Verzugseintritt aufgrund des Schreibens ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Die Kosten der den Verzug begründenden Mahnung stellen aber keinen Schaden infolge des Verzugs dar ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 22).
15Da die Sache im Übrigen nicht zur Endentscheidung reif ist, weil der Senat die Höhe der anzurechnenden Nutzungsvorteile nicht selbst schätzen kann, ist sie im übrigen Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR505.21.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-27635