Haftung des Kraftfahrzeugherstellers in einem sog. Dieselfall: Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf den Restschadensersatzanspruch
Leitsatz
Zur Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf den Restschadensersatzanspruch nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB (Anschluss an , BGHZ 226, 322 Rn. 11 und Urteil vom - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16).
Gesetze: § 31 BGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 249 BGB, § 818 BGB, §§ 818ff BGB, § 826 BGB, § 852 S 1 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV
Instanzenzug: Az: 6 U 266/21 Urteilvorgehend LG Mainz Az: 1 O 189/20
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Klägerin erwarb im Jahr 2014 bei einem Fahrzeughändler unter Verwendung eines Bestellformulars ein Neufahrzeug des Typs VW Beetle 1.6 TDI Cabrio für 27.750 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die verwendete Motorsteuerungssoftware erkannte das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und bewirkte für diesen Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.
3Mit ihrer im Jahr 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der Klägerin teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 16.645,45 € nebst Zinsen und weitere Zinsen aus einem höheren Betrag Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen sowie die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen die Aufhebung des Berufungsurteils erreichen, soweit sie zur Zahlung von mehr als dem - von der Revision mit 22.942,49 € bezifferten - Händlereinkaufspreis abzüglich von der Klägerin erlangter Nutzungsvorteile nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden ist.
Gründe
4Die Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5 mwN), im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs überwiegend begründet.
I.
5Das Berufungsgericht (, juris) hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
6Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB, der jedoch aufgrund der Verjährungseinrede der Beklagten nicht mehr durchsetzbar sei. Nach Verjährung dieses Anspruchs stehe der Klägerin ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu. Durch die Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes und der Erwerber der mit der unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware versehenen Fahrzeuge habe die Beklagte unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin sittenwidrig einen von dieser ungewollten Vertragsschluss herbeigeführt und sich hierdurch auf deren Kosten bereichert. Ihr sei infolge des Fahrzeugerwerbs der Klägerin der von dieser gezahlte Kaufpreis zugeflossen, vermindert durch den an den zwischengeschalteten Händler gezahlten Kaufpreisanteil. Die Beklagte habe demnach aus der gegenüber der Klägerin verübten unerlaubten Handlung einen Geldbetrag von 23.587,50 € erlangt.
7Der Anspruch werde in der Höhe begrenzt durch den Anspruch, den die Klägerin durchsetzen könnte, wenn keine Verjährung eingetreten wäre. Nach §§ 826, 249 Abs. 1 BGB könne die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des von ihr entrichteten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.104,55 € verlangen. Hieraus ergebe sich ein Ersatzanspruch gegen die Beklagte von 16.645,45 €. In diesem Umfang sei die Beklagte zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet.
8Beginnend mit dem Tag nach Zustellung der Klage am stehe der Klägerin ein Zinsanspruch zu. Unter Berücksichtigung der damaligen Fahrleistung schulde die Beklagte Zinsen anfänglich aus einem Betrag von 17.701,95 €, der sich linear auf den zugesprochenen Betrag ermäßige, weil davon auszugehen sei, dass die Klägerin ihre Fahrleistung mit dem Fahrzeug bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gleichmäßig erbracht habe. Die Klägerin habe zudem Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die für ein Anspruchsschreiben vom entstanden seien.
II.
9Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Dabei ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, aufgrund des zuletzt wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revisionsangriffs (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8) einer Überprüfung entzogen.
10Bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht mehr beanstandet angenommen, dass die Beklagte aus dem Fahrzeugkauf der Klägerin den vom Händler an sie entrichteten Händlereinkaufspreis erlangt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts betrug dieser 23.587,50 €. Dass die Beklagte in den Vorinstanzen geltend gemacht habe, der von der Klägerin entrichtete Kaufpreis habe an die Beklagte nicht weitergeleitete Überführungskosten, Kosten für die Zulassung und Kosten für die Prägung der Nummernschilder enthalten, die bei der Ermittlung des Händereinkaufpreises abzuziehen seien, hat die Revision, die lediglich auf eine bei den Akten befindliche Rechnung verweist, nicht fristgerecht mit einer auf einen revisionsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 286 ZPO gestützten Verfahrensrüge geltend gemacht.
11Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand hält dagegen die Berechnung des Restschadensersatzanspruchs durch das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat entgegen den nach Erlass des Berufungsurteils durch den Senat aufgestellten Grundsätzen (vgl. VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) von dem von der Beklagten erlangten Händlereinkaufspreis in Höhe von 23.587,50 € nicht - wie wegen der vorzunehmenden Vorteilsausgleichung geboten - die von ihm gemäß § 287 ZPO geschätzten Nutzungsvorteile in Höhe von 11.104,55 € abgezogen.
12Außerdem hat das Berufungsgericht der Klägerin rechtsfehlerhaft einen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen. §§ 826, 852 Satz 1 BGB ergeben einen solchen Anspruch nicht, weil Vermögensnachteile, die der Klägerin durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der vorgerichtlichen Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs entstanden sind, nicht zu einer Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt haben ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 77). Da sich die Beklagte bis zum Erhalt des anwaltlichen Aufforderungsschreibens vom nicht in Verzug befand, kann die Klägerin die Freistellung auch nicht als Verzugsschaden beanspruchen (vgl. aaO, Rn. 78).
III.
13Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
141. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Klägerin einen Anspruch auf Restschadensersatz in Höhe von 12.482,95 € nebst Prozesszinsen ab dem . Außerdem kann sie von der Beklagten ab dem Prozesszinsen aus anfänglich 13.539,45 € nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB verlangen. Die lineare Reduktion des zu verzinsenden Betrags bis auf 12.482,95 € auf der Grundlage einer unterstellt gleichmäßigen Nutzung des erworbenen Fahrzeugs stellt die Revision nicht in Frage. Soweit das Berufungsgericht von der Abänderung des landgerichtlichen Urteils in weitergehendem Umfang abgesehen hat, ist auf die Berufung der Beklagten mithin die Klage abzuweisen.
152. Eine Sachentscheidung des Senats hindert entgegen der Revisionserwiderung nicht, dass der Restwert des Fahrzeugs - wie von der Revisionserwiderung behauptet - möglicherweise den Betrag von 12.482,95 € übersteigt. Weder das nationale Schadensrecht noch von der Revisionserwiderung ins Feld geführte Grundsätze des Unionsrechts stehen einer Limitierung des Anspruchs der Klägerin aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB durch eine kumulative Berücksichtigung der geldwerten und damit gleichartigen Nutzungsvorteile sowie des Zug um Zug herauszugebenden Fahrzeugs im Wege der Vorteilsausgleichung entgegen.
16a) Das nationale Recht geht im Gegenteil von der kumulativen Berücksichtigung der Nutzungsvorteile und der in der gegenständlichen Verfügbarkeit des Fahrzeugs liegenden Vorteile aus.
17Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für den Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB (, BGHZ 225, 316 Rn. 66 mwN). Die Anwendung dieser Grundsätze kann je nach den Umständen des Einzelfalls zur Folge haben, dass der nach § 826 BGB zu ersetzende Schaden vollständig aufgewogen wird (vgl. , BGHZ 226, 322 Rn. 11). Einwände des Inhalts, mit der Vorteilsausgleichung würden die Präventionswirkung des Deliktsrechts verfehlt, der Schädiger unangemessen entlastet und gesetzliche Wertungen missachtet, greifen nicht durch (vgl. aaO).
18Für den Anspruch auf Gewährung von Restschadensersatz gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gilt nichts anderes. Zwar ist der Schädiger aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 852 Satz 1 BGB nach Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB zur Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet und damit, worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Ausgangspunkt zutreffend hingewiesen hat, für den Umfang des Restschadensersatzanspruchs zunächst die Perspektive des Schädigers maßgeblich. § 852 Satz 1 BGB soll verhindern, dass derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nach Ablauf der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist im Genuss dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils bleibt (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 58 mwN).
19Diese im Ausgangspunkt bereicherungsrechtliche Betrachtung ändert aber nichts daran, dass der Anspruch auf Restschadensersatz seiner Rechtsnatur nach ein deliktischer Schadensersatzanspruch und kein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch ist. Der verjährte Anspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt, soweit es nach Maßgabe der bereicherungsrechtlichen Vorschriften zu einer Vermögensmehrung des Ersatzpflichtigen geführt hat ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 53). Es handelt sich bei § 852 Satz 1 BGB um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen rechtlichen Kleid (vgl. grundlegend , BGHZ 71, 86, 98 ff. zu § 852 Abs. 3 aF; außerdem VIa ZR 8/21, aaO, Rn. 68; Urteil vom - VIa ZR 680/21, WM 2022, 1604 Rn. 17). Deshalb unterliegt der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in gleicher Weise wie der Anspruch aus § 826 BGB der Vorteilsausgleichung (vgl. VIa ZR 8/21, aaO, Rn. 83 f.; Urteil vom - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16; Urteil vom - VIa ZR 485/21, WM 2022, 1739 Rn. 20). Und deshalb kann der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB wie der Anspruch aus § 826 BGB durch die vom Geschädigten durch die schädigende Handlung erzielten Vorteile vollständig aufgezehrt werden. Die bereicherungsrechtliche Perspektive begrenzt den Umfang dessen, was der Geschädigte vom Schädiger fordern kann, setzt aber die allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze weder ganz noch teilweise außer Kraft.
20b) Aus dem Unionsrecht ergibt sich nichts anderes, ohne dass der Senat nach Veröffentlichung der von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom (C-100/21, ECLI:EU:C:2022:420) Anlass hätte, diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Frage zu stellen und eine Stellungnahme des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
21In den Schlussanträgen des Generalanwalts heißt es für einen innerhalb der Regelverjährungsfrist geltend gemachten deliktischen Anspruch ausdrücklich, es sei Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, inwieweit die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs unter normalen Nutzungsbedingungen auf die Erstattung des Kaufpreises dieses Fahrzeugs für den Geschädigten eine angemessene Entschädigung gewährleiste (Schlussanträge vom - C-100/21, ECLI:EU:C:2022:420 Rn. 62). Dabei sei das nationale Gericht befugt zu berücksichtigen, dass der - so bisher vom Gerichtshof allerdings nicht festgestellte und vom Generalanwalt lediglich unterstellte - Schutz der durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten führe.
22Zwar heißt es in den Schlussanträgen - worauf die Revisionserwiderung abstellt - einschränkend weiter, der Nutzungsvorteil für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs könne auf die Erstattung des Kaufpreises angerechnet werden, sofern nicht diese Anrechnung dazu führe, dass der Geschädigte "letztlich keinerlei Ersatz für den erlittenen Schaden" erhalte. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob damit gemeint ist, dass in den Fällen, in denen der Nutzungsvorteil und der Restwert des Fahrzeugs dem Kaufpreis entsprechen oder ihn übersteigen, in unverjährter Zeit von einer Berücksichtigung der Nutzungsvorteile und des Fahrzeugwerts im Wege des Vorteilsausgleichs abzusehen ist. Dies liefe dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot zuwider auf einen Strafschadensersatz hinaus, der weder durch den Grundsatz des vollständigen Ersatzes des erlittenen Schadens noch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit veranlasst ist (vgl. , juris Rn. 37; Urteil vom - C-494/17, juris Rn. 42).
23Selbst wenn den Schlussanträgen aber die Aussage zu entnehmen sein sollte, das Unionsrecht verlange in derartigen Fällen die Nichtberücksichtigung der erlangten Vorteile, stünde es in seiner Auslegung durch den Generalanwalt einer Anrechnung der von der Klägerin erlangten Nutzungsvorteile nebst Zug-um-Zug-Verurteilung auf Herausgabe des Fahrzeugs schon deshalb nicht entgegen, weil die Klägerin nach Verjährung aller anderen deliktischen Ansprüche (vgl. VIa ZR 680/21, WM 2022, 1604 Rn. 25 ff.) einen Anspruch nur noch auf § 852 Satz 1 BGB stützen kann. Für diesen Restschadensersatzanspruch macht das Unionsrecht keine Vorgaben.
24Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren - einschließlich der Verjährungsregelungen - für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Verfahren dürfen zwar nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. , WM 2018, 512 Rn. 20 mwN; bis C-782/19, WM 2021, 1882 Rn. 27 mwN). Bei der nationalen kenntnisabhängigen Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) handelt es sich jedoch um eine angemessene Ausschlussfrist für die Rechtsverfolgung, die diese Grundsätze wahrt (vgl. BGH, aaO; und C-96/10, Slg 2011, I-7819 Rn. 36 mwN; Urteil vom - C-698/18 und C-699/18, WM 2020, 1409 Rn. 62 ff.; Urteil vom - C-224/19 und C-259/19, WM 2020, 1477 Rn. 84 ff.; Urteil vom , aaO, Rn. 39 ff.).
25Der Restschadensersatzanspruch nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB gewinnt erst nach Ablauf der kenntnisabhängigen Verjährung für den Geschädigten Bedeutung, weil er seiner Höhe nach durch den verjährten deliktischen Schadensersatzanspruch begrenzt wird ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 83). Bleibt aber dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, nach Ablauf der kenntnisabhängigen Regelverjährungsfrist die Rechtsverfolgung zu Lasten des Geschädigten überhaupt auszuschließen, steht es ihm auch frei, dem Geschädigten anstelle des vollständigen Ausschlusses eines durchsetzbaren Anspruchs einen der Höhe nach geringeren, auf die Abschöpfung der Vermögensvorteile des Schädigers gerichteten "deliktischen Bereicherungsanspruch" einzuräumen (vgl. aaO, Rn. 58; BT-Drucks. 14/6040, S. 270). Die Frage, wie weit dieser jenseits unionsrechtlicher Vorgaben gewährte Anspruch reicht und in welchem Umfang die Grundsätze der Vorteilsausgleichung Anwendung finden, bestimmt sich dann allein nach nationalem Recht.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:101022UVIAZR542.21.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-27563