Klage auf künftige Wohnungsräumung: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung des Mietverhältnisses wegen drohender Obdachlosigkeit
Leitsatz
Die Besorgnis, der Mieter werde sich der Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe von Wohnräumen im Sinne des § 259 ZPO entziehen, kann nach den Umständen des Einzelfalls auch dann gerechtfertigt sein, wenn er seinen Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses gemäß §§ 574 ff. BGB damit begründet, die von ihm seit der Kündigung unternommene Suche nach Ersatzwohnraum sei bislang erfolglos geblieben, weshalb eine Räumung und Herausgabe der Wohnräume bei Beendigung des Mietverhältnisses für ihn wegen drohender Obdachlosigkeit eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 574 Abs. 2 BGB darstelle.
Gesetze: § 91a Abs 1 S 1 ZPO, § 259 ZPO, § 546 BGB, § 574 Abs 2 BGB, § 574b BGB, §§ 574ff BGB, § 985 BGB
Instanzenzug: LG Lübeck Az: 14 T 25/21vorgehend AG Lübeck Az: 27 C 398/21
Gründe
I.
1Die Parteien streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung um die Kosten eines Räumungsrechtsstreits.
2Die Kläger kündigten mit Schreiben vom als Vermieter das mit dem Beklagten bestehende Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum . Der Beklagte widersprach der Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom . Hierbei teilte er mit, dass er zwar seit Erhalt der Kündigung auf Wohnungssuche sei, eine Ersatzwohnung jedoch noch nicht gefunden habe. Sollte sich hieran etwas ändern, werde er dies mitteilen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre er hingegen mit Ablauf des obdachlos, so dass eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 574 Abs. 2 BGB vorliege.
3Mit am beim Amtsgericht eingegangenem und dem Beklagten am zugestelltem Schriftsatz erhoben die Kläger eine auf Verurteilung des Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung "spätestens am " gerichtete Klage. Der Beklagte zeigte mit Schriftsatz vom seine Verteidigungsbereitschaft an und teilte zugleich mit, dass er zwischenzeitlich eine geeignete Wohnung gefunden habe und die Parteien deshalb eine Rückgabe der Wohnung für den vereinbart hätten. Die Übergabe der Wohnung an die Kläger erfolgte sodann an diesem Tag.
4Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Die zweite Erledigungserklärung ist am bei Gericht eingegangen.
5Das Amtsgericht hat dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf dessen sofortige Beschwerde hat das Landgericht die Entscheidung abgeändert und die Kläger mit den Kosten des Rechtsstreits belastet. Mit der vom Beschwerdegericht im Hinblick auf divergierende Entscheidungen der Instanzgerichte zur Anwendbarkeit von § 259 ZPO im Falle eines Widerspruchs des Mieters gemäß § 574 Abs. 2 BGB zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Kläger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
II.
6Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwar ist es - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt in solchen Fällen nur in Betracht, soweit es um die Klärung prozessualer Fragen zu § 91a ZPO geht (, NZKart 2018, 320 Rn. 12 mwN; vgl. auch , NJW-RR 2009, 422 Rn. 5 [keine Klärung von Fragen des Zwangsvollstreckungsrechts]; Urteile vom - IX ZR 66/05, NJW 2007, 1591 Rn. 23 f.; vom - I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 30 [jeweils zur revisionsrechtlichen Überprüfung gemischter Kostenentscheidungen]). Die gleichwohl erfolgte Zulassung bindet den Senat aber gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO.
7Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
81. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Kosten des Räumungsrechtsstreits seien den Klägern gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen, weil deren Räumungsklage in dem nach seiner Ansicht für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgeblichen Zeitpunkt vor Eintritt des erledigenden Ereignisses - hier vor der am erfolgten Rückgabe der Wohnung - unzulässig gewesen sei. Der geltend gemachte Räumungsanspruch sei vor dem Ablauf des betreffenden Tages nicht fällig gewesen. Auf die Ausnahmebestimmung des § 259 ZPO, die eine Klage auf künftige Leistung ermögliche, könnten sich die Kläger nicht berufen.
9Bei Räumungsklagen lägen deren Voraussetzungen nur vor, wenn der Mieter seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe bestreite, nicht hingegen, wenn er sich - wie hier - zwar grundsätzlich dazu bereit erkläre, zugleich aber darauf hinweise, dass ihm die entsprechende Leistung aufgrund fehlenden Ersatzwohnraums rein tatsächlich nicht möglich sein könnte. Auch der Widerspruch gegen die Kündigung gemäß §§ 574 ff. BGB rechtfertige für sich genommen nicht die Besorgnis, der Mieter werde sich der Räumungspflicht entziehen. Vielmehr komme es auf die Einzelfallumstände, insbesondere auf die Begründung des Widerspruchs, an. Vorliegend sei der Widerspruch nur vor dem Hintergrund der laufenden und auch nach dem Widerspruch fortgeführten Suche des Beklagten nach Ersatzwohnraum und der damit verbundenen Ungewissheit erfolgt. Es lasse sich deshalb nicht feststellen, dass sich der Beklagte der Pflicht zur fristgerechten Räumung und Herausgabe habe entziehen wollen.
102. Diese Erwägungen tragen eine Kostenentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO allein zu Lasten der Kläger nicht. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Billigkeitsentscheidung von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.
11Dabei kann dahinstehen, ob für die Zulässigkeit der Klage auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZR 571/21, ZInsO 2022, 935 Rn. 10; vom - IX ZB 71/19, NJW-RR 2020, 1440 Rn. 15 [zur Erledigungserklärung des Insolvenzantrags]; vom - XII ZR 183/08, juris Rn. 3; vom - I ZR 68/01, juris Rn. 9 f. [bei Änderung der Rechtslage]) oder auf den Zeitpunkt der zustimmenden Erklärung des Prozessgegners (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 91a Rn. 26; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand: , § 91a Rn. 29; unklar Prütting/Gehrlein/Hausherr, ZPO, 14. Aufl., § 91a Rn. 23, 29 f.) abzustellen ist. Denn in beiden Fällen wäre die Zulässigkeit der Klage zu bejahen.
12Bei der zweiten Fallgestaltung wäre der Räumungsanspruch bereits fällig gewesen, so dass die ursprünglich nach § 259 ZPO erhobene Klage nun nicht mehr auf eine künftige Leistung gerichtet, sondern als allgemeine Leistungsklage statthaft wäre (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 5/04, NZM 2005, 582 unter II 1; BAG, NJW 2015, 1773 Rn. 14 f.; Zöller/Greger, aaO, § 257 Rn. 6; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: , § 257 Rn. 5). Auf die Voraussetzungen des § 259 ZPO käme es damit nicht mehr an.
13Geht man demgegenüber - abstellend auf den erstgenannten Zeitpunkt - von einer Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) aus, gilt für die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung des Schuldners im Sinne des § 259 ZPO - anders als das Beschwerdegericht gemeint hat - kein besonderer, von anderen Fallgestaltungen dieser Vorschrift abweichender Maßstab, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Wohnraummieter handelt, der unter Verweis auf die bislang erfolglose Suche nach Ersatzwohnraum den weiteren Verbleib in den Mieträumen auch für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses ankündigt.
14a) Soweit § 259 ZPO voraussetzt, dass "den Umständen nach" die Besorgnis gerechtfertigt sei, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen, hat das Beschwerdegericht zu Recht (allein) auf das anwaltliche Widerspruchsschreiben des Beklagten vom und die sich hieraus für die Bereitschaft des Beklagten zur Erfüllung des geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruchs ergebenden Gesichtspunkte abgestellt. Denn nach den rechtsfehlerfreien und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat sich der Beklagte gegenüber den Klägern lediglich auf diesem Wege zeitlich nachfolgend zu deren Kündigungserklärung vom geäußert.
15b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die hierauf gestützte Annahme des Beschwerdegerichts, es sei nicht festzustellen, dass sich der Beklagte seiner Verpflichtung zur fristgerechten Räumung und Herausgabe im Sinne des § 259 ZPO habe entziehen wollen, da er lediglich auf die bislang erfolglose Wohnungssuche verwiesen, nicht aber seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung - gemeint: die Wirksamkeit der Kündigungserklärung der Kläger - grundsätzlich angezweifelt habe. Denn der Beklagte hat mit dem Widerspruchsschreiben - was für § 259 ZPO ausreicht - eindeutig zu erkennen gegeben, dass er gegenwärtig und bei unverändert bleibender Situation, nämlich der weiteren Erfolglosigkeit seiner Suche nach einer neuen Wohnung, auch im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu einem Auszug aus der Wohnung der Kläger bereit ist.
16aa) Allerdings ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des § 259 ZPO bei Klagen auf Verurteilung zur künftigen Räumung von Wohnraum - mit verschiedenen Differenzierungen - auch in der Instanzrechtsprechung und Literatur anzutreffen. Nach dieser Ansicht sollen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nur dann gegeben sein, wenn der Mieter durch ein ernstliches Bestreiten des Kündigungsgrunds eindeutig zu erkennen gebe, dass er zu einer fristgerechten Räumung nicht gewillt sei. Hingegen genüge es für die Annahme einer Besorgnis im Sinne der Vorschrift nicht, wenn der Mieter den Vermieter - im Rahmen eines Widerspruchs gegen die Kündigung oder auf andere Weise - auf Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum hinweise (vgl. für den pauschalen oder vorsorglichen Hinweis OLG Karlsruhe, WuM 1983, 253, 254; LG Köln, WuM 1993, 542; NJW-RR 1996, 778; , juris Rn. 4 [obiter dictum]; , juris Rn. 18; AG Pforzheim, Urteil vom - 3 C 129/16, juris Rn. 19; LG Kempten, NJW-RR 1993, 1101; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 574b Rn. 16; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 546 BGB Rn. 128; für Vortrag zu konkreten Schwierigkeiten AG Waiblingen, WuM 1989, 428; differenzierend danach, ob Hinweis im Rahmen eines Widerspruchs Binder, AnwZert MietR 20/2017 Anm. 2; Lützenkirchen/Monschau, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 6. Aufl., Abschnitt M Rn. 196 f.; LG Wiesbaden, WuM 1989, 428; für durch Hinweis auf Suche begründete Aussicht auf rechtzeitige Räumung AG Fritzlar, WuM 1998, 606).
17bb) Eine solche, die gesetzliche Klagemöglichkeit des Vermieters von Wohnraum einschränkende Auslegung des § 259 ZPO, ist abzulehnen. Auch in den Fällen des Widerspruchs eines Wohnraummieters gegen die Kündigung des Mietverhältnisses (§§ 574 ff. BGB) kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Vermieter aufgrund der Erklärung oder des sonstigen Verhaltens des Mieters davon ausgehen musste, dieser werde zu einer Räumung und Herausgabe der Mieträume im Zeitpunkt der (vom Vermieter geltend gemachten) Beendigung des Mietverhältnisses nicht bereit sein.
18(1) Das nach dem Wortlaut des § 259 ZPO erforderliche "Sich-Entziehen" des Schuldners hinsichtlich seiner Leistungspflicht ist auch dann zu besorgen, wenn der Mieter deutlich gemacht hat, er werde mangels Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses hinaus in der Wohnung des Vermieters verbleiben. Auch in diesem Fall hat er - entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung - die Nichterfüllung der Leistungspflicht in seinen Willen aufgenommen.
19(a) Ein das zukünftige Verhalten des Schuldners bewertendes Element ist - wie das Beschwerdegericht noch richtig gesehen hat - mit der Formulierung des "Sich-Entziehens" nicht verbunden. Insbesondere verlangt § 259 ZPO nicht die Böswilligkeit des Schuldners hinsichtlich der geltend gemachten Leistungspflicht im Sinne eines Erschwerens oder Hintertreibens der Befriedigung des Gläubigers (grundlegend bereits RGZ 132, 338, 339 f. mwN; siehe auch Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 259 Rn. 18; MünchKomm-BGB/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 259 Rn. 13). Maßgeblich ist allein die mangelnde Bereitschaft des Schuldners zur rechtzeitigen Leistung (vgl. , NJW 1999, 954 unter II 2; vom - VIII ZR 146/10, NZM 2011, 882 Rn. 15; vom - VII ZR 69/18, NJW 2019, 1674 Rn. 14). Erklärt der Schuldner ernsthaft, er brauche nicht zu leisten oder er wolle den gegen ihn erhobenen Anspruch nicht erfüllen, ist in der Regel die Besorgnis gerechtfertigt, er werde die erklärte Absicht - die fehlende Bereitschaft zur Erfüllung - beim Fälligwerden der Leistung auch in die Tat umsetzen (vgl. RG, aaO; , BGHZ 5, 342, 344; vom - II ZR 330/97, aaO; vom - IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231; vom - II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518 unter II 2; Beschluss vom - VIII ZB 66/02, NJW 2003, 1395 unter II 2 b bb; jeweils mwN).
20(b) Die für ein "Sich-Entziehen" erforderliche Ursächlichkeit des Willens des Schuldners für das Ausbleiben der rechtzeitigen Leistung (vgl. nur Wieczorek/Schütze/Assmann, aaO Rn. 2, 17 f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 259 Rn. 14; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 90 Rn. 18; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, 14. Aufl., § 259 Rn. 3) ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - auch dann gegeben, wenn ein Mieter seinen Verbleib in den Mieträumen trotz der Beendigung des Mietverhältnisses ankündigt, weil ihm Ersatzwohnraum nicht zur Verfügung steht.
21Unerheblich ist es zudem, ob sich der Mieter zu dem angekündigten Verhalten berechtigt halten durfte (vgl. RGZ 132, 338, 340). Seine Motive für die fehlende Bereitschaft zur Leistung bei Fälligkeit sind allenfalls insoweit von Bedeutung, als sie dem Vermieter einen Rückschluss auf die Absicht des Schuldners und deren Ernsthaftigkeit erlauben. Da nach dem Wortlaut die Besorgnis einer nicht rechtzeitigen Leistung genügt, muss der Vermieter aus den ihm erkennbaren Umständen allerdings auch keine Gewissheit über den Willen des Mieters erlangt haben.
22(2) Ein anderes Verständnis des § 259 ZPO in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist auch nicht aufgrund des vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Regelungszwecks geboten, wie er sich unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte ergibt.
23(a) Die nachträgliche Einfügung der Befugnis des Gläubigers zur Erhebung einer auf Verurteilung zu künftiger Leistung gerichteten Klage (§§ 231a-c CPO, heute §§ 257-259 ZPO) beruhte nicht etwa darauf, dass hiermit eine gegen die Erfüllung des (künftigen) Anspruchs gerichtete Motivlage beim Schuldner sanktioniert werden sollte. Vielmehr erkannte der historische Gesetzgeber das praktische Bedürfnis des Verkehrs an, Gläubigern in bestimmten Fällen die Wahrnehmung ihrer Rechte so zeitig zu ermöglichen, dass sie schon bei Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs über ein die Zwangsvollstreckung gestattendes Urteil verfügen und mit der Zwangsvollstreckung beginnen können (vgl. Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 1898, Band VIII, S. 99 ff.; vgl. auch , juris Rn. 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 90 Rn. 15; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 259 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, 14. Aufl., § 257 Rn. 1, § 259 Rn. 1).
24§ 259 ZPO bezweckt damit den Schutz des Gläubigers, der bei Gefährdung seines Anspruchs nicht, wie ansonsten erforderlich, mit der Erhebung der Klage zuwarten muss, bis der Anspruch fällig ist, sondern diesen bereits geltend machen darf, wenn er noch nicht fällig ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485 Rn. 11; siehe auch Senatsbeschluss vom - VIII ZB 66/02, NJW 2003, 1395 unter II b bb). Die Belange des Schuldners im Hinblick auf die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Eintritt der Fälligkeit entstandenen Einwendungen sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers über die Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO und einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO hinreichend gewahrt (vgl. Hahn/Mugdan, aaO, S. 100; für Klagen auf künftige Räumung OLG Karlsruhe, WuM 1983, 253, 254; Henssler, NJW 1989, 138, 144; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 259 Rn. 10; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 19. Aufl., § 259 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 259 Rn. 13).
25Ein solches Bedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs bereits vor Fälligkeit bestand aus Sicht des historischen Gesetzgebers insbesondere im Falle einer Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter wegen des damit erfahrungsgemäß auftretenden Streits mit dem Mieter über die behauptete Fälligkeit des Räumungsanspruchs und der mit einer daraus folgenden Verzögerung verbundenen Gefahr für die Interessen des Vermieters (vgl. Hahn/Mugdan, aaO S. 99). Deshalb sollte nach der ursprünglichen Fassung des § 257 ZPO (§ 231a CPO) (auch) für die Klage auf künftige Räumung von Wohnraum die (bloße) Abhängigkeit der Fälligkeit des Räumungsanspruchs vom Eintritt eines bestimmten Kalendertags genügen.
26Soweit für Klagen des Gläubigers auf Verurteilung zu einer künftigen Leistung in anderen Fällen die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung erforderlich sein sollte (§ 231c CPO, § 259 ZPO), reichte hierfür nach den Vorstellungen des Gesetzgebers das als Hauptanwendungsfall angesehene ausdrückliche Bestreiten der Verbindlichkeit durch den Schuldner bereits vor deren Fälligkeit aus (vgl. Hahn/Mugdan, aaO S. 100). Dass es weitergehend auf die hierfür vom Schuldner angeführten Gründe ankommen sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien hingegen nicht entnehmen.
27(b) Mit der Herausnahme der Klage auf künftige Räumung von Wohnraum aus dem Anwendungsbereich des § 257 ZPO durch das Zweite Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 457) hat der Gesetzgeber nicht zugleich veränderte Anforderungen an das im Rahmen des § 259 ZPO maßgebliche Verhalten des Mieters als Schuldner der Leistung gestellt. Als Folge der Änderung genügt es für die Zulässigkeit einer solchen Klage lediglich nicht mehr, dass der Räumungsanspruch des Vermieters an den Eintritt des für die Fälligkeit bestimmten Kalendertags geknüpft ist, sondern es müssen stets die besonderen Anforderungen des § 259 ZPO vorliegen (vgl. BT-Drucks. IV/806, S. 7 und 12). Aus Sicht des Gesetzgebers war mit dieser Änderung dem Grundgedanken des sozialen Mietrechts gerade bei Kündigungen eines auf unbestimmte Zeit eingegangenen Mietverhältnisses durch den Vermieter ausreichend Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks., aaO S. 12). Dafür, dass es - anders als zuvor - nunmehr auf die vom Mieter gegen die (künftige) Fälligkeit der Räumungsverpflichtung angeführten Gründe ankommen sollte, gibt es im Gesetzgebungsverfahren keinen Anhaltspunkt.
28(3) Auch im Hinblick auf die gesetzliche Systematik, insbesondere auf die dem Schutz des Mieters dienenden Vorschriften, ist die vom Beschwerdegericht vertretene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 259 ZPO bei Räumungsklagen im Wohnraummietverhältnis nicht geboten.
29(a) Im Falle der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses ist der Mieter bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist in seinem Besitz an den Mieträumen geschützt. Die Kündigungsfristen sind zugunsten des Mieters Mindestfristen; sie sollen ihm ausreichend Zeit lassen, eine andere Wohnung zu finden (BT-Drucks. IV/806, S. 7). Diese Rechtsposition wird durch eine bereits zuvor ausgesprochene Verurteilung zur Räumung nicht berührt, da der Mieter durch die Aufnahme der Bedingung - den Ablauf des letzten Tags der Frist - in das Urteil hinreichend geschützt wird (vgl. allgemein hierzu , NJW 2018, 786 Rn. 14) und eine Vollstreckung des Räumungsanspruchs erst nach diesem Zeitpunkt zulässig ist (vgl. § 751 Abs. 1 ZPO).
30(b) Unberührt von einer bereits vor Fälligkeit erhobenen Räumungsklage des Vermieters bleibt auch das Recht des Mieters, der ordentlichen Kündigung des Vermieters in Fällen einer unzumutbaren Härte gemäß §§ 574 ff. BGB zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf eine angemessene Zeit zu verlangen. Insbesondere wird kein unzulässiger Zwang im Hinblick auf die dem Mieter bis spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 574b Abs. 2 Satz 1 BGB) beziehungsweise - bei unterbliebenem Hinweis des Vermieters auf die Möglichkeit des Widerspruchs sowie auf dessen Form und Frist - noch bis zum ersten Termin des Räumungsrechtsstreits (§ 574b Abs. 2 Satz 2 BGB) mögliche Entscheidung darüber ausgeübt, ob er der Kündigung widerspricht oder diese akzeptiert.
31(aa) Hat der Vermieter Räumungsklage erhoben, obwohl der Mieter bis dahin weder der Kündigung ausdrücklich widersprochen noch in anderer Weise zu erkennen gegeben hatte, dass er dessen Räumungsbegehren bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht nachzukommen bereit sei, ist die Besorgnis einer bei Fälligkeit nicht rechtzeitigen Räumung der Wohnung durch den Mieter nicht gerechtfertigt und die Räumungsklage des Vermieters schon mangels Vorliegens der besonderen Voraussetzungen des § 259 ZPO unzulässig.
32(bb) Hat der Mieter - wie hier der Beklagte - im Zeitpunkt der Klageerhebung der Kündigung bereits widersprochen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt, sind seine Interessen auch bei Annahme einer hieraus folgenden Zulässigkeit der Räumungsklage nach § 259 ZPO dadurch gewahrt, dass das mit der Räumungsklage befasste Gericht nicht nur die Wirksamkeit der Kündigung durch den Vermieter zu prüfen hat, sondern auch die vom Mieter für dessen Fortsetzungsbegehren geltend gemachten Härtegründe.
33Der - hier vom Beklagten allein vorgebrachte - Umstand, dass vom Mieter angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen (möglicherweise) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht beschafft werden kann, hat als materiell-rechtlicher Gesichtspunkt bei der Abwägung zu den Folgen einer ordentlichen Kündigung von Wohnraum Bedeutung (vgl. § 574 Abs. 2 BGB). Zudem kann Verzögerungen bei der Wohnungssuche durch ein Vorgehen nach § 93b Abs. 3 ZPO (sofortiges Anerkenntnis des Räumungsanspruchs bei Bewilligung einer Räumungsfrist) sowie durch die Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 und 2 ZPO Rechnung getragen werden (vgl. Lützenkirchen, GE 2017, 1384, 1386).
34Die Geltendmachung einer unzumutbaren Härte des im Übrigen die Kündigung hinnehmenden Mieters noch vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist hat nach der gesetzlichen Regelungssystematik hingegen nicht zur Folge, dass dem Vermieter die durch das Verfahrensrecht eröffnete Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung des Bestehens seines Räumungsanspruchs bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit versperrt wäre. Weder soll durch die §§ 574 ff. BGB die gerichtliche Prüfung auf einen Zeitpunkt erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist gemäß § 574b Abs. 2 Satz 1 BGB oder gar der gesetzlichen Kündigungsfrist hinausgeschoben werden noch wäre ein dahingehendes Interesse des Mieters schützenswert. Eine solche Verzögerung zu Lasten des Vermieters käme einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen zusätzlichen Kündigungsschutz gleich (so auch OLG Karlsruhe, WuM 1983, 253, 254 [zur Zulässigkeit der Klage nach § 259 ZPO vor Ablauf der Widerspruchsfrist]; Henssler, NJW 1989, 138, 142; Lützenkirchen, aaO S. 1387). Das Fristerfordernis des § 574b Abs. 2 Satz 1 BGB würde in sein Gegenteil verkehrt (siehe Henssler, NJW 1989, 138, 144). Denn dieses sichert die Dispositionsfreiheit des Vermieters, der rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist Klarheit über die Vertragsbeendigung erlangen soll (vgl. nur BeckOGK-BGB/Emanuel, Stand: , § 574b Rn. 3; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2021, § 574b Rn. 3, 10).
35cc) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs mussten die Kläger aufgrund des Widerspruchsschreibens des Beklagten besorgen, dieser werde bei Beendigung des Mietverhältnisses zum nicht zu einem Auszug aus der Wohnung bereit sein.
36Zwar waren vom Beklagten gegen die Kündigung als solche keine Einwendungen vorgebracht worden. Er hatte aber seine Bereitschaft zu einem fristgerechten Auszug davon abhängig gemacht, dass er in der verbleibenden Zeit bis zur Beendigung des Mietverhältnisses einen Ersatzwohnraum findet, und dementsprechend mit dem Widerspruch gegen die Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses für einen nicht näher bestimmten Zeitraum - bis zum Abschluss eines Mietvertrags über einen Ersatzwohnraum - verlangt. Damit ist er der Berechtigung der Kläger, von ihm zwei Monate später die Räumung und Herausgabe verlangen zu können, ausdrücklich entgegengetreten.
37Ob der Beklagte noch rechtzeitig eine Ersatzwohnung finden würde, nachdem seine bereits mehr als sieben Monate seit der Kündigung andauernde Wohnungssuche bis dahin erfolglos geblieben war, war ungewiss. Der Beklagte hatte in seinem Schreiben auch nur in Aussicht gestellt, die Kläger bei etwaigen Änderungen der aktuellen Situation zu informieren. Unter diesen Umständen war es den Klägern nicht zuzumuten, mit der Anrufung des Gerichts bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist abzuwarten, nur um nach Eintritt der Fälligkeit des Räumungsanspruchs, falls der Beklagte - wie von ihm angekündigt - mangels einer neuen Wohnung in den Mieträumen verblieb, doch noch zu einer gerichtlichen Geltendmachung gezwungen zu sein.
38Die Kläger befanden sich damit in der Lage, in der nach dem Willen des Gesetzgebers einem Gläubiger wegen der Gefährdung seines Anspruchs die Klage auf Verurteilung des Schuldners zu künftiger Leistung eröffnet sein sollte. Die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Räumungsklage konnte deshalb nicht mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 259 ZPO verneint werden.
III.
39Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, denn das Beschwerdegericht hat bei seiner Ermessensentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich auf die - rechtsfehlerhaft angenommene - Unzulässigkeit der Räumungsklage abgestellt und dementsprechend eine weitergehende summarische Prüfung nicht vorgenommen. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:251022BVIIIZB58.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 3778 Nr. 52
NJW 2022 S. 8 Nr. 50
HAAAJ-27390