BGH Beschluss v. - VIa ZR 579/22

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 1 U 130/21vorgehend LG Gießen Az: 7 O 104/20

Gründe

I.

1Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.

2Der Kläger erwarb im Jahr 2016 von einem Händler einen gebrauchten BMW X3 xDrive 2.0 d, der mit einem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs N47T ausgestattet ist. Er hat behauptet, die Motorsteuerung beziehungsweise die Abgasreinigung sei aufgrund des Einbaus von unzulässigen Abschalteinrichtungen manipuliert, um auf dem Prüfstand günstige Emissionswerte zu erreichen. Er hat die Beklagte in erster Instanz auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung (Klageantrag zu 1) und auf Zahlung von Deliktszinsen (Klageantrag zu 2) in Anspruch genommen, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt (Klageantrag zu 3) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt (Klageantrag zu 4).

3Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle an der Kausalität zwischen der behaupteten Täuschungshandlung und dem Kaufentschluss des Klägers. Der Kläger behaupte zwar, das Fahrzeug nicht erworben zu haben, wenn er um die nicht vorhandene Umweltfreundlichkeit gewusst habe. Davon sei das Gericht nach dem gesamten Akteninhalt in Verbindung mit der mündlichen Verhandlung aber nicht überzeugt. Da der Schwerpunkt der Kaufentscheidung bei dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs von einem freien Händler regelmäßig auf anderen Parametern als der besonderen Umweltfreundlichkeit des verbauten Motors beruhe, liege es nicht auf der Hand, dass ein Kaufinteressent, dem im Laufe der Vertragsverhandlungen die Manipulation offenbart werde, zu einer nicht manipulierten Fahrzeugserie desselben Herstellers oder eines anderen Herstellers wechsele.

4Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht durch das angegriffene Urteil als unzulässig verworfen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde möchte der Kläger die Zulassung der Revision hinsichtlich der Klageanträge zu 1, 3 und 4 erreichen.

II.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrunds nicht genügt.

6a) Bei der Nichtzulassungsbeschwerde prüft der Bundesgerichtshof nach § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO ebenso wie bei der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO nur die Zulassungsgründe, die die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt hat (, BGHZ 154, 288, 291; für die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde vgl. , BGHZ 152, 182, 185; Beschluss vom - IX ZB 430/02, NJW-RR 2006, 142; Beschluss vom - V ZB 70/07, juris Rn. 7; Beschluss vom - VI ZB 64/19, juris Rn. 4). Beruht die angegriffene Entscheidung auf mehreren selbstständig tragenden Begründungen, ist die Nichtzulassungsbeschwerde ebenso wie die kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. , juris Rn. 2) nur zulässig, wenn hinsichtlich aller Begründungen die Voraussetzungen eines Zulassungsgrunds dargelegt werden (vgl. , BGHZ 153, 254, 255 f.; Beschluss vom - V ZB 72/02, NJW 2004, 72, 73).

7b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8aa) Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung über die Verwerfung der Berufung selbstständig tragend damit begründet, der Kläger sei "in seiner Berufungsbegründung überhaupt nicht [darauf] eingegangen", dass und warum die zur Klageabweisung führende Begründung des Landgerichts, die behauptete Täuschung über eine grenzwertkausale prüfstandbezogene Abschalteinrichtung sei für den Kaufentschluss des Klägers nicht kausal gewesen, unzutreffend sein solle. Soweit der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag zu seiner Motivlage und der deshalb bestehenden Kausalität der Täuschung für seinen Kaufentschluss wiederholt habe, finde sich in der Berufungsbegründung keine Angabe konkreter Anhaltspunkte im Sinne des § 529 ZPO, weshalb die gegenteilige Feststellung des Landgerichts unrichtig sein solle. Die weiteren Rügen beträfen nicht "den vom Landgericht zur Grundlage der Klageabweisung gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität". Der Vorwurf, das Landgericht habe sich nicht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Begriff der Abschalteinrichtung, mit der Darlegungslast des Motorenherstellers und den "Leitlinien der Kommission" befasst, gehe daran vorbei, dass das Landgericht die Klage nicht wegen einer in diesen Punkten von der Rechtsansicht des Klägers abweichenden Position, sondern "aus einem ganz anderen Grund" abgewiesen habe. Dasselbe gelte hinsichtlich der Rügen, dass sich das Landgericht mit den vom Kläger vorgetragenen Messergebnissen und dem Thermofenster nicht befasst und dessen Darlegungen zum Inverkehrbringen eines die Stickoxidgrenzwerte nicht einhaltenden Fahrzeugs nicht hinreichend berücksichtigt habe.

9Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht weiter angeführt, soweit dem Umstand, dass das Landgericht maßgeblich "auf die fehlende Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Kaufentschluss abgestellt" habe, entnommen werden "könnte", dass es sich mit dem Vortrag des Klägers zu einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem unionsrechtlich begründeten Schutzgesetz nicht auseinandergesetzt habe, habe der Kläger diesen Gesichtspunkt mit der Berufungsbegründung nicht hinreichend angegriffen. Er habe seine rechtlichen Ausführungen zwar wiederholt, aber weder einen Zusammenhang zu der Begründung des landgerichtlichen Urteils hergestellt noch die Entscheidungserheblichkeit seines diesbezüglichen Vortrags aufgezeigt.

10bb) Mit dieser Argumentation des Berufungsgerichts setzt sich die Beschwerdebegründung nicht in einer den Vorschriften der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2, § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO genügenden Weise auseinander.

11Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es fehle in der Berufungsbegründung an einem hinreichenden Angriff gegen die Verneinung der haftungsbegründenden Kausalität durch das Landgericht, tragen eine Verwerfung der Berufung hinsichtlich aller in Betracht kommenden deliktischen Anspruchsgrundlagen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe das erstinstanzliche Urteil unter dem Gesichtspunkt des Übergehens eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz nicht hinreichend angegriffen, stellt lediglich eine weitere Begründung dar. Sie nimmt der Einschätzung, der Kläger habe sich in der Berufungsbegründung nicht gegen die die Klageabweisung tragenden Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität gewandt, nicht ihren selbstständig tragenden Charakter.

12Gegen die die Verwerfung der Berufung eigenständig tragende Begründung, der Kläger habe in der Berufungsbegründung die Verneinung der haftungsbegründenden Kausalität seitens des Landgerichts nicht angegriffen, bringt die Beschwerdebegründung keine zulassungsrelevanten Einwendungen vor. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, für die Zulässigkeit der Berufung komme es nicht darauf an, "ob in der Berufungsbegründung die Ausführungen des Landgerichts zu Ansprüchen aus § 826 BGB, d.h. zur Täuschungskausalität, hinreichend angegriffen" worden seien. Die gerügte Rechtsverletzung sei schon erheblich, wenn die auf eine Anspruchsgrundlage gestützte Begründung des erstinstanzlichen Gerichts mit allen hierauf bezogenen, selbstständig tragenden rechtlichen Erwägungen angegriffen werde. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat indessen nicht dargelegt, dass die Berufungsbegründung diese Voraussetzungen für den im Beschwerdeverfahren noch geltend gemachten Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz erfüllt. Sie greift das die Ablehnung eines Anspruchs nicht nur aus § 826 BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 2 BGB tragende Argument des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Verneinung der haftungsbegründenden Kausalität durch das Landgericht nicht zum Gegenstand eines ordnungsgemäßen Berufungsangriffs gemacht, weder an noch legt sie insoweit einen Zulassungsgrund dar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:241022BVIAZR579.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-27246