Instanzenzug: Az: 15 U 1691/21vorgehend LG Bad Kreuznach Az: 2 O 342/20
Tatbestand
1Die Kläger nehmen die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Kläger kauften am bei einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Tiguan "Cup" 4 Motion 2.0 TDI zum Preis von 39.600 €. Zur Finanzierung des Fahrzeugs fielen zu Lasten der Kläger Zinsen in Höhe von 1.867 € an. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte. Im Jahr 2016 wurde ein Software-Update aufgespielt, in das ein Thermofenster implementiert war.
3Die Kläger haben in erster Instanz, nachdem sie den Rechtsstreit teilweise einseitig für erledigt erklärt haben, zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 39.600 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu verurteilen (Klageantrag zu 1) und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen (Klageantrag zu 2). Daneben haben sie die Zahlung von Finanzierungskosten (Klageantrag zu 3) und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Klageantrag zu 5) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher Schäden (Klageantrag zu 4) verlangt. Hilfsweise haben sie wegen der Implementierung des Thermofensters für den Fall, dass das Landgericht von Verjährung des im Jahr 2014 entstandenen Anspruchs ausgehe und die Voraussetzungen eines Restschadensersatzanspruchs für nicht gegeben erachte, die Zahlung von 7.920 € nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage aus dem Gesichtspunkt des Restschadensersatzes wegen einer Schädigung im Jahr 2014 in Höhe von 1.820 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Über den Hilfsantrag hat es nicht erkannt. Mit der Berufung haben die Kläger ihre Klageanträge weiterverfolgt, soweit sie ohne Erfolg geblieben sind. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung begehrt, das erstinstanzliche Urteil im Umfang ihrer Beschwer abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung der Kläger unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 32.300,73 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Entscheidungsformel zu 1) und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (Entscheidungsformel zu 3) verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten (Entscheidungsformel zu 2) festgestellt. Über den Hilfsantrag hat es mangels Bedingungseintritts ebenfalls nicht erkannt.
4Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung der Kläger erreichen, soweit sie zu einer Zahlung von mehr als 23.799,73 € nebst Zinsen sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verurteilt worden ist. Die Feststellung des Annahmeverzugs durch das Berufungsgericht greift die Revision nicht mehr an.
Gründe
5Die Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752, Rn. 5 mwN), im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs begründet.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, die Kläger hätten gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag in Höhe von 33.066 € (Bruttokaufpreis 39.600 € abzüglich einer Händlermarge in Höhe von 6.534 €) den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 32.200,73 € (Bruttokaufpreis 39.600 € abzüglich Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.266,27 € zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von 1.867 €) übersteige, sei den Klägern unter 1. der Entscheidungsformel ein Betrag in Höhe von 32.200,73 € nebst Zinsen zuzusprechen. Unter 2. der Entscheidungsformel sei der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB stünden - so unter 3. der Entscheidungsformel - den Klägern auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.764,19 € nebst Zinsen zu.
II.
7Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Dabei ist die Annahme des Berufungsgerichts, den Klägern stehe dem Grunde nach ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, aufgrund des zuletzt wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revisionsangriffs (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8) einer Überprüfung entzogen.
8Bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht mehr beanstandet angenommen, dass die Beklagte aus dem Fahrzeugkauf der Kläger den von den Klägern entrichteten Bruttokaufpreis abzüglich einer darauf bezogenen Händlermarge in Höhe von 6.534 € - nicht, wie von der Revisionserwiderung mit dem die Feststellungen des Berufungsgerichts ungenügend angreifenden schlichten Verweis auf ein Gutachten Martinek geltend gemacht, eine nur auf den Nettokaufpreis bezogene Händlermarge in Höhe von 5.490,76 € - erlangt hat. Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Höhe des Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs geschuldeten Restschadensersatzes jedoch unterlassen, auch die von ihm nach § 287 ZPO auf 9.266,27 € geschätzten Nutzungsvorteile, die es lediglich bei der von ihm angestellten Vergleichsbetrachtung berücksichtigt hat, abzuziehen (vgl. VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16). Überdies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, die Kläger könnten von der Beklagten Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB verlangen (vgl. VIa ZR 57/21, aaO, Rn. 21).
III.
9Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang, der dem verbliebenen Revisionsangriff entspricht, der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
10Insbesondere kann eine Verurteilung der Beklagten in dem vom Berufungsgericht tenorierten Umfang in der Hauptsache entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung nicht damit gerechtfertigt werden, den Klägern stehe weiterer Schadensersatz wegen der Implementierung eines Thermofensters im Jahr 2016 zu. Zwar haben die Kläger in den Vorinstanzen entsprechendes vorgetragen und auf diesen Vortrag ein weiteres Zahlungsbegehren in Höhe von 7.920 € nebst Zinsen gestützt, das sie mit einem Hilfsantrag geltend gemacht haben. Über diesen Hilfsantrag haben die Vorinstanzen indessen nicht erkannt, weil die Bedingung, unter die der Hilfsantrag gestellt war, in den Vorinstanzen nicht eingetreten ist. Das gilt auch für die Revisionsinstanz (vgl. sonst , NJW 2022, 775 Rn. 21 mwN). Es kommt mithin nicht mehr darauf an, dass einem Erkenntnis in der Sache durch den Senat auch entgegenstünde, dass die für eine Entscheidung über den Hilfsantrag erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Dass sich die Beklagte vor der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Kläger in Verzug befunden habe und den Klägern mithin ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs zustehe, ergeben entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung weder die Feststellungen des Berufungsgerichts noch der von der Revisionserwiderung angeführte Schriftverkehr.
11Der Senat kann im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach Abzug der vom Berufungsgericht unangegriffen auf 9.266,27 € geschätzten Nutzungsvorteile verbleibt ein Restschadensersatzanspruch der Kläger in Höhe von 23.799,73 €, der nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen ist. In der überschießenden Höhe ihrer Verurteilung hat auf die Revision der Beklagten deren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger Erfolg.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR376.22.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-27245