BGH Urteil v. - IX ZR 266/20

Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen: Vergütung des nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellten gemeinsamen Vertreters

Gesetze: § 7 Abs 6 SchVG, § 19 Abs 2 SchVG, § 667 BGB, §§ 667ff BGB, § 675 BGB

Instanzenzug: Az: 15 U 3678/19 Urteilvorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 10 O 7958/18

Tatbestand

1Die Kläger sind Gläubiger inhaltsgleicher Anleihen, welche die zwischenzeitlich insolvente F.          KGaA (fortan: Schuldnerin) im Rahmen einer Gesamtemission ausgegeben hat. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Beklagte durch Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung zum gemeinsamen Vertreter der Gläubiger bestellt.

2Im Sommer 2018 zahlte der Insolvenzverwalter an den Beklagten einen Abschlag auf die zu erwartenden Quoten. Der Beklagte leitete den auf den jeweiligen Gläubiger entfallenden Betrag an diesen weiter, behielt jedoch einen Betrag in Höhe von 1,1 % der Nominalhöhe der Schuldverschreibung als Abschlag auf seine Vergütung ein.

3Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger die Auszahlung der einbehaltenen Beträge nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte nur hinsichtlich der vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen. Aus dieser vertraglichen Beziehung folge jedoch kein Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des gemeinsamen Vertreters. Der Vergütungsanspruch richte sich vielmehr ausschließlich gegen den Schuldner. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 7 Abs. 6 SchVG sei auch dann anzuwenden, wenn der gemeinsame Vertreter erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bestellt worden sei. Die Kostenregelung des § 9 Abs. 4 SchVG führe zu keiner anderen Beurteilung. Eine ergänzende Vertragsauslegung in dem vom Beklagten gewünschten Sinne komme angesichts der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 6 SchVG nicht in Betracht. Bereicherungsansprüche entfielen, weil der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Parteien den Rechtsgrund für die Leistung des Beklagten bilde. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB lägen schließlich ebenfalls nicht vor.

II.

6Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

71. Grundlage des Begehrens der Kläger ist § 667 BGB in entsprechender Anwendung. Das Rechtsverhältnis zwischen dem nach § 19 Abs. 2 SchVG von der Gläubigerversammlung bestellten gemeinsamen Vertreter und den Gläubigern richtet sich, soweit das Schuldverschreibungsgesetz keine abweichenden Bestimmungen trifft, nach den Vorschriften der §§ 675, 667 ff BGB (, WM 2022, 617 Rn. 8 mwN). Der Beklagte ist verpflichtet, das, was er aus seiner Tätigkeit nach § 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SchVG erlangt hat, an den jeweiligen Kläger herauszugeben.

82. Der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellte gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger ist jedoch berechtigt, die ihm zustehende angemessene Vergütung nebst Auslagen der auf den einzelnen Anleihegläubiger entfallenden Quote zu entnehmen (vgl. , WM 2022, 617 Rn. 10 ff).

9a) Der von der Gläubigerversammlung bestellte gemeinsame Vertreter hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Dieser Anspruch richtet sich zwar grundsätzlich gegen den Schuldner (vgl. § 7 Abs. 6 SchVG). Das gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Auch dann steht dem gemeinsamen Vertreter kein selbständig durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gegen den einzelnen Gläubiger zu (vgl. aaO Rn. 11 f mwN).

10b) Der Vergütungsanspruch berechtigt den gemeinsamen Vertreter jedoch, die angemessene Vergütung und seine Auslagen der auf den einzelnen Gläubiger entfallenden Quote zu entnehmen. Grundlage der Entnahmebefugnis ist der nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG gefasste Mehrheitsbeschluss der Gläubiger. Das Schuldverschreibungsgesetz schützt den einzelnen Gläubiger nicht vor Mehrheitsbeschlüssen, die sich nachteilig auf dessen Hauptforderung auswirken. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das bereits zitierte Senatsurteil vom (IX ZR 178/20, WM 2022, 617 Rn. 13 ff) Bezug genommen. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung ist (bisher) nicht zu beanstanden ( aaO Rn. 20).

113. Das Senatsurteil vom ist überwiegend kritisch aufgenommen worden (vgl. die Anmerkungen von Kienle/Vos, NZI 2022, 454; Borowski, ZInsO 2022, 1033; Wilken/Wintzer, EWiR 2022, 371; hinsichtlich der Begründung auch Cranshaw, WuB 2022, 277). Der Senat hat die Kritik zur Kenntnis genommen, hält aber an seiner Auffassung fest. Wünschenswert wäre eine gesetzliche Regelung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.

III.

12Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage abgewiesen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:131022UIXZR266.20.0

Fundstelle(n):
DStR 2022 S. 14 Nr. 48
NJW 2022 S. 9 Nr. 52
WM 2022 S. 2327 Nr. 48
ZIP 2023 S. 151 Nr. 3
MAAAJ-26976