BGH Beschluss v. - VIII ZR 361/20

Mieterhöhungsverlangen: Erhöhungsverlangen bei Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel

Gesetze: § 558 Abs 1 S 1 BGB, § 558a Abs 2 Nr 1 BGB, § 3 Abs 1 S 1 MietBegrG BE

Instanzenzug: Az: 65 S 228/20vorgehend AG Pankow-Weißensee Az: 7 C 425/19

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zustimmung zur Mieterhöhung in Anspruch.

2Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter einer in Berlin gelegenen 88,79 m² großen Wohnung. Die Nettokaltmiete betrug zuletzt 650,20 € im Monat. Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin von den Beklagten zunächst die Zustimmung zu einer Erhöhung dieser Miete um 94,13 € auf 744,33 € monatlich mit Wirkung ab . In dem Schreiben wird unter anderem ausgeführt, dass die Miete auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2019 angehoben werde. Die Wohnung aus dem Jahr 1998 sei in das Mietspiegelfeld H 7 einzuordnen, das für eine 88,79 m² große Wohnung für die ortsübliche Vergleichsmiete einen Mittelwert von 7,90 €/m² und einen Oberwert von 9,03 €/m² nettokalt ausweise. Da die Wohnung in mindestens drei von fünf der im Mietspiegel genannten Merkmalgruppen wohnwerterhöhende Merkmale aufweise, sei der Mittelwert von 7,90 €/m² um einen Zuschlag von 60 % der Spanne zum Oberwert zu erhöhen, so dass sich eine neue Miete von 8,58 €/m² nettokalt ergebe.

3Nachdem das Amtsgericht auf die in Berlin geltende Beschränkung der Mieterhöhung durch die Kappungsgrenze auf maximal 721,64 €/m² im Monat hingewiesen hatte, hat die Klägerin ihre Klage insoweit zurückgenommen, als sie auf die Verpflichtung der Beklagten gerichtet war, einer diesen Betrag übersteigenden Nettokaltmiete zuzustimmen.

4Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die begehrte Vertragsänderung gegen das Verbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (im Folgenden: MietenWoG Bln) verstoße und daher nach § 134 BGB nichtig sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Erhöhung der monatlich zu entrichtenden Nettokaltmiete von 650,20 € im Monat um 71,44 € auf 721,64 € monatlich ab dem zuzustimmen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

II.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6§ 3 Abs. 1 MietenWoG Bln stehe dem hier verfolgten Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf die - durch die Kappungsgrenze beschränkte - ortsübliche Vergleichsmiete nicht entgegen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei - vorbehaltlich hier nicht gegebener weiterer Regelungen - eine Miete verboten, die die am (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreite. Die Kammer gehe bei ihrer Beurteilung von einem engen Verbotstatbestand aus, der zwar - was hier nicht zu entscheiden sei - allenfalls den aus einer wirksamen Vertragsänderung resultierenden Zahlungsanspruch des Vermieters erfassen könne, die Verfolgung des Anspruchs auf Zustimmung des Mieters zu der die Miethöhe betreffenden Vertragsänderung unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 558 ff. BGB, den die Klägerin hier mit der Klage verfolge, aber unberührt lasse.

7Die Klägerin habe aus § 558 Abs. 1 BGB gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher 650,20 € monatlich um 71,44 € auf 721,44 € im Monat ab dem . Die zeitlichen Einschränkungen des § 558 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB seien ebenso eingehalten wie - nach teilweiser Klagerücknahme - die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB in Verbindung mit der Kappungsgrenzenverordnung des Landes Berlin. Das Erhöhungsverlangen genüge auch den Anforderungen des § 558a BGB.

8Die ortsübliche Einzelvergleichsmiete für die in das Mietspiegelfeld H 7 des Berliner Mietspiegels 2019 einzuordnende Wohnung mit einer Größe von 88,79 m² liege nicht unter dem von der Klägerin zuletzt geforderten Betrag von 8,13 €/m² (= 721,64 €).

III.

91. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

10a) Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO); zudem sei die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen. Ob § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln nach dem Stichtag () die Verfolgung eines Anspruchs des Vermieters aus § 558 Abs. 1 BGB sperre, sei unabhängig von der vom Bundesverfassungsgericht zu klärenden Frage der Kompetenz des Landes Berlin für die Einführung des MietenWoG Bln eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die sich in einer Vielzahl von Verfahren stellen könne und von den Berliner Fachgerichten unterschiedlich beantwortet werde.

11b) Nach der Entscheidung des in den zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Sachen 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20 und 2 BvL 5/20 (BVerfGE 157, 223 ff.) ist ein Grund für die Zulassung der Revision nicht mehr gegeben. Dort hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist (BVerfGE 157, 223 Rn. 78, 186). Aufgrund (damit auch) der Nichtigkeit von § 3 MietenWoG Bln stellt sich die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob diese Vorschrift nach dem Stichtag () die Verfolgung eines Anspruchs des Vermieters aus § 558 Abs. 1 BGB sperren kann, nicht (mehr). Weitere Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

122. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

13Der Erfolg der Klage hängt, da - wie dargelegt - § 3 MietenWoG Bln keinen Einfluss auf das Klagebegehren haben kann, ausschließlich von der Einhaltung der in den §§ 558 ff. BGB geregelten gesetzlichen Voraussetzungen einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ab, deren Vorliegen im Streitfall das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht hat. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für die in § 558a BGB normierten formellen Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen.

14a) Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen, wobei gemäß § 558a Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Begründung - wie auch hier geschehen - auf einen Mietspiegel Bezug genommen werden kann.

15Die Begründung soll dem Mieter - auch im Interesse einer außergerichtlichen Einigung zur Vermeidung überflüssiger Prozesse - die Möglichkeit eröffnen, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen und sich darüber schlüssig zu werden, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (st. Rspr.; zuletzt , NJW-RR 2021, 1379 Rn. 21; vom - VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 47; jeweils mwN). Überhöhte Anforderungen sind an die Begründung des Erhöhungsverlangens nicht zu stellen. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Vermieter dem Mieter Tatsachen mitteilt, die es diesem ermöglichen, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und dieses wenigstens ansatzweise überprüfen zu können (st. Rspr.; vgl. nur , aaO Rn. 22; vom - VIII ZR 355/18, aaO Rn. 48; vom - VIII ZR 236/18; NJW-RR 2020, 324 Rn. 15; vom - VIII ZR 62/18, NJW 2019, 3142 Rn. 25; jeweils mwN).

16b) Diesen Anforderungen wird das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom gerecht.

17Die Klägerin stützt sich zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens in dem Schreiben vom auf den Berliner Mietspiegel 2019. Dass dieser Mietspiegel im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens durch eine Internetrecherche oder über andere frei beziehungsweise gegen einen geringen Kostenaufwand verfügbare Quellen allgemein zugänglich gewesen war (vgl. zu diesem Kriterium: Senatsurteil vom - VIII ZR 167/20, NJW-RR 2021, 333 Rn. 28 mwN), stand zwischen den Parteien in den Tatsacheninstanzen nicht im Streit. Ausdrückliche Feststellungen hierzu durch das Berufungsgericht waren daher - entgegen der Auffassung der Revision - nicht veranlasst. Im Übrigen ist die allgemeine Zugänglichkeit des Berliner Mietspiegels dem Senat aus anderen Verfahren bekannt.

18Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, genügt das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin auch insoweit den formellen Anforderungen des § 558a BGB, als dort erläutert wird, dass die Wohnung nach Baualter, Wohnlage und Größe in das Mietspiegelfeld H 7 des Berliner Mietspiegels 2019 einzuordnen sei, und bei der Spanneneinordnung in mindestens drei der fünf im Mietspiegel genannten Merkmalgruppen wohnwerterhöhende Merkmale bestünden mit der Folge, dass der Mittelwert von 7,90 €/m² um einen Zuschlag von 60 % der Spanne zu dem Oberwert von 9,03 €/m² zu erhöhen sei, was zu einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 8,58 €/m² nettokalt führe. Mit diesen Angaben waren die Beklagten ohne weiteres in der Lage, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und dieses wenigstens ansatzweise überprüfen zu können. Eine ausdrückliche Benennung der in Anspruch genommenen wohnwerterhöhenden Merkmale im Mieterhöhungsverlangen ist - entgegen der Auffassung der Revision - nicht erforderlich. Denn als Bewohner der Wohnung konnten die Beklagten erkennen, welche drei von der Klägerin in Anspruch genommenen wohnwerterhöhenden Merkmale der in den fünf Merkmalgruppen des Mietspiegels genannten Merkmale in ihrer Wohnung vorhanden sein sollen, wie etwa die vom Berufungsgericht später zur Begründung der materiellen Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens herangezogenen, unstreitig vorhandenen Merkmale der Einbauküche und des abschließbaren Fahrradkellers.

IV.

19Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:140622BVIIIZR361.20.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-26741