BGH Beschluss v. - 5 StR 294/22

Besitz kinderpornographischer Schriften: Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs bei bereits abgeurteilten Taten zum Erwerb und des Verbreitens solcher Schriften

Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 184b Abs 1 StGB, § 184b Abs 3 StGB, Art 103 Abs 3 GG, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 6 KLs 430 Js 7586/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitens kinderpornographischer Schriften, Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Erwerbs kinderpornographischer Schriften in 28 Fällen schuldig gesprochen und unter Einbeziehung von Strafen aus einem weiteren Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gegen ihn verhängt sowie Einziehungsentscheidungen ausgesprochen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

21. Der in der Hauptverhandlung vom Angeklagten vorgebrachte Einwand, der Besitz zahlreicher kinderpornographischer Bild- und Videodateien (Fall D.II der Urteilsgründe) sei bereits durch das einbezogene Urteil vom „abgedeckt“, geht fehl. Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs (Art. 103 Abs. 3 GG) besteht nicht. Es liegt keine prozessuale Tatidentität zu den durch Urteil vom abgeurteilten Taten vor. Gegen das Vorliegen einer einheitlichen prozessualen Tat spricht bereits, dass insoweit materiell-rechtlich Tatmehrheit gegeben ist (vgl. , NStZ-RR 2020, 172 mwN).

3Denn in dem Urteil vom wurde der Angeklagte nicht wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften, sondern wegen 24 Fällen des Erwerbs solcher Schriften und zwei weiteren Fällen des Verbreitens kinderpornographischer Schriften verurteilt. Zwar stellt der gleichzeitige Besitz mehrerer kinderpornographischer Schriften grundsätzlich nur eine Tat dar, selbst wenn diese sich auf verschiedenen Datenträgern befinden. Der gleichzeitige Besitz bewirkt als Auffangtatbestand aber nur dann eine Verknüpfung zu einer Tat, wenn – anders als im Urteil vom – nicht selbständige Erwerbs- bzw. Verschaffenstaten festgestellt sind (vgl. , NStZ-RR 2020, 172 mwN). Dass der Angeklagte im Zeitpunkt der bereits abgeurteilten zwei Fälle des Verbreitens kinderpornographischer Schriften () nunmehr verfahrensgegenständliche weitere kinderpornographische Schriften besessen hätte, denen keine konkrete Erwerbshandlung zugeordnet werden konnte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich; auch der Angeklagte hat dies nicht behauptet. Eine Verknüpfung der verfahrensgegenständlichen Tat D.II zu einer materiell-rechtlichen oder gar prozessualen Tat mit den am zutreffend tatmehrheitlich abgeurteilten Taten ergibt sich damit nicht. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer bei den verfahrensgegenständlichen Dateien keine einzelnen Erwerbshandlungen, sondern lediglich die Speicherung der Dateien auf externen Festplatten zwischen dem und dem feststellen konnte (die Durchsuchung und Sicherstellung von Festplatten für das am abgeschlossene Verfahren fand im Februar 2017 statt, die Durchsuchung, bei der die verfahrensgegenständlichen Dateien auf anderen Festplatten sichergestellt wurden, am ), nicht aber, ob der Angeklagte – wie er behauptet – diese Dateien schon zuvor in Besitz hatte.

42. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, stehen die Fälle des Verbreitens (A.1) und des Besitzes (D.II) kinderpornographischer Schriften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Verhältnis der Tateinheit, wenn – wie hier – der Besitz in zeitlicher und quantitativer Hinsicht über das Verbreiten hinausgeht, also eine von vielen über einen längeren Zeitraum gleichzeitig besessenen kinderpornographischen Schriften zudem verbreitet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 424/21, NStZ 2022, 407; vom – 2 StR 321/19). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Dies führt zum Wegfall der für Fall A.1 verhängten Einzelstrafe. Die Gesamtstrafe kann angesichts der Vielzahl der rechtsfehlerfrei bemessenen übrigen Einzelfreiheitsstrafen und der einbezogenen Strafen bestehen bleiben, zumal da der Unrechts- und Schuldgehalt von einer Änderung der Konkurrenzverhältnisse regelmäßig nicht berührt wird (vgl. mwN).

53. Der lediglich geringfügige Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:270922B5STR294.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-25480