Anfechtbarkeit eines Beschlusses zum selbständigen Beweisverfahren
Leitsatz
Ein Beschluss, mit dem die Durch- oder Fortführung eines selbstständigen Beweisverfahrens angeordnet wird, ist nicht anfechtbar; dies gilt auch dann, wenn die Anordnung durch das Beschwerdegericht erfolgt (Fortführung von , NJW 2011, 3371).
Gesetze: § 490 Abs 2 S 2 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: LG München I Az: 36 T 9979/21vorgehend Az: 414 H 20715/19 WEG
Gründe
I.
1Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Aufgrund eines Antrags des Antragstellers auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens hat das Amtsgericht im März 2020 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Gegenstand des Gutachtens ist unter anderem, ob in der Wohnung des Antragstellers Wasser eintritt und Probleme bei der Regenwasserableitung vorhanden sind. Der beauftragte Sachverständige hat nach Durchführung eines Ortstermins mitgeteilt, dass für eine noch ausstehende Begutachtung des Dachrandes Bauteilöffnungen erforderlich seien, für die durch die Parteien Handwerker beauftragt werden müssten; zur Beantwortung der Fragen des Beweisbeschlusses im Innenbereich seien hingegen alle erforderlichen Feststellungen getroffen.
2Nachdem die Parteien mitgeteilt hatten, keine Handwerker zu stellen, hat das Amtsgericht einen Beschluss erlassen, wonach das selbstständige Beweisverfahren nur noch für den Innenbereich weitergeführt werde und im Übrigen beendet sei. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens an das Amtsgericht zurückgegeben. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsgegner mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Antragsteller beantragt.
II.
3Das Beschwerdegericht erachtet die sofortige Beschwerde für zulässig. Zwar habe ein Beschluss, mit dem die Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens festgestellt werde, nur deklaratorische und keine konstitutive Wirkung, weswegen eine hiergegen gerichtete Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich unzulässig sei. Allerdings könne der deklaratorische Beschluss verhindern, dass einer Verfahrenspartei das ihr zustehende rechtliche Gehör gewährt werde. Daher sei gegen einen Beschluss, der die Beendigung eines selbstständigen Beweisverfahrens ganz oder teilweise ausspreche, gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eine sofortige Beschwerde zulässig. Der Begriff des weit zu fassenden rechtlichen Interesses im Sinne des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO als Voraussetzung für die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens würde entkernt, wenn der sofortigen Beschwerde in diesem Fall das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen würde. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet.
III.
4Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher unzulässig.
51. Eine Rechtsbeschwerde ist nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die erstgenannte Alternative liegt nicht vor. Die Statthaftigkeit ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der zweiten Alternative. Zwar hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage, ob die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss, der das selbstständige Beweisverfahren für beendet erkläre, zulässig sei, zugelassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist aber für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden. Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der Zulässigkeitsfrage zugelassen hat (st. Rspr., vgl. , NJW 2011, 3371 Rn. 5 mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom - V ZB 119/16, FGPrax 2017, 184 Rn. 11).
62. So liegt der Fall hier. Ein Beschluss, mit dem die Durch- oder Fortführung eines selbstständigen Beweisverfahrens angeordnet wird, ist nicht anfechtbar; dies gilt auch dann, wenn die Anordnung durch das Beschwerdegericht erfolgt. Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist vor dem Hintergrund des mit dem selbstständigen Beweisverfahren auch verfolgten Zwecks der Prozessbeschleunigung (vgl. hierzu , MDR 2005, 227, 228) ein Beschluss, durch den dem Antrag im selbstständigen Beweisverfahren stattgegeben wird, nicht anfechtbar. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (näher , NJW 2011, 3371 Rn. 6 ff.). Gleichermaßen ist ein Beschluss, mit dem - wie hier - die Fortführung eines selbstständigen Beweisverfahrens angeordnet wird, unanfechtbar. Denn die Entscheidung, das selbstständige Beweisverfahren fortzusetzen, ist mit der Entscheidung, dem Antrag auf Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens stattzugeben, vergleichbar (vgl. OLG Celle, IBR 2014, 1223; BeckOK ZPO/Kratz [], § 490 Rn. 5; HK-ZPO/Kießling, 9. Aufl., § 490 Rn. 16). Die sich aus § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergebende Unanfechtbarkeit gilt schließlich auch dann, wenn die Anordnung der Durch- oder Fortführung des selbstständigen Beweisverfahrens - wie hier - durch das Beschwerdegericht erfolgt (vgl. zur Anordnung der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens , NJW 2011, 3371 Rn. 6).
73. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts kann - anders als die Rechtsbeschwerde meint - aufgrund der Regelung des § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geprüft werden. Daher kommt es auch auf die Frage, derentwegen das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, nicht an.
IV.
8Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:150922BVZB71.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 3445 Nr. 47
NJW-RR 2022 S. 1533 Nr. 22
RAAAJ-25116