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NWB-EV Nr. 11 vom Seite 359

Unternehmerische Tätigkeit statt Ruhestand

Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten

Christoph Th. Schneider und Dr. Christian Sielaff

Nicht für alle Ruheständler bedeutet das Erreichen des Renteneintrittsalters das Ende des Arbeitslebens: Für einige, weil sie aus finanziellen Gründen dazu gezwungen sind, weiter zu arbeiten, für andere da sie das Gefühl haben, noch immer etwas leisten zu können und zu wollen. Selbstverständlich gibt es den Unternehmer, der bis ins hohe Alter im eigenen Unternehmen tätig ist. Allerdings kommt es immer häufiger vor, dass dieser das Unternehmen beizeiten an die eigenen Kinder weitergibt und dann auch vollständig aus dem Unternehmen ausscheidet. Gerade Menschen, die bereits eine Karriere hinter sich und ein gewisses Vermögen aufgebaut haben, verspüren immer häufiger den Wunsch, etwas Neues ausprobieren zu wollen. Die Möglichkeiten dabei sind vielfältig. Je größer der bereits erreichte finanzielle Spielraum und die neu gewonnene persönliche Freiheit nach altersbedingter Beendigung der vormaligen Tätigkeit, desto größer die Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist der Weg in die Selbständigkeit. Dabei gilt: während sich eine freiberuflich selbständige Tätigkeit noch relativ einfach realisieren lässt, ist die Gründung eines eigenen Unternehmens komplizierter. Hier bietet es sich ggf. an, diesen Weg nicht allein bei null zu beginnen, sondern dies im Wege einer Kooperation oder Beteiligung durchzuführen.

Kernaussagen
  • Gerade Menschen, die jahrelang in verantwortlicher Position tätig waren, sich guter Gesundheit erfreuen und finanziell gut aufgestellt sind, bieten sich aufgrund ihrer Erfahrungen und der finanziellen Sicherheit des Alters neue Möglichkeiten.

  • War man sein ganzes Leben abhängig beschäftigt, stellt die freiberufliche Tätigkeit oder die Gründung eines eigenen Unternehmens durchaus einen gewissen Reiz dar. Da aber die Gründung von null an meist, auch vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Alters, keine attraktive Möglichkeit ist, bieten sich insbesondere Kooperationen mit bestehenden Unternehmen an.

I. Vorteile einer Kooperation mit einem bereits am Markt etablierten Unternehmen

Kooperation, also Zusammenarbeit, kann sowohl im Rahmen einer vertraglichen Kooperation bzgl. eines Geschäfts erfolgen als auch mit der gemeinsamen Gründung eines neuen Unternehmens. Die folgenden Ausführungen zeigen, an welchen Stellen praktische Ansatzpunkte bestehen, eine entsprechende Kooperation einzugehen bzw. den passenden Kooperationspartner zu finden.

In einer ihm bekannten Branche bieten sich für den Ruheständler häufig konkrete Anknüpfungspunkte an. Denn er kennt die Branche bzw. das Unternehmen, so dass er von außen gut erkennen kann, wo eine Kooperation für beide Seiten gewinnbringend sein kann.

Insbesondere (ehemalige) Unternehmer und Mitarbeiter befinden sich in einer günstigen Ausgangssituation. Sie besitzen einen umfangreichen Erfahrungsschatz, wissen wovon sie reden, bauen Erfahrungen auf, kennen die internen Ansprech- und externen Geschäftspartner. Dies gilt besonders für ehemalige Führungsmitarbeiter, welche vielleicht sogar das Unternehmen oder Teile davon in der früheren Tätigkeit in verantwortungsvoller Position geleitet haben. Gleichermaßen sind sie bekannt, wissen die jetzigen Unternehmensverantwortlichen doch um deren Fähigkeiten. Dies stellt eine gute Basis für eine unternehmerische Kooperation auf Augenhöhe dar, die es zu gestalten gilt.

Kann der Ruheständler etwas als nunmehr externer Kooperationspartner besser und/oder billiger und/oder flexibler machen, kann er vielleicht sogar Neues schaffen, was auf bestehenden Potenzialen aufbaut, sind die Vorzeichen für eine Kooperation gut. Dies kann immer dann der Fall sein, wenn Möglichkeiten bisher nicht genutzt wurden, vielleicht, weil sie nicht gesehen wurden, die Chancen als zu gering, die Risiken als zu groß erachtet wurden. Der Ruheständler kann hier aufgrund seiner Erfahrung punkten.S. 360

Praxishinweis

Kein Unternehmen wird sich auf eine Kooperation einlassen, wenn die Vorteile so eindeutig sind, dass es unwirtschaftlich wäre, einen Dritten daran teilhaben zu lassen. Ebenso wenig erscheint eine Kooperation sinnvoll, wenn das Konzept untauglich oder undurchführbar erscheint. Zwischen diesen beiden Extremen befindet sich allerdings eine breite Grauzone und eine gewisse Unsicherheit, ob ein Konzept erfolgsversprechend ist. Hier gilt es das richtige Maß zu finden.

Während die Suche nach völlig neuen Geschäftsideen ein weites Feld darstellt, mit erheblichen Unsicherheiten und kaum abzuschätzenden Risiken, ist dies bei einer Kooperation mit dem bisherigen Arbeitgeber anders. Möglichkeiten und Chancen sind begrenzter, also auch kalkulierbarer.

II. Ausgestaltung einer Kooperation

Bei einer Kooperation lässt sich vieles, nicht aber alles, vertraglich regeln. Damit muss ein höheres Maß an Vertrauen bestehen als dies im Regelfall zu einem externen Partner vorhanden ist, bei dem die vertraglichen Grundlagen den eigentlichen Rahmen bilden. Gleichermaßen müssen vertragliche Regelungen auch hier dazu führen, dass Risiken nicht einseitig nur von einem Partner getragen werden.

1. Gefahr der Scheinselbständigkeit

Bevor eine Kooperation eingegangen wird, sollte das Risiko der Scheinselbständigkeit berücksichtigt werden. Dies besteht z. B. immer dann, wenn die neue unternehmerische Kooperation seitens des Ruheständlers nur mit einem Kunden bzw. Partner durchgeführt wird.

Scheinselbständigkeit birgt, insbesondere aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, stets ein Risiko für beide Parteien. Diese liegt immer dann vor, wenn tatsächlich nicht selbständig bzw. freiberuflich gearbeitet wird, sondern aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse ein (verdecktes) Angestelltenverhältnis mit allen rechtlichen Konsequenzen sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer vorliegt.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist hier Vorsicht geboten. Eine Beschäftigung als freier Mitarbeiter ist besonders für Arbeitgeber reizvoll, da sie auf diese Weise nicht den Einschränkungen des Kündigungsschutzgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes unterliegen. In der Regel können diese Arten der Beschäftigung kurzfristig, u. U. unter Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist, ohne Angaben von Gründen gekündigt werden. Diesem Vorteil stehen jedoch Risiken gegenüber, die von Arbeitgebern im Vorfeld sorgfältig abgewogen und geprüft werden sollten. Dies gilt vor allem dann, wenn ein ehemaliger Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an seine abhängige Beschäftigung auf gleicher Position als Berater oder freier Mitarbeiter tätig werden soll. Vom Grundsatz her besteht ein starkes Indiz zur Annahme einer Scheinselbständigkeit, wenn ein Arbeitnehmer ein und dieselbe Tätigkeit zunächst als Arbeitnehmer und sodann als selbständig Beschäftigter ausübt. Aus diesem Grund sollte ein solches Vorgehen vermieden werden, denn bei einer entsprechenden Prüfung wird stets auf die tatsächliche Beschäftigung und nicht nur auf die vertragliche Grundlage abgestellt.

Das wichtigste Abgrenzungskriterium ist die Weisungsabhängigkeit. Weisungsgebunden und damit Arbeitnehmer ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Selbständige kann hingegen insbesondere über das „Ob“ seiner Tätigkeit frei bestimmen. Er kann Aufträge ablehnen oder beenden, ohne dass dadurch etwa Vertragsstrafen o. Ä. drohen. Hier sollte im Einzelfall eine rechtliche Abklärung im Vorfeld erfolgen, damit aus der geplanten unternehmerischen Kooperation nicht doch ein erneutes Arbeitsverhältnis abgeleitet wird.

2. Kooperationsmöglichkeiten ausgehend von Ressourcen

Bei einer Kooperation stellt häufig der eine Partner die notwendigen Ressourcen, der andere seine berufliche Erfahrung und Expertise sowie die Zeit, in der diese eingesetzt wird. Bei vermögenden Ruheständlern liegt der Part der Einbringung der finanziellen bzw. materiellen Ressourcen – u. U. in Kombination mit der Einbringung der beruflichen Erfahrung – häufig auf ihrer Seite.

a) Zeitressourcen beim Ruheständler

Lebt der Ruheständler (hauptsächlich) von seinen Ruhestandsbezügen oder anderen Vermögenswerten, kann er, gerade in der Anfangszeit, seine Zeit einbringen ohne sie ggf. als (hohen) Kostenfaktor berücksichtigen zu müssen. Hier kommt es selbstverständlich ganz auf seine Ziele an. Dient die Kooperation dazu bereits von Anfang an einen Verdienst zu erwirtschaften wird man diesen Punkt anders betrachten müssen als bei einer Kooperation, in der es darum geht, dass der Ruheständler bspw. langfristig seine Erfahrungen einbringt oder sich in einer neuen Branche bewegt und der Verdienst für ihn nicht im Vordergrund steht, sondern der Sinn, den er aus der Tätigkeit zieht (z. B. Unterstützung von Start-ups, Betätigung als Mentor).

Der Vorteil für beide Seiten besteht darin, dass die Kosten, insbesondere die fixen Kosten, relativ gering sind. Entsprechend günstig kann eine Kalkulation ausfallen, die auf den aktuellen Kosten aufbaut. Ein stabiles Geschäftsmodell würde so jedoch nicht begründet. Um zu diesem zu gelangen, müssen die dauerhaft zu tragenden Kosten berücksichtigt werden.

Praxishinweis

Eine oft sinnvolle Möglichkeit besteht darin, dass das Unternehmen als Vertragspartner gegenüber Dritten und der Ruheständler als Agent/Vertreter mit prozentualem Erfolgsanteil auftritt. Dieser Anteil kann so gestaltet werden, dass anstelle eines geringen Umsatzanteils ein sehr viel höherer Prozentsatz vereinbart wird, erst aber bei Überschreiten der Gewinnschwelle.S. 361

Ein zunehmender Chancen-Risiken-Übergang auf den Ruheständler findet statt, wenn eine Nutzung der benötigten Vermögenswerte und die Kostenübernahme erfolgt. Für bestimmte Inanspruchnahmen können Leistungssätze vereinbart werden, wobei die Belastung nicht linear erfolgen muss, sondern mit zunehmender Nutzung und parallel steigenden Umsätzen zunimmt. Da es sich oft um ältere Anlagen handelt, ist die Frage der Instandhaltung und möglicher Reparaturen zu klären. Werden immaterielle Vermögenswerte genutzt, ist ein fixer Betrag meistens die beste Lösung, wobei bei Geschäftsbeginn und entsprechender Unsicherheit bzgl. der Entwicklung kurze Zeiten vereinbart werden, die sukzessive verlängert werden.

Die größte Trennung erfolgt durch die völlige Ausgliederung der Aktivität. Meistens will der Kooperationspartner aufgrund der Anbindung an das Kerngeschäft Anteile behalten, was auch im Interesse des Ruheständlers ist, wird doch so gewährleistet, dass mögliche Abstimmungsprobleme einvernehmlich geklärt werden.