Befristung - Hochschule - Höchstbefristungsdauer
Gesetze: § 17 TzBfG, § 1 Abs 1 WissZeitVG vom , § 2 Abs 1 WissZeitVG vom
Instanzenzug: ArbG Mainz Az: 3 Ca 1039/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 8 Sa 160/20 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat.
2Der Kläger wurde von der Universität F mit Bescheid vom als Doktorand der Philosophie angenommen. Die Promotionszeit endete am mit der erfolgreichen Verteidigung der Dissertation und der Verleihung des Doktorgrades. Über diese Daten erteilte die Universität F dem Kläger unter dem eine Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber.
3Während seiner Promotionszeit war der Kläger vom bis , vom bis und vom bis als wissenschaftliche Hilfskraft mit weniger als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit und vom bis als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit an der Universität F beschäftigt. Dort war er auch nach Abschluss seiner Promotion in der Zeit vom bis zum auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträge in Vollzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. In der Zeit vom bis zum war er bei dem beklagten Land als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Koblenz-Landau auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen - zum Teil in Vollzeit, zum Teil in Teilzeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit - beschäftigt. Der letzte, zum befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom enthält ua. folgende Bestimmungen:
4Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung könne wegen Überschreitung der zulässigen Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG gestützt werden.
5Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
6Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG gerechtfertigt. Die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG sei nicht überschritten, weil sie sich durch Einsparzeiten aus der Promotionsphase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG um 27,03 Monate verlängert habe. Zeiten, in denen der Kläger während seiner Promotionszeit in Hochschul-Beschäftigungsverhältnissen mit nicht mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit gestanden habe, seien nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG auf die Befristungsdauer nicht anrechenbar und daher bei der Dauer der Promotionszeit für die Berechnung der Einsparzeiten nicht zu berücksichtigen. Auch die Beschäftigungszeiten des Klägers in der Promotionsphase mit einem Beschäftigungsumfang von mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit seien nicht zu berücksichtigen, soweit die Beschäftigung nicht der wissenschaftlichen Qualifizierung gedient habe.
7Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land den Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
8Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben.
9I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung mit Ablauf des geendet. Die Befristung ist unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die im Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG in der hier maßgeblichen am in Kraft getretenen Fassung (WissZeitVG) gerechtfertigt ist. Auf andere Befristungsgründe außerhalb des WissZeitVG hat sich das beklagte Land nicht berufen.
101. Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom fällt in den zeitlichen Geltungsbereich des WissZeitVG in der mit dem „Ersten Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ vom (BGBl. I S. 442 - 1. WissZeitVGÄndG) beschlossenen und am in Kraft getretenen Fassung. Für die Wirksamkeit der Befristung ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. - Rn. 13 mwN, BAGE 173, 315).
112. Der betriebliche Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 WissZeitVG ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. Die Universität Koblenz-Landau ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Hochschulgesetz des Landes Rheinland-Pfalz eine staatliche Hochschule des Landes Rheinland-Pfalz. § 2 Abs. 1 WissZeitVG setzt nicht voraus, dass die staatliche Hochschule Vertragsarbeitgeber ist. Das beklagte Land kann als Träger der Hochschule von den Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal Gebrauch machen (vgl. - Rn. 13 mwN).
123. Die Befristung gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am zugestellten Antrag hat der Kläger rechtzeitig - noch vor Befristungsablauf - eine Befristungskontrollklage iSv. § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG iVm. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Die Befristungskontrollklage kann bei einer kalendermäßigen Befristung schon vor Fristablauf erhoben werden (st. Rspr. vgl. nur - Rn. 15 mwN, BAGE 165, 116).
134. Die Befristung genügt dem Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Das erfordert nicht die Angabe der einzelnen Befristungsnormen. Dem Zitiergebot ist entsprochen, wenn sich aus der Befristungsvereinbarung ohne Unklarheit ergibt, dass die Befristung auf dem WissZeitVG beruhen soll (vgl. - Rn. 15 mwN). Dies ist hier der Fall. In § 2 des Arbeitsvertrags ist niedergelegt, dass die Befristung „auf § 30 Absatz 1 Satz 1 TV-L i.V.m. § 2 Absatz 1 WissZeitVG“ beruht.
145. Die Befristung entspricht aber nicht den Anforderungen von § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG. Dabei kann zu Gunsten des beklagten Landes unterstellt werden, dass der Kläger als Lehrkraft für besondere Aufgaben zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zählt und deshalb der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffnet ist (vgl. zum wissenschaftlichen Zuschnitt der von einer Lehrkraft für besondere Aufgaben auszuführenden Tätigkeit: - Rn. 14 ff.; - 7 AZR 549/14 - Rn. 27; - 7 AZR 657/14 - Rn. 17). Denn das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Befristung jedenfalls deshalb unwirksam ist, weil mit der im Vertrag vom zum vereinbarten Befristung die zulässige Höchstbefristungsdauer überschritten ist.
15a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Hochschulen, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion, dh. in der sog. Postdoc-Phase, ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WissZeitVG eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren - im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren - möglich. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG verlängert sich die zulässige Befristungsdauer in der Postdoc-Phase in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. In § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG ist für die Befristungsmöglichkeiten in der Promotionsphase und in der Postdoc-Phase jeweils eine gesonderte Höchstbefristungsdauer für die jeweilige Qualifikationsphase festgelegt. Damit sind zwei - eigenständige - Rechtsgrundlagen für kalendermäßige Befristungen normiert ( - Rn. 20).
16b) Die zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren in der Postdoc-Phase ist mit dem letzten befristeten Arbeitsvertrag der Parteien überschritten.
17aa) Auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG abgeschlossen wurden, anzurechnen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 WissZeitVG werden auch befristete Arbeitsverhältnisse angerechnet, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen werden.
18bb) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach Abschluss seiner Promotion in der Zeit vom bis zum auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträge in Vollzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität F beschäftigt. In der Zeit vom bis zum war er dann bei dem beklagten Land als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Koblenz-Landau auf der Grundlage von drei befristeten Arbeitsverträgen - zum Teil in Vollzeit, zum Teil in Teilzeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit - tätig. Damit stand er in der Postdoc-Phase für eine Gesamtzeit von acht Jahren ( bis zum sowie bis zum ) und 90 Tagen ( bis ) in auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnenden Arbeitsverhältnissen. Seine Arbeitszeit betrug in dieser Zeit durchgehend mehr als ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit. Folgerichtig stellt das beklagte Land mit seiner Revision die Überschreitung der sechsjährigen Höchstbefristungsdauer um den Zeitraum von zwei Jahren und 90 Tagen auch nicht in Frage.
19c) Die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren hat sich entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht wegen eingesparter Promotionszeiten verlängert. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
20aa) Die Promotionszeit des Klägers dauerte länger als sechs Jahre.
21(1) Das WissZeitVG enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Zeitpunkte des Beginns der Promotion (dazu -Rn. 47, BAGE 154, 375) und deren Abschlusses (dazu - Rn. 31). Maßgeblich hierfür sind daher grundsätzlich das Landesrecht und das Satzungsrecht der Universität (vgl. - aaO mwN). Legen Landesrecht oder universitäres Satzungsrecht den Beginn der Promotion nicht fest, kann hierfür die Vereinbarung eines Promotionsthemas von Bedeutung sein, da grundsätzlich anzunehmen ist, dass sich der Betreffende seitdem tatsächlich mit der Promotion befasst hat (vgl. - aaO).
22(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Kläger von der Universität F mit Bescheid vom als Doktorand der Philosophie angenommen; am endete die Promotionszeit mit der erfolgreichen Verteidigung der Dissertation und der Verleihung des Doktorgrades. Über diese Daten erteilte die Universität F dem Kläger unter dem eine Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber. Damit dauerte die Promotionszeit des Klägers nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „etwas mehr als sechs Jahre und sieben Monate“. Das beklagte Land, das selbst von einer längeren als einer sechsjährigen Promotionszeit des Klägers ausgeht, hat insoweit keine Verfahrensrügen erhoben. Daher ist es unschädlich, dass die angefochtene Entscheidung sich nicht dazu verhält, unter Anwendung welcher Vorgaben einer Promotionsordnung bzw. des Landeshochschulrechts das Landesarbeitsgericht die von ihm angenommene Dauer der Promotionszeit ermittelt hat. Im Übrigen sind weder Anhaltspunkte für eine kürzere Dauer der Promotionszeit ersichtlich noch wird eine solche von der Revision angenommen.
23bb) Beträgt die Promotionszeit - wie hier - nicht weniger als sechs Jahre, verlängert sich die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer von sechs Jahren in der Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG nicht. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes ist die Verlängerungsregelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG nicht dahin zu verstehen, dass Zeiten, in denen der Arbeitnehmer während der Promotionszeit in Beschäftigungsverhältnissen an einer Hochschule mit nicht mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit bzw. in Beschäftigungsverhältnissen, die nicht der wissenschaftlichen Qualifizierung gedient haben, stand, nicht in die Promotionszeit einzurechnen sind. Vielmehr ist bei der Ermittlung des die Postdoc-Phase verlängernden Befristungszeitraums die gesamte Promotionszeit unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie innerhalb oder außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zurückgelegt wurde, ob sie im Inland oder im Ausland absolviert wurde oder ob sie vor oder nach Abschluss eines Studiums lag (vgl. - Rn. 31; - 7 AZR 70/14 - Rn. 45, BAGE 154, 375; BT-Drs. 16/3438 S. 12).
24(1) Das ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Danach sind bei der Ermittlung des die Postdoc-Phase verlängernden Zeitraums die Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 - mithin „alle“ Promotionszeiten - zu berücksichtigen. Der Normwortlaut enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass Promotionszeiten, in denen Beschäftigungsverhältnisse bestanden, die bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen, bei der Ermittlung einer etwaigen Unterschreitung des Sechs-Jahres-Zeitraums unberücksichtigt bleiben sollen. Zwar vermögen weder Arbeitsverträge mit bis zu einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG befristet zu werden (ausf. - Rn. 23, BAGE 173, 315) noch solche, die nicht qualifikationsförderlich sind (ausf. - zu § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG vom - - Rn. 35 ff.), weshalb der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG auch ein Verständnis dahin zuließe, derartige Arbeitsverhältnisse - soweit sie in die Promotionsphase fallen - nicht als „Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1“ anzusehen. Es handelte sich dann aber um „Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1“ iSv. § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG und als solche wären sie gleichfalls verlängerungsuntauglich.
25(2) Der verlautbarte Regelungswille stützt dieses Verständnis. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3438 S. 12) soll § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG eine zügige Promotionsphase honorieren,
26Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das vom beklagten Land vertretene Normverständnis ausgeschlossen.
27(3) Es ist auch nicht aus teleologischen Gründen geboten. Mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG soll eine zügige Promotionsphase honoriert (BT-Drs. 16/3438 S. 12) und zudem sichergestellt werden, dass der zeitliche Rahmen von auf § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG gestützten Befristungen einerseits nicht überschritten, andererseits aber auch ausgeschöpft werden kann (BT-Drs. 16/3438 S. 12). Das erfordert nicht, den Zeitraum der Promotionsphase um Zeiten zu kürzen, die aufgrund ihres geringen Beschäftigungsvolumens oder sonstigen inhaltlichen Ausgestaltung nicht eigens eine wissenschaftliche Qualifizierung ermöglichen, denn § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG intendiert gerade nicht, einen „Nichtverbrauch“ von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Abschluss der Promotion zu honorieren (ausdr. BT-Drs. 16/3438 S. 12). In § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG ist für die Befristungsmöglichkeiten in der Promotionsphase und in der Postdoc-Phase jeweils eine gesonderte Höchstbefristungsdauer für die jeweilige Qualifikationsphase festgelegt. Damit sind zwei - eigenständige - Rechtsgrundlagen für kalendermäßige Befristungen normiert ( - Rn. 20). Allein der Umstand, dass Promotionszeiten nicht zur Befristung iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG genutzt wurden, verlängert entgegen der Ansicht des beklagten Landes die Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG gerade nicht. Entscheidend für die Verlängerung der Postdoc-Phase ist die Dauer der Promotionsphase, nicht - soweit während des Promotionsvorhabens Beschäftigungsverhältnisse bestehen - deren Eignung zur wissenschaftlichen Qualifizierung. Die Auseinandersetzung mit einem Promotionsthema dient auch dann der wissenschaftlichen Qualifizierung, wenn daneben anderweitige Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Die Anrechnungsregelung stellt vielmehr im Interesse einer zügigen Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses die außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zurückgelegten Promotionszeiten den im Anstellungsverhältnis erbrachten Qualifizierungszeiten gleich (ErfK/Müller-Glöge 22. Aufl. WissZeitVG § 2 Rn. 5).
28(4) Nichts anderes folgt aus der vom beklagten Land angeführten Anrechnungsregelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG. Die Vorschrift betrifft die Anrechnung von Zeiten auf die jeweilige Höchstbefristungsdauer (vgl. ausf. zB - Rn. 30), nicht hingegen die Frage der Verlängerung der Postdoc-Phase durch eingesparte Promotionszeiten. Die Anrechnung der Beschäftigungszeiten des Klägers in der Promotionsphase auf die Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG steht im Streitfall aber nicht zur Debatte. Sie ist für die vorliegend zu prüfende und getrennt zu betrachtende Einhaltung der Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG auch nicht von Bedeutung. Das beklagte Land verkennt mit seiner Argumentation, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG gerade nicht bezweckt, den „Nichtverbrauch“ von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten vor Abschluss der Promotion zu honorieren (BT-Drs. 16/3438 S. 12).
29cc) Auf die genaue zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung der vom Kläger in seiner Promotionszeit eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse kommt es daher nicht an. Angesichts der Dauer seiner Promotionszeit von mehr als sechs Jahren hat sich die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG verlängert.
30II. Das beklagte Land hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:200722.U.7AZR239.21.0
Fundstelle(n):
BB 2022 S. 2547 Nr. 44
PAAAJ-23514