BGH Beschluss v. - StB 15/22

Fortdauer langjähriger Untersuchungshaft: Verhältnismäßigkeit nach noch nicht rechtskräftiger Verurteilung eines zur Tatzeit Jugendlichen u.a. wegen Kriegsverbrechen als IS-Kämpfer

Gesetze: § 112 Abs 3 StPO, § 120 Abs 1 S 1 StPO, § 7 VStGB, §§ 7ff VStGB, § 27 Abs 1 StGB, § 211 Abs 2 StGB, § 212 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 StGB, § 1 JGG, § 3 S 1 JGG

Instanzenzug: nachgehend Az: StB 15/22 Beschluss

Gründe

I.

1Der Angeklagte befindet sich in dieser Sache seit dem mit Ausnahme einer im März 2021 vollstreckten dreitägigen Ordnungshaft ununterbrochen in Untersuchungshaft, zuletzt ab dem aufgrund des Haftbefehls des . Vor dem war gegen den Angeklagten in einem anderen Verfahren vom an ununterbrochen Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vollzogen worden.

2Mit Beschlüssen vom (AK 5/18), vom (AK 24 u. 25/18) und vom (AK 38 u. 39/18) hat der Senat im besonderen Haftprüfungsverfahren jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Dabei hat er angenommen, dass der für die Bestimmung des Fristbeginns nach § 121 Abs. 1 StPO maßgebende Tag für den Angeklagten auf den gefallen war, weil zu diesem Zeitpunkt ausreichende Erkenntnisse für den Erlass eines Haftbefehls in dieser Sache vorgelegen hatten. Mit Beschluss vom (StB 28/20) hat der Senat eine Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl vom als unbegründet verworfen.

3Mit Urteil vom hat das Kammergericht den Angeklagten eines Kriegsverbrechens gegen Personen durch entwürdigende und erniedrigende Behandlung in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung, mit Beihilfe zum Mord sowie mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig gesprochen und ihn mit einer Jugendstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten belegt. Im Anschluss daran hat es in Fortschreibung des Haftbefehls vom einen Beschluss über die Fortdauer der Untersuchungshaft ([1] 3 St 3/18-4 [3/18]) verkündet, der sich nunmehr auf einen dringenden Tatverdacht nach Maßgabe der Verurteilung stützt.

4Gegenstand dieser Haftentscheidung ist danach der Vorwurf, der Angeklagte habe als Jugendlicher mit Verantwortungsreife am 23. oder in Mosul (Irak) im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt, zugleich anderen dazu Hilfe geleistet, im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sowie einen Menschen aus niedrigen Beweggründen zu töten, und sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, strafbar gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 9 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 211 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 52 StGB, §§ 1, 3 Satz 1 JGG.

5Gegen seine Verurteilung führt - allein - der Angeklagte die Revision. Das Kammergericht hat die Akten samt der Revisionsbegründung mit Verfügung vom dem Generalbundesanwalt nach § 347 Abs. 2 StPO vorgelegt.

6Mit Schriftsatz eines seiner Verteidiger vom hat der Angeklagte gegen den Haftfortdauerbeschluss vom Beschwerde eingelegt und beantragt, den Haftbefehl vom aufzuheben, hilfsweise gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Nachdem das Kammergericht am entschieden hatte, dem Rechtsmittel nicht abzuhelfen, und der Generalbundesanwalt unter dem beantragt hatte, es zu verwerfen, hat der Angeklagte es mit Schriftsatz des Verteidigers vom begründet.

II.

7Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 304 Abs. 1 und 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde des Angeklagten, die sich zutreffend gegen den Haftfortdauerbeschluss des als die zuletzt ergangene den Bestand des Haftbefehls betreffende Haftentscheidung richtet (s. , juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN), bleibt in der Sache ohne Erfolg.

81. Gegen den Angeklagten besteht der dringende Verdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO, er habe sich, nachdem die außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) am die irakische Millionenstadt Mosul erobert gehabt habe, der Organisation angeschlossen. Am 23. oder habe er sich als IS-Mitglied an der zu Propagandazwecken inszenierten und gefilmten Hinrichtung eines irakischen Offiziers durch andere IS-Angehörige beteiligt, indem er das Opfer absprachegemäß unmittelbar vor der Tötung schwerwiegend beschimpft und vor ihm ausgespuckt habe.

9Der dringende Tatverdacht wird in der Regel durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (s. BGH, Beschlüsse vom - StB 20/03, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 4; vom - StB 12/18, NStZ-RR 2018, 255 mwN). So verhält es sich auch hier. Gründe für eine Ausnahme sind nicht ersichtlich.

102. Es liegt jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO vor. Ob, wie das Kammergericht angenommen hat, daneben die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und/oder Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) gegeben sind, kann vorliegend dahinstehen.

11a) Bei den in § 112 Abs. 3 StPO aufgeführten Straftaten, zu denen sowohl die Beihilfe zum Mord nach § 211 Abs. 2, § 27 Abs. 1 StGB (zu dem die Teilnahme umfassenden Anwendungsbereich vgl. KK-StPO/Graf, 8. Aufl., § 112 Rn. 41 mwN) als auch die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB zählen, darf nach dem Gesetzeswortlaut die Untersuchungshaft auch dann angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO nicht besteht. Allerdings ist die Vorschrift wegen eines sonst darin geregelten offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (s. , BVerfGE 19, 342, 350 f.).

12Genügen kann bereits die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falls doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, ferner die ernstliche Befürchtung, der Täter werde weitere Taten ähnlicher Art begehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht (s. , BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1). Wenn allerdings nach den Umständen des Einzelfalls gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von einem Haftbefehl nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom - StB 51/09, BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 2; vom - StB 30/16, NJW 2017, 341 Rn. 12; vom - AK 57/18, juris Rn. 31).

13b) Nach den gegebenen Umständen bestünde, falls der Angeklagte auf freien Fuß gesetzt würde, die zumindest entfernte Gefahr, dass er sich dem weiteren Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahren entzöge. Für ein solches Sichentziehen genügt ein Verhalten, das den Erfolg hat, dass der Fortgang des Strafverfahrens wenigstens vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft verhindert wird, für Ladungen und Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen (s. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 Rn. 15; vom - AK 33/17, juris Rn. 38; BeckOK StPO/Krauß, 42. Ed., § 112 Rn. 24 mwN).

14aa) In die gebotene Würdigung der Umstände des Falls ist einzustellen, dass der Angeklagte bei hypothetischer Rechtskraft seiner Verurteilung nunmehr noch mit einer Strafvollstreckung von etwas mehr als elf Monaten zu rechnen hätte. Nach der Verurteilung hat sich die Straferwartung auf die verhängte Jugendstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten konkretisiert (s. , juris Rn. 9). Gemäß § 52a Satz 1 JGG ist hierauf nicht allein die in dieser Sache seit dem vollzogene Untersuchungshaft anzurechnen, sondern auch diejenige, die der Angeklagte in dem anderen Verfahren aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten ab dem erlitten hatte. Denn die Vorschrift ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass zu einem verfahrensfremden Freiheitsentzug der dessen Anrechnung bewirkende sachliche Bezug auch gegeben ist, wenn gegen den Jugendlichen wegen einer anderen Tat, die im Fall ihres Erwiesenseins zu einer einheitlichen Rechtsfolge gemäß § 31 Abs. 2 JGG geführt hätte, Untersuchungshaft vollzogen und er dann freigesprochen worden ist (s. , NStZ 2000, 277; ferner BeckOK JGG/Putzke, 24. Ed., § 52 Rn. 10, § 52a Rn. 8 f.).

15Das Kammergericht hat in dem Haftfortdauerbeschluss eine Reststrafenaussetzung (§ 88 JGG) als ausgeschlossen erachtet. In den schriftlichen Gründen des Urteils findet die dieser Beurteilung zugrundeliegende ungünstige Legalprognose eine genügende Stütze (zur im Rahmen der Aussetzungsentscheidung gebotenen Wahrscheinlichkeitsprognose vgl. , NStZ-RR 2018, 126 mwN). Dort sind für den im Zeitpunkt der Verkündung 22jährigen Angeklagten erhebliche Persönlichkeits- und Charaktermängel beschrieben. Diese Defizite manifestierten sich nicht nur in einer Vielzahl festgestellter Straftaten, die er in Deutschland nach seiner Einreise im Jahr 2015 beging, namentlich Körperverletzungs-, Waffen-, Beleidigungs-, Betäubungsmittel- und Eigentumsdelikte; so verletzte der Angeklagte etwa, gemeinschaftlich handelnd, einen Zeugen massiv mit einem Teleskopschlagstock. Vielmehr zeigten sich die Mängel auch in seinem Verhalten vor dem erkennenden Staatsschutzsenat und im Untersuchungshaftvollzug, obgleich es nicht stets die Schwelle zum Strafbaren überschritt:

16Der Angeklagte versuchte während der Hauptverhandlung, Zeugen einzuschüchtern, indem er sie bedrohte und beleidigte, in einem Fall etwa durch eine das Durchschneiden der Kehle andeutende Geste. Einen Ermittlungsbeamten belegte er mit dem Wort "Versager" und unterstrich die Ehrverletzung dadurch, dass er auf den Hinweis des Sitzungsvertreters des Generalbundesanwalts, dies müsse sich der Zeuge nicht gefallen lassen, äußerte: "Doch!" Er ergriff wiederholt eigenmächtig das Wort; so kommentierte er eine Prozesserklärung des Vertreters der Bundesanwaltschaft mit dem Zwischenruf "Seien Sie doch einfach mal ruhig". Nach einer im Haftbefehl vom wiedergegebenen Stellungnahme der Jugendstrafanstalt wurden 17 Disziplinarmaßnahmen allein bis Juni 2020 verhängt, unter anderem wegen Beleidigung von Bediensteten. Wegen einer dieser Taten wurde er zwischenzeitlich verurteilt. Seit Dezember 2018 wurden ausweislich der Haftsachakte beim Angeklagten insgesamt neun Mobiltelefone aufgefunden, zuletzt - nach seiner Verurteilung - im November 2021.

17All dies lässt die Annahme des Kammergerichts, eine Reststrafenaussetzung komme nicht ernsthaft in Betracht, als begründet erscheinen. Auch das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist bei der abgeurteilten Tat, unter anderem einer Beihilfe zum Mord, ein für die Aussetzungsentscheidung bedeutender Gesichtspunkt. Allein der Umstand, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft und erstmalig von einer freiheitsentziehenden Maßnahme betroffen ist, begründet hier keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für ein künftiges straffreies Leben. Das Kammergericht, das allein einen unmittelbaren Eindruck vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnen hat, hat dem Senat als Beschwerdegericht keine weiteren zu dessen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte vermittelt.

18bb) Aus den beschriebenen Persönlichkeits- und Charaktermängeln des Angeklagten lässt sich zudem folgern, dass er nicht bereit und imstande ist, seinem Willen zuwiderlaufende verbindliche Regeln anzuerkennen und zu befolgen. Es besteht die Möglichkeit, dass er künftig versucht, Ladungen und Vollstreckungsmaßnahmen - über bloße Untätigkeit hinaus - zu entgehen.

19Die vom Beschwerdeführer vorgelegte "psychologische Stellungnahme" der Jugendstrafanstalt vom "zur Frage der Legalprognose" rechtfertigt keine andere Bewertung. So hat sie dem Angeklagten ebenfalls eine "eingeschränkte Steuerungsfähigkeit, Impulskontrolle, Spannungs- und Frustrationstoleranz sowie mangelhafte Folgenkalkulation" attestiert, darüber hinaus eine "psychisch instabile Verfassung" und eine "Reifeverzögerung". Soweit die Stellungnahme demgegenüber einschränkend als Grund hierfür angeführt hat, der Angeklagte habe fast "seine gesamte Jugend/Pubertät ... einer wenig förderlichen Gefängnissozialisation" unterlegen, ist dem Verfasser aus dem Blick geraten, dass der Angeklagte erstmals in Haft kam, als er mindestens 18 Jahre und drei Monate alt war.

20Über die Mitglieder seiner Familie hinaus verfügt der Angeklagte im Inland nicht über gefestigte soziale Bindungen. Dass er von seinen nahen Angehörigen die notwendige Unterstützung erhalten könnte, um sich dem weiteren Strafverfahren zuverlässig zur Verfügung zu stellen, unterliegt erheblichen Bedenken. Sein Vater, der Mitangeklagte, befindet sich ebenfalls in Untersuchungshaft. Für seine Mutter sind in den Urteilsgründen von ihr unternommene Versuche dokumentiert, unlauter auf Zeugen einzuwirken. Ausweislich des Haftbefehls vom hat ein Zeuge nicht nur bekundet, er sei von dem Angeklagten massiv körperlich misshandelt und bedroht worden, sondern auch ausgesagt, dessen Mutter habe "wegen seiner (des Zeugen) Anzeige" ihm und auch seiner Familie mehrfach gedroht, etwa dergestalt, ihn von gedungenen "Marokkanern oder Tunesiern auf der Straße schlagen zu lassen". Die jüngeren Brüder des Angeklagten hätten dem Zeugen gegenüber zur Einschüchterung geäußert, "sie würden auch irgendwann erwachsen".

21cc) Infolgedessen besteht die nicht fernliegende, nicht nur theoretische Möglichkeit, dass sich der Angeklagte im Fall seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft dem Strafverfahren entzöge.

223. Vor dem dargelegten Hintergrund ist eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO analog) nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

234. Die Fortdauer der nun bereits beinahe vier Jahre und elf Monate andauernden Untersuchungshaft, von der etwa vier Jahre und zehn Monate die hiesige Haftsache mit dem Stichtag des betreffen, ist mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung und -vollstreckung bei Berücksichtigung und Abwägung der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens derzeit noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

24a) Die abgeurteilten tateinheitlich begangenen Verbrechen wiegen schwer.

25b) Der Gesichtspunkt, ob die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung "hypothetisch" ausgesetzt werden könnte, ist zwar bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ebenfalls zu berücksichtigen (s. etwa BGH, Beschlüsse vom - StB 12/12, NJW 2013, 247 Rn. 17; vom - StB 12/18, NStZ-RR 2018, 255). Indes handelt es sich dabei nicht um eine starre Grenze, bei deren Erreichen der weitere Vollzug der Untersuchungshaft stets unverhältnismäßig wäre. Die verhängte Strafe bleibt daneben ein beachtliches Abwägungskriterium. Wie dargelegt (s. oben II. 2. b] bb]), sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zu erwarten ist (zu dem Beurteilungsmaßstab s. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 2057/05, BVerfGK 7, 140, 161 f.; vom - 2 BvR 644/12, BVerfGK 19, 428, 435; , NStZ-RR 2018, 255; MüKoStPO/Böhm/Werner, § 112 Rn. 53 mwN). Es besteht kein Rechtssatz, dass die Untersuchungshaft nicht bis zur Höhe der verhängten Freiheitsstrafe vollzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um die noch nicht rechtskräftige Ahndung der Tat und die Vollstreckung der Strafe zu sichern (vgl. MüKoStPO/Böhm, § 120 Rn. 13).

26c) Das Verfahren ist auch nach der letzten Haftentscheidung des Senats vom (StB 28/20) mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden.

27Vom bis zum hat die Hauptverhandlung an 164 Sitzungstagen, mithin an durchschnittlich mehr als zwei Tagen pro Woche, stattgefunden (zur Dauer der Hauptverhandlung im hiesigen Verfahren vgl. überdies den vorbenannten Beschluss, aaO, juris Rn. 49). Knapp sechs Monate später, am , sind die schriftlichen Urteilsgründe zu den Akten gelangt.

Schäfer                      Wimmer                      Berg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:200422BSTB15.22.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-23271