Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts
Gesetze: § 91 Abs 2 S 1 Halbs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 11 W 905/21vorgehend LG München I Az: 25 O 3281/20
Gründe
I.
1Der Kläger nahm die beklagte Leasing-Gesellschaft zunächst vor dem Landgericht Landau in der Pfalz auf Rückabwicklung eines Leasingvertrags in Anspruch. Die Beklagte beauftragte mit ihrer Vertretung in diesem Verfahren eine in K. ansässige Rechtsanwaltskanzlei.
2Nach Abgabe des Verfahrens an das Landgericht München I, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, wies dieses die Klage ab und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO auf Kosten des Klägers zurück.
3Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte im Hinblick auf das erstinstanzliche Verfahren unter anderem die Festsetzung von Reisekosten ihrer aus K. angereisten Prozessbevollmächtigten in Höhe von 361,30 € begehrt.
4Das Landgericht hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom der Beklagten als Reisekosten lediglich Fahrtkosten in Höhe von 19,80 € und eine Abwesenheitspauschale in Höhe von 25 € zuerkannt. Die mit dem Ziel der antragsgemäßen Festsetzung der Reisekosten ihrer aus K. angereisten Prozessbevollmächtigten eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
5Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Kostenfestsetzungsbegehren weiter, soweit es in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben ist.
II.
61. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, § 575 ZPO). Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 8 Abs. 2 EGGVG für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde der Beklagten zuständig, weil im vorliegenden Fall ausschließlich Bundesrecht Anwendung findet (vgl. , NJW 2020, 691 Rn. 6). Die entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO in Verbindung mit § 8 Abs. 1 EGGVG und Art. 11 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (BayAGGVG) durch das Beschwerdegericht unterbliebene Bestimmung des zuständigen Rechtsbeschwerdegerichts muss daher - anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - auch in Ansehung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nachgeholt werden (vgl. , WM 2021, 1079 Rn. 9, insoweit in BGHZ 229, 299 nicht abgedruckt; vom - III ZR 175/19, juris Rn. 11 [jeweils zur Revision]; BGH, Beschlüsse vom - III ZB 98/18, aaO; vom - IX ZB 598/02, juris Rn. 2; vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 7 EGZPO Rn. 4; aA MünchKommZPO/Gruber, 6. Aufl., § 7 EGZPO Rn. 8).
7Dem steht nicht die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführte Entscheidung des III. Zivilsenats des , NJW-RR 2021, 507 Rn. 6) entgegen. Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall bildeten landesrechtliche Normen - anders als hier - den Schwerpunkt des Rechtsstreits. Vor diesem Hintergrund hat der III. Zivilsenat es als zulässig angesehen, dass das Oberlandesgericht den Urteilstenor hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO mit Bindungswirkung für den Bundesgerichtshof und das Bayerische Oberste Landesgericht berichtigte (vgl. , aaO Rn. 8).
82. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
9a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte zwar nicht gehalten gewesen sei, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils erneut einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und diesen neu zu instruieren. Damit liege ein Ausnahmefall im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO vor mit der Folge, dass kostenrechtlich die Hinzuziehung eines weder am Gerichtsort noch am Sitz der Partei ansässigen Anwalts akzeptiert werde. Soweit nach diesen Grundsätzen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts am dritten Ort als notwendig und damit verbundene Mehrkosten als grundsätzlich erstattungsfähig anzusehen seien, stelle sich jedoch die Frage, ob die hierdurch ausgelösten Mehrkosten automatisch in voller Höhe erstattungsfähig seien. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts gehe dies zu weit. Wenn am Geschäftssitz der Partei - wie hier - ebenfalls Rechtsanwälte vorhanden seien, die in der Lage wären, die Funktion "als Hausanwalt" zu übernehmen, seien lediglich die Reisekosten eines (fiktiven) Anwalts erstattungsfähig, dessen - wiederum fiktiver - Kanzleisitz an dem vom Gerichtsgebäude am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks liege.
10b) Diese Beurteilung hält in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts können, wenn die Hinzuziehung eines weder am Gerichtsort noch am Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts ("Rechtsanwalt am dritten Ort“) notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO war, die erstattungsfähigen Reisekosten nicht auf die Kosten beschränkt werden, die einem Rechtsanwalt entstanden wären, der in dem vom Gericht am weitest entfernt gelegenen Ort im Gerichtsbezirk ansässig ist. Eine solche Begrenzung der für den auswärtigen Rechtsanwalt zu erstattenden Reisekosten über die sich aus § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ergebenden Einschränkungen hinaus sieht die Zivilprozessordnung nicht vor.
11aa) Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war.
12(1) Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - X ZB 30/04, GRUR 2005, 1072; vom - IV ZB 18/12, NJW-RR 2013, 242 Rn. 10; vom - II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 10, vom - VIII ZB 85/20, NJW 2021, 3663 Rn. 10). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. , aaO). Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IV ZB 18/12, aaO; vom - II ZB 23/16, aaO; vom - VIII ZB 85/20, aaO). Unter diesen Voraussetzungen kann unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts als notwendig anzuerkennen sein.
13(a) Allerdings ist die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig nicht notwendig, wenn die Partei ihren Sitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat und nicht einen dort tätigen, sondern einen außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 13/11, NJW-RR 2012, 697 Rn. 7; vom - VIII ZB 37/18, NJW 2019, 681 Rn. 11; vom - VIII ZB 85/20, aaO Rn. 11). In diesen Fällen kann die Partei Reisekosten nur insoweit beanspruchen, als sie entstanden wären, wenn sie einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks mandatiert hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 37/18, aaO Rn. 14; vom - VIII ZB 85/20, aaO).
14(b) Dies schließt jedoch auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht aus, etwa, wenn sich diese aus der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeit ergibt oder weil mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die Partei aus diesem Grund die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann (, NJW 2018, 1693 Rn. 11). Auch die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts ist ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 13/11, NJW-RR 2012, 697 Rn. 9; vom - VIII ZB 85/20, aaO Rn. 12).
15(2) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei die Zuziehung der nicht am Sitz der Beklagten ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Begründung als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO bewertet, die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und neu zu instruieren.
16(a) Wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen angenommen hat, ist eine nennenswerte Kostenersparnis durch die Einschaltung einer am Prozessort oder an dem Geschäftssitz der Partei niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei - bei fehlendem persönlichen Besprechungsbedarf - nicht zu erwarten, wenn - wie hier - ein Unternehmen bundesweit in einer Vielzahl von Fällen verklagt wird.
17(b) Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung rügt, bereits die Annahme des Beschwerdegerichts, die Beklagte führe eine Vielzahl von Prozessen im gesamten Bundesgebiet, beruhe auf einer nicht tragfähigen tatsächlichen Grundlage, weil die Beklagte hierzu nicht substantiiert vorgetragen habe, überspannt sie die an ein substantiiertes Vorbringen zu stellenden Anforderungen.
18(aa) Die Beklagte hat (noch) hinreichend substantiiert zu der Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten vorgetragen, indem sie in der Beschwerdebegründung dargelegt hat, sie sei ein Unternehmen, das bundesweit gerichtliche Verfahren abwickele und sich hierfür seit vielen Jahren ihrer auf Leasingfragen spezialisierten Prozessbevollmächtigten bediene. Diese verfügten über einen profunden Einblick in die Struktur, die Organisation und die Vertragsabläufe bei der Beklagten und seien daher als deren "Hausanwälte" anzusehen. Es bestehe ein tiefes Vertrauensverhältnis. Aufgrund ihres Einblicks in das Unternehmen der Beklagten und das entstandene Vertrauensverhältnis seien die Prozessbevollmächtigten in der Lage, die übergebenen Fälle ohne beziehungsweise mit nur einer kurzen Besprechung bei der Beklagten umfassend und sachgerecht zu bearbeiten, was bei der Beauftragung einer Vielzahl von Anwälten in der ganzen Bundesrepublik nicht möglich wäre.
19(bb) Damit war dem Vorbringen der Beklagten sowohl zu entnehmen, dass sie bundesweit - vertreten durch die in K. ansässigen Rechtsanwälte - Prozesse führt, als auch, dass es sich um eine Vielzahl von Verfahren handelt. Einer näheren Darlegung, in welchem konkreten quantitativen Verhältnis die in München geführten Prozesse zu den auswärtigen stehen, bedurfte es insofern entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung zur Begründung der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO nicht.
20(cc) Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung im Hinblick auf die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I und den im Bezirk dieses Gerichts befindlichen Sitz der Beklagten die Vermutung geäußert hat, dass der Schwerpunkt der "leasingrechtlichen Prozessserie, in die die Beklagte verwickelt" sei, nicht im gesamten Bundesgebiet, sondern in München liege, fehlt es an dementsprechenden Feststellungen des Beschwerdegerichts. Der Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt jedoch nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte sowie der auf eine Verfahrensrüge zu beachtende Sachverhalt (vgl. § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO; siehe auch , NJW 2004, 367 unter II 2). Übergangenen Sachvortrag des Klägers zeigt die Rechtsbeschwerdeerwiderung insoweit nicht auf.
21(c) Auch hat die Beklagte entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerdeerwiderung (substantiiert) dargelegt, dass es sich bei den Verfahren um ähnlich gelagerte Prozesse handelt, indem sie darauf verwiesen hat, dass die Prozessbevollmächtigten überwiegend im Leasingbereich mandatiert würden.
22(aa) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, bedarf es für die sachliche Rechtfertigung der Beauftragung eines weder am Sitz der Partei noch des Gerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht zwingend vollständig gleich gelagerter Verfahren. Entscheidend ist vielmehr, dass - wie bereits ausgeführt - die verständig und wirtschaftlich denkende Partei die Beauftragung im Rahmen einer ex ante-Betrachtung auch unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis als sachdienlich ansehen durfte.
23(bb) Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Beauftragung der auf Leasingrecht spezialisierten Prozessbevollmächtigten mit bundesweit geführten Leasingverfahren als ausreichend angesehen hat, um die Voraussetzungen der Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu bejahen. Bei Leasingprozessen handelt es sich häufig um Massenverfahren, denen erfahrungsgemäß oft ähnlich gelagerte Sachverhalte und vergleichbare Problemstellungen - wie auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht verkennt - zugrunde liegen. Insofern hat die Beklagte ein anerkennenswertes Interesse, lediglich eine Kanzlei mit der Führung dieser Prozesse zu beauftragen, wobei angesichts der Verteilung der Verfahren auf das gesamte Bundesgebiet auch nicht die Beauftragung eines am Sitz der Beklagten ansässigen Rechtsanwaltsbüros aus Gründen der Kostenersparnis als geboten anzusehen ist.
24(cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführten Beschluss des II. Zivilsenats des , NJW 2018, 1693). Dieser Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass lediglich bei Ansprüchen aus einem zeitlich und räumlich einheitlichen Lebenssachverhalt und bei Bestehen einer rechtlichen "Interdependenz" der verschiedenen Verfahren eine Notwendigkeit der Zuziehung des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung bejaht werden kann. Der II. Zivilsenat hat in dieser Entscheidung vielmehr darauf verwiesen, dass auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht ausgeschlossen sind (vgl. , aaO Rn. 11; siehe hierzu bereits Senatsbeschluss vom - VIII ZB 85/20, NJW 2021, 3663 Rn. 12).
25bb) War die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten jedoch im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO notwendig, können entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts die zu erstattenden Kosten bei der Vertretung der Beklagten vor dem Gericht an ihrem Gesellschaftssitz nicht auf die fiktiven Kosten eines Anwalts begrenzt werden, dessen Kanzleisitz sich an dem von dem Gericht am weitest entfernt Ort innerhalb des Gerichtsbezirks befindet (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 85/20, aaO Rn. 15). Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO verlangt im Fall der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war oder auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 85/20, aaO mwN).
26(1) Denn bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - III ZB 64/09, juris Rn. 7; vom - VIII ZB 93/10, aaO Rn. 13; vom - II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 10; vom - VIII ZB 85/20, aaO Rn. 16). Der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 64/09, aaO; vom - VIII ZB 93/10, aaO; vom - II ZB 23/16, aaO; vom - VIII ZB 85/20, aaO).
27Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten grundsätzlich nicht zusätzlich der gesonderten Feststellung, ob die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts am dritten Ort verbundenen Mehrkosten in voller Höhe erstattungsfähig sind, wenn das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung - wie hier - rechtsfehlerfrei bejaht hat (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZB 85/20, aaO Rn. 17).
28(2) Soweit das Beschwerdegericht seine abweichende Auffassung auf die Entscheidung des ) stützt, hat dieses bereits die Notwendigkeit der Einschaltung eines nicht am Gerichtsort ansässigen "Hausanwalts“ im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO - anders als das Beschwerdegericht - verneint und nicht eine zweistufige Prüfung (Notwendigkeit der Einschaltung, Höhe der erstattungsfähigen Reisekosten) vorgenommen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zur Begründung der fehlenden Notwendigkeit einer Beauftragung eines auswärtigen Anwalts darauf verwiesen, dass keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich seien, weshalb die dortige Klägerin keinen am Ort ihres Geschäftssitzes ansässigen Anwalt ihres Vertrauens ausgewählt habe (, juris Rn. 3 f.). Abgesehen von den unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben, die das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Beschwerdegericht angelegt haben, liegen die Dinge vorliegend auch anders als in dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall. Die Beklagte hat unwiderlegt geltend gemacht, dass die von ihr beauftragte auswärtige Anwaltskanzlei auf das Leasingrecht spezialisiert sei. Da das Leasingrecht deutlich anderen Regeln folgt als das Bankrecht, trägt der vom Beschwerdegericht erfolgte Hinweis auf eine mögliche Vertretung durch in München niedergelassene, im Bankrecht spezialisierte Anwälte nicht.
29(3) In der vom Beschwerdegericht weiterhin angeführten Entscheidung des ) hat sich der Bundesgerichtshof ebenfalls lediglich mit der Frage befasst, welche Reisekosten eine Partei erstattet bekommen kann, wenn die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts - anders als im vorliegenden Fall - nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO war (vgl. , NJW 2018, 2572 Rn. 12).
III.
30Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der den Prozessbevollmächtigten der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen weiteren Reisekosten getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststellungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO iVm § 559 ZPO). Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der über den Betrag von 44,80 € hinaus festzusetzenden Reisekosten getroffen werden können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:050722BVIIIZB33.21.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 1436 Nr. 20
VAAAJ-22848